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Genfer Atompakt mit Iran

(explizit.net) Amerika samt engen Alliierten und Freunden ging Schritt eins für eine Gesamtregelung des Nuklearprogramms der Islamischen Republik Iran. Samstagabend erklärte Präsident Obama im Weißen Haus noch, die Sanktionen und die Wahl des neuen Präsidenten Ruhani hätten dafür den Weg eröffnet. Bilateral und als Staatengruppe P5+1 habe die Diplomatie heute die Welt sicherer gemacht: Bald könne man überprüfen, ob Irans Atomprogramm friedlich sei und dass es keine Nuklearwaffe bauen kann. Indes bestreitet Israels Premier Benjamin Netanjahu all dies. Im Gegenteil, der Genfer Pakt wäre ein historischer Fehler.

(explizit.net) Amerika samt engen Alliierten und Freunden ging Schritt eins für eine Gesamtregelung des Nuklearprogramms der Islamischen Republik Iran. Samstagabend erklärte Präsident Obama im Weißen Haus noch, die Sanktionen und die Wahl des neuen Präsidenten Ruhani hätten dafür den Weg eröffnet. Bilateral und als Staatengruppe P5+1 habe die Diplomatie heute die Welt sicherer gemacht: Bald könne man überprüfen, ob Irans Atomprogramm friedlich sei und dass es keine Nuklearwaffe bauen kann. Indes bestreitet Israels Premier Benjamin Netanjahu all dies. Im Gegenteil, der Genfer Pakt wäre ein historischer Fehler.

Konträrer dürften die Positionen zwischen beiden Seiten in dieser Überlebensfrage kaum sein, die als „strategische Partner“ gelten. Risiken sind gewaltig. Ist es ein Schritt in Irans militärische Denuklearisierung oder die Weiche in den Abgrund eines Globalkriegs? Das Problem: Wir wissen wenig über Nebenabreden und iranische Tricks. Teherans Regenten führten alle Welt eine Dekade in die Irre. Zudem hegt das Weiße Haus jüngst in Mittelost einen fragwürdigen Kurs. Barack H. Obama erntete Misserfolge: traditionelle Partner und der Allierte Israel sind oftmals düpiert, Islamisten als deren Gegner gefördert worden. So gesehen, gingen auch schwache Führer diesen Übergangspakt ein. Bilden sie Widerparte?

Interimspakt

Der Atompakt bedeutet mit halbjähriger Gültigkeit etwa: Iran muss alle Anreicherungen von Uranium über fünf Prozent stoppen. Dafür erkennen die Mächte Teherans Recht an, A-Energie friedlich zu benutzen. Uranbestände mit 20 Prozent Reinheit (fast waffenfähig, was 90 Prozent bedürfte), werden um- oder abgebaut. Es darf keine Erhöhung des Grades in den Beständen geben. Zentrifugen, die über fünf Prozent anreichern, werden gestoppt, alte nicht ersetzt, neue nicht angeschafft; und keine neuen Anreicherungsstätten gebildet.

Täglich werden die Stätten Natans und Fordow inspiziert, nicht mehr nur wöchentlich. Neuen Zugang gibt es zur Kontrolle von: Zentrifugen, Uraniumabbau und -produktion und Designinformationen über den Plutoniumreaktor in Arak. Iran bejaht die verlangten UN-Kontrollen zu Reaktorplänen und Stätten des Zusatzprotokolls der UN-Behörde. In der Zeit des Interimspakts wird der Arakreaktor nicht aus-, jedoch auch nicht abgebaut. Falls Iran doch rasch Uran anreichere, brauche es Wochen bis Monate länger durch den Pakt: weniger hochangreicherten Stoff und Zentrifugen, aber mehr Inspektoren vor Ort, die das entdecken würden. Mithin würde sich die so genannte Ausbruchzeit verdoppeln.

Für die Übergangszeit, in der Verhandlungen zum Dauerpakt führen, werden Sanktionen für sechs bis sieben Milliarden Dollar gelüftet: eigene eingefrorene Gelder für humanitäre Zwecke, Gold und Edelmetalle, petrochemische Produkte, Flieger, Autos, Flugsicherheit und Medizintechnik. Involvierte würden überwacht. Alle Boykottabschwächung sei allein zeitweilig und umkehrbar. Hauptsanktionen bei Banken und Erdöl bleiben in Kraft. Alles kann umgekehrt, neue Sanktionen auferlegt werden, sofern Teheran diesen Pakt verletzt.

Präsident Obama sagte, erstmals in einer Dekade sei Irans A-Pogramm gestoppt worden. Hauptelemente würden zurückgerollt. Iran erhalte Erleichterungen, indes es noch strenge Sanktionen treffen. Er sehe für das Halbjahr von neuen Boykotten ab. Netanjahu meinte, Israel sei durch den Pakt nicht gebunden und erlaube Iran keine Potenz für Militäratom.

Widersprüche

Obama erklärte, durch den Pakt seien Irans am meisten wahrscheinliche Wege zu einer A-Bombe verbaut. Was ist mit unvermuteten Wegen, wie hoch ist das Risiko, etwa aus Nordkorea oder Pakistan angereichertes Uran zu erhalten oder schon zu haben? Wieso verspricht er, in diesem Halbjahr keine Sanktionen mehr, im Gegensatz zum Pakttext und einer massiven Opposition im Kongress? Warum verlangte Amerika nicht eine iranische Liste aller nuklearen Stätten und Pläne, die erst durch Beteiligte überprüft würde? Hat Iran noch andere Mengen erzeugt oder verkauft es sich nur noch teurer vor Toresschluss?

Die am Pakt Beteiligten haben eben eine enorme Verantwortung übernommen. Was aber, wenn alles schief läuft? Treten sie bis zur letzten militärischen Konsequenz ein, die 5+1: London, Washington, Paris, Berlin, Moskau, Bejing und die Europäische Union? Wohl kaum. Für Eventualitäten wurde keine formelle Allianz bekannt. Die Nato blieb außen vor. Käme es darauf an, entfielen China und Russland. Londons Parlament sagte Obama zu Syrien ab. Unter Europäern bliebe Paris. Alle sind wegen des Lauschangriffs besorgt.

Eurowolke

Kanzlerin Angela Merkel verwehrte es Mittwoch, syrische Chemiewaffen daheim zu vernichten, obwohl es dazu Fähigkeiten gebe. Sie betonte, dass Berlin schon mehrfach finanzielle, logistische und technische Hilfe bei der Zerstörung der C-Waffen angeboten habe. Montag forderte sie erneut, gegen Amerika erhobene Anwürfe von Spionage aufzuklären. Das transatlantische Verhältnis würde auf eine Probe gestellt, sagte sie im Bundestag. Merkel ergänzte, ein Bündnis könne nur auf Vertrauen beruhen. Deutschland und Amerika teilten Interessen, Werte und Erfahrungen. „Wir stehen gemeinsam für freiheitliche, offene und demokratisch verfasste Gesellschaften.“ Das transatlantische Verhältnis sei für beide Partner ein wesentlicher Garant für Freiheit und Sicherheit. Abermals unterstrich Angela Merkel, „Ausspähen unter Freunden, dies gehe gar nicht.“

Laut Innenminister Hans-Peter Friedrich lasse Amerikas Informationspolitik seit jener Nachricht über das Ausspähen zu wünschen übrig. Dieses Schweigen führe dazu, dass es Verschwörungstheorien gebe. Die Spionageabwehr sei gestärkt worden. Eine Eurocloud oder Eurowolke möge sicheren Raum für Daten gewähren. All das gärt weiter, nachdem Chefs von Nachrichtendienst und Verfassungsschutz am 6. November die Parlamentarier über ihre Reise nach Amerika informierten. Noch läuft Merkels Initiative mit Brasilien vom 1. November für die UN-Resolution zum effektiven Schutz der Privatsphäre. Käme es mit Iran darauf an, stünde Obama wohl allein da. Der Beistand von Europa würde sich in Grenzen halten. Misstrauen geht um. Der Dirigent im Weißen Haus gilt als zu vage.

Horizonte

Alle mögen das Beste hoffen, jedoch sich auf den nuklearen Vorfall einstellen. Europäer beschwören ihre Grundwerte mit Amerika. Für sie ist nichts mehr gegeben. Mit Teheran jubeln al-Asads Leute und Islamisten von Syrien bis Libanon: endlich ein Keil zwischen Amerika und Israel. Änderte sich ihre extremistische Art, das Wesen des Regimes in Teheran, dessen Staatsexport islamistischer Revolten? Ruhani feiert neue Horizonte des Pakts und untergräbt Israel. Obama gibt ihm Legitimität. Was galt dessen Rote Linie? Da riskiert er Zwiste mit einer Demokratie in Mittelost, die alles am meisten ausbaden muss.

<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>



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