14.04.2019, (explizit.net / kath.de / Matthias Alexander Schmidt), [mit Updates vom 15.04.2019, 16:38 Uhr, ergänzt um Mitteilung vom neuen Vorstands-Vorsitzenden/Direktor)
Eine der besten Schulen im Kosovo, die Asociation „Loyola-Gymnasium“ (ALG), hat ihren Direktor, den deutschen Jesuiten Axel Bödefeld entlassen. Im Auftrag seines Ordens hatte Bödefeld – neben seiner Tätigkeit als Direktor des als Elite-Schule geltenden Loyola-Gymnasiums in Prizren – dafür sorgen wollen, dass kosovarische Jugendliche qualifizierte Berufsausbildungen im Kosovo erhalten und nicht ins – vor allem deutschsprachige – Ausland abwandern. Die Jugendarbeitslosigkeit im Kosovo liegt bei 70 Prozent, es gibt keine Berufsausbildungen. Die bisher erste Berufsschule des vom Bürgerkrieg gebeutelten Landes stand dank Bödefelds Bemühungen bereits in den Startlöchern. Eine Mehrheit des Trägervereins „Asociation Loyola Gymnasium“ lehnt dieses ab.
Wie der Jesuitenorden mitteilte, entzog eine Mehrheit des Trägervereins „Asociation Loyola Gymnasium (ALG)“ dem Direktor Axel Bödefeld am vergangenen Freitag das Vertrauen und entpflichtete ihn mit sofortiger Wirkung von seinem Amt (Pressemitteilung jesuiten.org).
Das "Projekt einer Berufsschule", teilte der neu gewählte Direktor Fadil Hamzaj in einem E-Mail-Newsletter am Montagnachmittag mit, sei "gegen den ausdrücklichen Rat kompetenter Mitglieder" des Trägervereins von Direktor Bödefeld geplant worden, und könne nun nicht weiter verfolgt werden, denn die "Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung sind derzeit nicht gegeben".
Fadil Hamzaj ist laut eigener Auskunft der neue "Allgemeine Direktor der ALG" sowie gleichzeitig "der gewählte Elternvertreter und derzeitiger amtierender Vorstandsvorsitzender der ALG".
Keine Unterstützung für Berufsschule der Jesuiten
Der Trägerverein lehnt laut Informationen vom Montagnachmittag die Berufsschule ab.
Der Hintergrund offenbar: Eine Ausbildungs-Kooperation mit Unternehmen in Deutschland. Im Rahmen einer „Ausbildungsinitiative“ kooperiert ALG mit namhaften Unternehmen in Deutschland, etwa mit dem Arbeiter-Samariter-Bund, Fielmann, ThyssenKrupp und der Volksbank in Oelde. Jedes Jahr werde den besten Loyola-Abiturienten ein „Ausbildungsvertrag in Deutschland angeboten“, heißt es auf der ALG-Webseite. „Vielfach auch mit der Option zu einem berufsbegleitenden oder einem anschließenden Studium in Deutschland“.
Nach bisher vorliegenden Informationen gehen seit vielen Jahren bis zu 30 Loyola-Absolventen pro Jahr zur Ausbildung nach Deutschland. Bisher ist offenbar noch keiner von ihnen in den Kosovo zurückgekehrt. "Vatican News" schreibt, der deutsche Provinzial der Jesuiten, Johannes Siebner,
vermute, dass wohl der Wunsch, mit Absolventen aus dem Kosovo den Fachkräftemangel in Deutschland zu beheben, eine Rolle spiele.
Der neue Direktor und Vorsitzender des Trägervereins, Fadil Hamzaj, teilte am Montagnachmittag mit, in Zukunft solle die "Ausbildungsinitiative" sowie das Deutsche Sprachdiplom (DSD), und ein Schüleraustausch mit Deutschland "verstärkt und mit Leben gefüllt werden".
Ashkali kommen zum Betteln, junge Mädchen werden nach Deutschland verheiratet
Ein Integrations- und Schulbildungsprojekt mit der ausgegrenzten Ashkali-Minderheit soll laut Auskunft des neuen Direktors weitergeführt werden. In einer Pressemitteilung vom Samstag hatte der Jesuitenorden mitgeteilt, auch dieses Projekt werde "von der Mehrheit im Trägerverein nicht unterstützt". Der Jesuit Axel Bödefeld hatte als Direktor des ALG maßgeblich das Projekt „Loyola-Tranzit“ unterstützt, ein Begegnungs- und Lernhaus im Nachbarviertel des „Elite“-Loyola-Gymnasiums, unweit der albanischen Grenze. Im Viertel „Tranzit“ leben und lernen seit einigen Jahren Loyola-Schüler gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen der ausgegrenzten und verarmten Ashkali-Bevölkerung. Diese ethnische Gruppe fasst den Begriff „Roma“ für sich als Beleidigung auf und möchte nicht so genannt werden. Im Viertel gibt es u.a. auch eine Musikschule für alle Ashkali-Kinder und -Jugendliche (Foto oben).
In Deutschland, Österreich und der Schweiz leben mehrere Hunderttausend Kosovo-Albaner, der Kosovo selbst hat nur 1,5 Millionen Einwohner. Junge Leute verlassen in Scharen das vom Bürgerkrieg geschädigte Land und schicken Geld zurück in die Heimat. Diese Überweisungen von Familienmitgliedern aus dem Ausland halten den Kosovo am Leben. Daneben gibt es nur Korruption, organisierte Kriminalität und Geld von internationalen Hilfsorganisationen. Zusammen bilden diese Einnahmewege 90 Prozent der Wirtschaftskraft im Kosovo. Nur zehn Prozent werden auf legale Weise im Kosovo selbst erwirtschaftet.
Während eher privilegierte Kosovo-Albaner wie die Loyola-Abiturienten durch „Ausbildungsinitiativen“ in Deutschland Arbeit finden, gehen Ashkali-Familien nicht selten in Gruppen ohne Papiere zum Betteln und „illegalem“ Arbeiten nach Deutschland. Junge Ashkali-Frauen werden oft Deutschland verheiratet. Die Berufsschule und das Bildungsprojekt für Ashkali würde diesem Exodus entgegenwirken.
Wiederaufbau und Bildung für gemeinnützige Stiftungen nicht förderungswürdig?
Der Trägerverein ALG besteht hauptsächlich aus gemeinnützigen Organisationen, Vereinen und Stiftungen in Deutschland. Deren Mehrheit ist offenbar nicht daran interessiert, dass junge Kosovaren im Kosovo gut ausgebildet werden, dort bleiben und das Land wiederaufbauen. Ob ihnen Bildung und Integration für die Minderheit der Ashkali wichtig genug sind, ist nicht gewiss. Gemeinnützigkeit ist nicht etwas, das an nationalen Grenzen endet. Man sollte denken, dass es gemeinnützigen Organisationen und Stiftungen gut anstünde, Bildung, Integration und Wiederaufbau in einem krisengebeutelten Land zu fördern.
Nach der Entpflichtung des Direktors Axel Bödefeld traten die Jesuiten-Provinziäle in Deutschland, Österreich und Kroatien aus dem Trägerverein aus.
Matthias Alexander Schmidt
explizit.net
Hinweis: Artikel bearbeitet (ergänzt um Mitteilung vom neuen Vorstands-Vorsitzenden/Direktor), am 15.04.2019, 16:38 Uhr.
Zum Weiterlesen und Nachhören einiger Hintergründe:
Reportage und Feature von Matthias Alexander Schmidt zum Ashkali-Projekt "Loyola-Tranzit":
Deutschlandfunk:
journalist-theologe.de/2017/11/07/deutschlandfunk-loyola-tranzit/
Hessischer Rundfunk:
journalist-theologe.de/2018/01/07/eine-schule-der-freundschaft-vom-zusammenleben-mit-roma-im-kosovo/
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