(explizit.net) Fast tausend Raketen regneten aus Ghaza auf Israel nieder, nun auch gegen die entfernten Städte wie Tel Aviv und Jerusalem, wo zwei Drittel der Einwohner leben. Dass es dort keine Toten gab, bewirkten Systeme der Antiraketen und Bunker, indes bis Sonntag, den sechsten Kriegstag, über 160 tote Palästinenser zu beklagen waren. Der dritte Krieg mit Raketen – seit dem Hamascoup in Ghaza 2007 – begann ab 7. Juli. Einen Monat zuvor, am 12. Juni, kidnappten Jihadis in der Westbank drei israelische Teenager, Eyal Yifrach, Naftali Fraenkel und Gilad Shaar, die erst am 30. Juni tot bei Hebron gefunden wurden.
Auf der Suche nach ihnen verhafteten Israelis ab 16. Juni 400 Hamasanhänger. Es folgten ab 3. Juli Luftschläge gegen Hamasziele Ghazas. Plötzlich kam hinzu, daß sechs Israelis „aus Rache“ einen Jerusalemer Teenager entführt und ermordet haben. Der verbrannte Muhammed Husain Abu Khudair aus Jerusalem wurde am 2. Juli entdeckt. Noch unterm Raketenhagel kondolierten nicht wenige Israelis dessen Eltern Suha und Muhammad Abu Khudair. Dennoch, die alte Feuerpause vom 21. November 2012 nach jenem achttägigen Raketenkrieg war so vorbei. Heute läuft die Eskalation der Gewalt vor unseren Augen ab.
Rückblick
Der erste Waffengang von Dezember bis Januar 2009 wärte 22 Tage. Er kostete 13 Israelis und 1.116 Palästinensern das Leben. Waffengang zwei, 2012, dauerte acht Tage und zog sechs Tote Israelis und 167 tote Palästinenser nach sich. Raketen starteten gegen Raketen. Endlich, am Mittwoch, den 21. November 2012, zog die Waffenruhe ein. Noch an jenem Tage stand Israels Armee vor Ghazas Toren und wäre sehr rasch in den dicht besiedelten Streifen am Mittelmeer eimarschiert, wo etwa 1,8 Millionen Menschen leben.
Nunmehr, am frühen Morgen des gestrigen Sonntags, den 13. Juli, stiessen Truppen nach Nordghaza vor, das 100.000 Einwohner hat. Am selben Sonntag sagte Premier Benjamin Netanjahu im amerikanischen CBS-Fernsehen - als während seines Interviews gerade die Sirenen das Klarsignal heulten - seine Priorität sei, der Hamas die Fähigkeit zu nehmen, noch mehr Raketen nach Israel abzufeuern und die dortige Bevölkerung zu bedrohen. Im Fox-TV betonte er noch, einem sehr brutalen terroristischen Gegner gegenüber zu stehen.
Seit damals hat sich wenig geändert. Wie auch, wenn einst Hamas die Waffenruhe Ende 2012 als ihren Sieg feierte. Nicht wenige befiel das irrige Gefühl, dem sonst überlegenen Gegner etwas „antun“ zu können. Sie zögerten nicht, gar das vielen so heilige Jerusalem anzugreifen. Das Antiraketensystem machte dreiviertel der 1.400 eingehenden Geschosse unschädlich. Jihadis von Hamas und al-Jihad al-Islami träumten schon von der nächsten Runde, in der Raketen durch mächtigere Ladungen treffgenauer und vernichtender wären.
Diese Situation ist da. Die Zahl der seither in Ghaza wiederum eingeführten Raketen wird auf 10.000 geschätzt. Diesmal sind in Syrien produzierte Raketen des Typs M-302 mit der Reichweite von 150 Kilometern dabei. Sie weisen über Kernisrael hinaus, abgesehen von iranischen Fajr-5 mit 75 Kilometern bis Tel Aviv oder Jerusalem, und den in Ghaza hergestellten Qassam mit 20 Kilometern, die auch Sderot und Beer Scheva erfassen. So sieht sich Israel veranlasst, die Abschussrampen zu beseitigen und damit zunächst einmal von Nordghaza her zu starten. Doch die Hamas operiert aus besiedelten Gebieten heraus.
Asymmetrien
Die damaligen Siegesfeiern der Hamas führten gewiss auch nicht dazu, das Denken in Ghaza in friedlichere Bahnen zu lenken. Viel wichtiger wäre es, Menschen Arbeit für ihr „mittelöstliches Singapur“ zu schaffen. Statt dessen ging es in alten Bahnen der Ideologie weiter, wo in der Erziehung der „jüdische Feind“ von den Kindergärten aufwärts an die Wand genmalt wird. Wer Siege feiert, wenn er verloren hat, denkt auch nicht an Umkehr.
Mehr noch. Als die einjährige Friedenssuche durch die Obama-Administration verfehlte, alliierte sich Palästinenserchef Mahmud Abbas trotzig mit der Hamas. Die schreibt weiter Israels Vernichtung auf ihre Fahnen. Jüngst erklärte ihr Führer Mahmud az-Zahhar stolz, durch Raketen jeden Ort im „besetzten Palästina“ treffen zu können. Zugleich erinnerte die Hamas ihren Alliierten Abbas, dass die Einheit ihren Preis habe: „Kein Zaudern mehr im Widerstand, der Wahrheitsmoment ist gekommen.“ Hamassprecher Sami Abu Zahri sprach von viel Blut und davon, dass Hamas nun keinerlei Waffenruhe mit Israel erwäge.
Aber warum schiesst die Hamas ihre Raketen nach Israel, wenn sie keinen militärischen Sieg erringen kann, aber durch Israels Reaktion nur harte Verluste einbringt? Auch 2012 setzte sie auf „politische Siege“. Israel vermied es, in die Medienfalle zu gehen: was auch geschah, wurde durch die Bilderlupe unendlich vergrößert und vorgeführt. Angesichts der Asymmetrie, Armee gegen Terroristen, die aus urbanen Zentren Raketen gegen Zivilisten abfeuerten, zählten Bilder zur Taktik: Israel vermied die Zivilopfer, die Hamas strebte sie an. Je mehr Opfer zu beklagen waren, desto stärker wurde Israel angeprangert. Wer mag sich diesen schlimmen Bildern des menschlichen Leids ohne Verzweifelungen entziehen?
Damals zeigte sich Hamaschef Khalid Mashal in Qatar unfähig, der Presse das Warum des Waffengangs zu erklären. Der Krieg begann, als in vier Tagen bis zum 14. November 2012 Südisrael 121 Raketen getroffen hatten. Die Antwort kam am selben Mittwoch aus Israel, das den Raketenchef Ahmad al-Jaabari tötete. Präsident Barack H. Obama als auch Kanzlerin Angela Merkel stellten sich dahinter. Nun, am 11. Juli, erklärte sie Netanjahu, Raketen auf Israel aufs Schärfste zu verurteilen. Diese Lage könne nur entschärft werden, wenn Angriffe aus Ghaza sofort aufhörten. Israels Recht sei es, sich dagegen zu wehren.
Hamas entführte in einer explosiven Lage Teenager, eine reine Provokation. Am 9. Juli schob Mashal Israel alle Schuld zu. Er wies die Angebote der Vermittlung ab. Ein Bericht der Vereinten Nationen erhellt große Zusammenhänge. Israel brachte im Roten Meer das Schiff Klos C im Frühjahr auf. Es barg auch 40 M-302 Raketen. Laut Report und Kapitän gingen diese am 4. Februar 2014 aus Irans Hafen Bandar Abbas ab und waren wohl für Ghaza bestimmt, was die UN-Resolution 1747 von 2007 über Waffentransfers verletze.
Seit Monaten wird es klarer, dass Verhandlungen der 5+1-Gruppe gegen Teherans Griff nach Nukes verfehlen. Lag führenden Mullahs, von denen die Hamas abhängt, am neuen Waffengang Hamas gegen Israel? Nach jüngsten Gesprächen sagte Aussenminister John Kerry am Sonntag in Wien, man halte den Termin 20. Juli nicht. Die Atomverhandlungen der sechs Mächte mit Iran würden ausgedehnt. Sein Londoner Kollege William Hague sprach von großen Differenzen, so auch Laurent Fabius in Paris. Brennt es also in und um Israel, gewinnt gerade das Teheraner Regime mehr Raum und Zeit für die eigenen Pläne.
<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>
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