(explizit.net)Günter Jauch hört auf, der Gasometer bleibt leer, es gibt keinen Talk mehr mit dem ewigen Schwiegersohn, der mit seiner Ratesendung dem deutschen Spießbürger seine beamtenmäßig geordnete Spielesendung gab. Wer oder ob es überhaupt einen Nachfolger geben wird, das ist noch völlig offen. Der Jauch diskutiert jedenfalls nicht mehr mit und dem aufgeklärten Zeitgenossen bleibt ein Ärgernis am Sonntagabend erspart.
Günter Jauch hat sein Gesicht zum Markenzeichen gemacht, das passt sehr gut zum Format „Wer wird Millionär?“. Spitzbübige Fragen, ein süffisantes Lächeln und die Großzügigkeit eines Jungen, der doch nur spielen will. Bei ernsthaften Talkrunden – wobei die Frage erlaubt sein mag: Gibt es das im Deutschen Fernsehen überhaupt? – wirkt so ein nicht altgewordener Spieljunge ein wenig deplatziert. Und trotz allem hatte Günter Jauch trotz aller Kritik eine hohe Integrität. Skandale kennt man nicht von ihm, er blieb stets um Ausgeglichenheit bemüht und vergriff sich nicht im Ton.
Talk over Talk
Vielleicht ist es auch gar nicht so sehr den Protagonisten der diversen Talkshows anzulasten, dass Talk über Diskussion gestellt wurde und wird. Die Sendungen mit Talk-Format sind oft nicht mehr als ein Selbstdarstellungscontest für die, die es zu einer Einladung geschafft haben. An wirklicher Diskussion scheint kaum jemand ein Interesse zu haben. Es werden Gefühle bedient. Und wer als informiert gelten will, liest gleich kurz nach der Sendung die einschlägigen Online-Journale.
Tempus fugit
Die Zeiten ändern sich und wie bei anderen Formaten auch gibt es kaum Persönlichkeiten, die bewährte Formate weiterführen könnten. Die Gottschalk-Ära ist vorbei und Jauch auch. Über die vielen Jahre haben sich die Vordersten im deutschen Fernsehbusiness kaum verändert, sie standen noch für bleibende Werte. Diese Zeit hat sich verflüchtigt. Inzwischen kann sich jeder zum Moderator machen, ein Filmchen auf Youtube stellen und wenn er Glück hat, bekommt er viele Likes und Klicks, darf sich dann – wie es Andy Warhol prophezeite – für einen Augenblick als Star fühlen. Qualität wurde von subjektiver und narzisstischer Wichtigkeit abgelöst. Doch wenn die Ernüchterung kommt, die Selbstdarstellungen nur noch ein Gähnen auslösen, dann wird der Ruf nach überzeugenden Persönlichkeiten laut werden.
Mit Jauch in die Berge
Günter Jauch dagegen hat noch einen Joker, er hatte frühzeitig vorgesorgt und den Familienbetrieb an der Saar übernommen. Er geht in die Berge, in seine Weinberge, lädt sich ein paar illustre Gäste ein, lässt sich von seinem Kellermeister einen guten Tropfen, vielleicht einen Herrenberg trocken, reichen und denkt sich `was. Othegraven sei Dank, kann sich der kleine Günter endlich einen hinter die Binde kippen, sich einfach mal gehen lassen und das Schwiegersohngesicht ablegen. Es sei ihm gegönnt: Prost.
<emphasize>Thomas Holtbernd</emphasize>
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