(explizit.net) Sind Computer- bzw. Konsolenspiele nur sinnloses Geballer und Zeitverschwendung? Das trifft auf viele Spiele zu. Jedoch in einigen kommt zwar Gewalt vor, diese aber ist Teil eines existenziellen Dramas, das uns zeigen soll, was Menschen sind.
In guten Spielen verbindet sich Philosophie mit Geschichte und zeigt uns, wie sehr der Mensch eingebunden ist in Zeit und Umgebung. In Europa hat das Christentum das Abendland in Moral und Kultur stark geprägt. Doch wie ist es, wenn sich die Gesellschaft durch Katastrophen oder ähnliche Entwicklungen radikal ändert? Wenn die Menschen gezwungen sind, ihre gewohnten Lebensrhythmen aufzugeben? Kann man sich eine Welt vorstellen, in der Nietzsches Postulat vom Gottestot gleichsam zur Prophetie wird, in der nicht nur im Denken, sondern im Erleben und Handeln das Ausbleiben einer letzten Güte erfahrbar wird? Spekulativ kann dies in Fiktion als science-fiction dargestellt werden. Dazu soll vor allem ein Beispiel dienen, das auf dem Game Markt riesige Resonanz hat und zu Millionen verkauft wird: Das Play Station 3 Spiel: „The Last of Us“.
Die Welt von „The Last of Us“
Das Spiel stellt eine Welt dar, die zwar Fiktion, jedoch an die Wirklichkeit angelehnt ist, und, unter gewissen Bedingungen, wirklich werden kann. Dieses Spiel ist allein deshalb schon beachtenswert, weil es sehr viele Preise als bestes Spiel des Jahres 2013 gewonnen hat. Auf YouTube und anderswo kann man zahlreiche Rezensionen sehen und Einblicke ins Spiel gewinnen. Es gehört dem Genre "survival-horror" an, und damit zu den post-apokalyptischen Spielen, in denen unter katastrophalen Endzeitbedingungen zu handeln ist.
In diesem Spiel mutiert im Jahr 2013 ein Pilz der Cordyceps Gattung, der eigentlich nur Ameisen befallen kann, derartig, dass er nun auch Menschen infiziert. Die Sporen dieses Pilzes nisten sich im Menschen ein und beginnen die Kontrolle über sein Gehirn zu gewinnen. Dies wäre in der wirklichen Welt nur bei Ameisen möglich. Eine Mutation des Pilzes, der auch den Menschen befällt, könnte dennoch möglich werden. Dass Tierkrankheiten auf Menschen übergreifen, Zoonose genannt, hat es immer gegeben. Ein Beispiel ist das HIV-Virus.
Der Spielverlauf
Zwei Charaktere, Joel und Ellie, die beide durch die Seucheihre Familie und Freunde weitgehend verloren haben, sind die Protagonisten des Spiels. Joel verliert beim Ausbruch im Jahr 2013 seine Tochter und seine Heimat. 20 Jahre findet sich Joel in einer durch die Cordyceps Mutation völlig umgestalteten Welt, in der fast alle Menschen tot oder Zombies geworden sind.Ellie und Joel sind gleichsam die letzten, die sich noch untereinander vertrauen. Joel ist in dem Spiel ein MannEnde 40 und Ellie ein junges Mädchen von 14 Jahren, die in Zeiten der Katastrophe geboren wurde und die Welt vor dem Ausbruch nicht kennt. Joels Mission wird im Laufe des Spiels deutlich. Zunächst weiß er nur, dass er dafür sorgen soll, dass Ellie überlebt. Man überlebt in dieser Welt nicht, indem man nett ist, sondern indem man tötet, um nicht getötet zu werden. Es gibt keine Hoffnung in diesem Spiel. Es gibt kein Heilmittel, keine Besserung, entweder sind die Menschen infiziert oder meist zu Mördern geworden. Es gibt fast nur noch Banditen oder Soldaten. Das Militär versucht mit Waffen Kontrolle zu behalten. Eine Rebellenorganisation will gegen das Militär selbst die Kontrolle gewinnen. Überleben ist die einzige Maxime, die es gibt. Es gilt immer zu überlegen, welche Menschen einem wichtig sind, welche sozialen Beziehungen es wert sind, dass man sie schützt und welche Menschen man dafür töten muss. Wo ist da Platz für einen guten Gott? Welche Qualität besitzt dort der Satz in der Bergpredigt „liebe deine Feinde?“, wenn sich die Welt im permanenten Kriegszustand befindet? Wird die Forderung Jesu nicht zu blankem Hohn?
Nicht umsonst heißt ein Satz in dem Film: „you either hang onto your morals and die, or do whatever it takes to survive“ – entweder hängst du an deiner Moral und stirbst, oder du tust was immer möglich ist, um zu überleben.
Gibt es Erlösung?
Dennoch begegnet auch die Frage nach endzeitlicher Erlösung, nach dem Himmelreich. In „The Last of Us“ fragt Sam, ein Jugendlicher, Ellie, ob sie daran glaube, dass es trotz all dieser Seuche und dem Verlust von Freunden und Familie einen Himmel gebe, in dem man seine verstorbenen Angehörigen und Freunde wiedersehe. Sie antwortet: „I would like to believe it“ (Ich würde es gern glauben) und fährt dann fort, als er nachfragt, ob sie es denn glaube: „I guess not“ (Ich denke nicht). Am nächsten Morgen stellt sich heraus, dass Sam von infizierten Menschen gebissen bzw. angesteckt wurde, er beginnt nun selbst in einen Zombie zu mutieren, und wird deshalb von seinem älteren Bruder erschossen. Sams älterer Bruder konnte nicht ertragen, dass Sam zu einem Monster wurde und jede Menschlichkeit verliert, ebenso kann er jedoch nicht ertragen, seinen Bruder erschossen zu haben. Im Affekt hält er dann die Pistole gegen seine Schläfe und drückt ab. Ellie überlebt Sams Angriff unverletzt, hat erneutvertraute Menschen verloren und kämpft den hoffnungslosen Überlebenskampf weiter. Vertrauen und Hoffnung werden so zu einem bitteren Zynismus. Oft töten sich Infizierte selber, um nicht zu einem von einem Pilz kontrollierten Monster zu werden. Es ist aber immer gefährlich, mit jemandem ein Leben zu teilen, sein eigenes Leben jemandem anzuvertrauen, denn der Andere ist auch ein potenzielles Überlebensrisiko. Bill, ein Charakter in dem Spiel, resümiert daher treffend: „Once upon a time, I had somebody that I cared about and in this world that sort of shit is good for one thing: getting you killed.“ (Einst hatte ich jemanden, der mir wichtig war und in dieser Welt ist diese Art von Scheiße nur für eines gut: um getötet zu werden.“
Im Aussichtslosen bleiben die menschlichen Empfindungen
Das Bemerkenswerte in dieser Welt voller Enttäuschungen, Verluste, Kämpfe und sinnlos Durchhalten ist allerdings, dass dennoch alle menschlichen Empfindungen und Tugenden vorkommen. Neben Hass, Verzweiflung, Bitterkeit und dem Töten, um zu überleben, gibt es auch Trauer, Angst, Mut, Freundschaft, Opferbereitschaft und Liebe. Die schlechtesten und besten Eigenschaften des Menschen kommen zum Vorschein. Es scheint trotz der erlebten Hoffnungslosigkeit immer einmal ein Funke Zuversicht auf. Ellie wird zur Hoffnungsträgerin, da sie trotz Infektion mit dem Cordyceps durch Biss eines Infizierten nicht zu einem Zombie wird. So will Joel sie in ein Krankenhaus bringen, in dem ihre Resistenz untersucht und zum Wohle der Menschen genutzt werden kann. Dazu reisen sie von Boston, an der amerikanischen Ostküste, nach Salt Lake City, tief im Westen der USA.
Die Vorstellung einer heilen Welt wird nicht ausgelöscht
Die Welt ist wunderschön und grausam. Wenn es möglich ist, versucht man in allem Elend die Momente der Schönheit, einen Sonnenaufgang oder eine grandiose Aussicht, zu bestaunen. Es gibt Liebesbeziehungen, Kinder werden geboren, aber zugleich werden Menschen infiziert und erschossen. Das kann überall und immer passieren. Die Sporen des Cordyceps-Pilzes kennen keine Grenzen, kein Alter, keine Gnade, sie kommen und verseuchen - wo sie wollen, wen sie wollen. Auch wenn diese Welt nicht real ist, so wirft sie als die fiktive Darstellung einer Endzeit die Frage auf: Wie verhalten sich Menschen angesichts einer Katastrophe, die eine endlose Niederlage zu sein scheint, in der es keine Hoffnung gibt? Anders als die Pestseuchen des Mittelalters und der frühen Neuzeit verschwindet diese Cordyceps-Seuche nämlich nicht, sie schläft auch nicht oder versteckt sich in den Fugen der Pflastersteine, sondern hat die ganze Welt befallen, bereit, alle Menschen zu infizieren. Dieser Pilz hat kein Bewusstsein, kein Mitgefühl, keine Vernunft oder Intelligenz, aber die Macht, alles menschliche Leben zu zerstören. Ist so etwas noch die „bestmögliche aller Welten“, wie Leibniz die Frau nach dem Leid angesichts eines geglaubten guten Gottes rechtfertigt? Sicher, in dieser Welt ist moralisches Handeln nach unserem Verständnis möglich, nur führt es meist in den Tod. Mit Freundlichkeit ohne Gegenwehr kann man sogar noch leichter getötet werden. Die moralisch Besten überleben nicht, die Welt fragt nicht nach Nächstenliebe, sondern nach größerer Waffengewalt. Eine letzte Antwort und Lösung der Frage, ob die Realisierung einer solchen Welt wie in „the Last of Us“ gleichsam ein Atheismus-Beweis darstellen würde, kann es nicht geben. Die Natur mag herzlos sein, doch die Menschen haben ihr Herz dennoch oftmals behalten. Sie töten und morden, um zu überleben, aber was ihnen wichtig ist, ist dennoch im Herzen eingebunden.
Das Überleben bleibt der tiefste Wunsch
Letztlich ist die Frage nicht zu beantworten, ob ein letzter Sinn hinter allem steckt, ob die Welt getragen wird, auch in einer Wirklichkeit wie in „The Last of Us“, in der Menschlichkeit oft ein Überlebenshindernis ist. Aber die Frage bleibt wach, sie bleibt erhalten. Denn im Herzen wohnt der Hunger nach Sinn und Seligkeit, auch in aller Hoffnungslosigkeit. In „The Last of Us“ scheint auch das wieder in Zynismus zu enden. Joel rettet Ellie das Leben, und belügt sie, indem er bewusst falsche Angaben macht. Als Ellie operiert werden soll, begreift Joel, dass dies ihren Tod bedeuten wird, da sie an Ellies Gehirn müssen, um die Resistenz zu untersuchen und eventuell eine Medizin herzustellen. Joel kann es nicht ertragen, nach seiner Tochter wieder einen Menschen zu verlieren, der ihm so viel bedeutet, für den er gleichsam wieder zum Vater wurde. Er entführt Ellie aus dem OP-Saal, und erzählt ihr, dass ihre Resistenz keine Bedeutung habe, sie eine von Vielen sei. Die Lüge hilft zu leben. Ellie klammert sich daran, dass die Menschen, die sie operieren sollten, die zu einer Organisation, genannt Fireflies, gehören, gut sind. Ellie lässt Joel schwören, dass alles, was er über die Fireflies sagte - dass sie der Menschheit helfen würden, sie eventuell ein Gegenmittel haben usw. - wahr sei. Er schwört ihr diese Lüge. Denn Joel hat fast alle Angehörigen der Fireflies getötet, um Ellie zu retten. Ellie erhält falsche Hoffnung, die aber dem Überleben dient. Hoffnung ist dem Überleben förderlich. Dennoch macht er in seinem letzten Statement vor dem Schwur deutlich, dass die Logik der Gewalt nicht die alleinige Überlebensbefähigung ist. Dieser Satz ist keine Lüge: „I struggled for a long time with surviving. No matter what, you keep finding something to fight for.“(I kämpfte lange damit zu überleben. Egal was passiert, Du findest etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt).
<emphasize>Josef Jung</emphasize>
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