(explizit.net)Bald schließen die Pforten der Konsumtempel. Die Deutschen ergaben sich dem Kaufrausch, die Händler sind von den Umsätzen betrunken und auch politisch taumeln CDU/CSU und SPD vor Glück, die Koalition steht wie ein Mann, hinter dem eine starke Frau die Fäden zieht. Alle sind zufrieden, selbst die FDP sonnt sich in der Sonne der Bedeutung, der totgesagte Hans-Dietrich Genscher brachte sein Schwergewicht gegen Putin ein und Chodorkowski ist frei. Sogar die Deutsche Bahn frohlockt, denn endlich hat Siemens neue ICE-Züge ausgeliefert. Was lange währt, fährt endlich ab. Und bei all diesem Fröhlichsein und aller Jubelei wäre es fast zu spät geworden, die Stille der nächsten Tage vorzubereiten, so steigt wie jedes Jahr die Zahl der Herzinfarkte, die Suizidrate hat ihre Spitze und aus den besinnlichen Tagen entsteht in so mancher Familie eine heftige Streiterei.

Fast wäre es zu spät gewesen, sich daran zu erinnern, was Intimität bedeutet. Stattdessen streiten sich die Unbefriedigten über Prostitution, redtube-Abmahnungen und Alice Schwarzer weiß von nichts, mischt sich aber voll ein. Prostituierte nennen sich Sexarbeiterinnen, die im Weinberg des Herrn ihre Dienste anbieten. Den Freiern ist die Lust billig, die Zärtlichkeit zu teuer. Welch ein Frieden muss in den heimischen Wohnungen herrschen, dass einige lieber rot sehen als bei ihren Lieben zu bleiben? Das Fest der Liebe ist intim, so intim wie es in keinem Etablissement sein kann.

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Zu spätes Wort

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Zu spät erkennen auch die deutschen Papas und Mamas, dass Kinder Nähe brauchen und man mit Kindern reden kann. Da hilft es manchmal schon, nicht auf sein Smartphone zu schauen und noch ein Foto von dem lieben Kleinen auf Facebook zu posten, sondern in aller Abgeschiedenheit ein Buch zu nehmen, das Kind in den Arm und lesen, eine Geschichte vorlesen. So etwas schult das Sprechen. Jedes sechste Kind hingegen hat Sprachprobleme. Warum Sprachtherapie für Kinder, wenn Lesenlernen für die Eltern das Übel an der Wurzel packt? Wer zu spät mit dem Vorlesen beginnt, den bestraft das Leben mit sprachlosen Kindern.

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Verdammt noch nicht lang‘ her

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Reichlich zu spät kam in Hessen die Erkenntnis, dass das 21. Jahrhundert schon länger angebrochen ist. In der hessischen Verfassung ist jedoch wie in guten alten Zeiten die Todesstrafe festgeschrieben. Zwar kann aufgrund Bundesrecht auch in Hessen die Todesstrafe nicht vollstreckt werden, doch welch eine Gesinnung steckt da noch im Detail? Und man vergesse nicht, erst am 18. Februar 1949 wurde die letzte von einem westdeutschen Gericht angeordnete Hinrichtung vollzogen und zwar nach alter Väter Sitte mit dem Fallbeil. Damit nicht genug, auf deutschem Boden wurde bis 1981 hingerichtet. Das war allerdings in Dunkeldeutschland, in Leipzig löschte man Werner Teske durch einen Schuss das Licht aus. Im Westen erledigten die Amerikaner das Geschäft. Im Kriegsverbrechergefängnis in Landsberg knöpfte man sich zwischen 1945 und 1951 im Dienst der amerikanischen Besatzungsbehörde 285 Verbrecher nicht nur vor, sondern auch auf.

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Später als der Tod.

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Was tot ist, kann nicht noch mehr tot sein. Anders ist dies beim Toten Meer. Wenn Industrie und Landwirtschaft den Jordan weiter so anzapfen, dann geht das Tote Meer über den Jordan. Jetzt wird überlegt, vom Roten Meer zum Toten Meer eine Pipeline zu verlegen, damit der Grundwasserspiegel nicht noch mehr absackt. Erstarrte Lots Frau dort einst zur Salzsäure, weil sie sich umschaute, so kommen den Nachkommen Lots heute dicke Salztränen, weil sie sich nicht umschauten und zu spät bemerkten, dass auch ein totes Meer Wasserzufuhr braucht und nicht nur 5 Prozent wie heute.

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Zu später Stunde

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Später kann früher sein als spät. Wer zu später Stunde sich in Muße fallen lässt, mit einer Spätlese den Gaumen verwöhnt und nicht an die Frühe denkt, wer erst später nachdenkt, ob er zu reichlich genossen hat, wer mal nicht daran denkt, ob es zu früh zu spät ist, wer sich einfach mal später an das Später erinnert, wer viel zu spät bemerkt, dass er nach Mitternacht immer noch mit seinen Kindern spielt, wer das, was er schon immer Liebes sagen wollte, nicht auf später verschiebt und überhaupt, wer es spät werden lässt, der kann sich sagen, es war noch nicht zu spät.

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<emphasize>Thomas Holtbernd</emphasize>