KOMMWIRT / Christian Schnaubelt

Feuerprobe für den Synodalen Weg

Die Erwartungen im Vorfeld waren groß: Bei der 3. Synodalversammlung in Frankfurt am Main sollten endlich ernsthafte Schritte gegangen werden, um Struktur und Lehre der katholischen Kirche zu ändern. Die Vorstellung des Missbrauchsgutachtens im Erzbistum München-Freising und die anschließende Debatte über Kirchenaustritte hatten den Druck noch weiter erhöht. Ein Kommentar zu den ersten Beschlüssen zum „Synodaler Weg“, die eine „Feuerprobe“ darstellen.

Am ersten Tag der 3. Synodalversammlung (vom 3.-5. Februar) wurde es zum ersten Mal ernst. Die Anspannung unter den Mitgliedern, Beratenden, Gästen und der Presse war fast körperlich zu spüren. Denn es ging bei der finalen Abstimmung über den Grundtext „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilhabe und Teilhabe am Sendungsauftrag“ nicht nur um ein Stück Papier. Vielmehr drohte bei einer Ablehnung ein Aussetzen oder gar ein Scheitern des kompletten Reformprozesses „Synodaler Weg“. Mit diesem wollen Laien und Bischöfe, ZdK und DBK, Amtskirche und Verbände gemeinsam mit dem Betroffenenbeirat der Bischofskonferenz auf die MHG Studie zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche eine (strukturelle und lehramtliche) Antwort finden. Wenn man die Gläubigen an der Basis fragt, ist dies lange überfällig und schien gestern zuweilen doch weit entfernt.

Gleich drei Hürden musste die Abstimmung nehmen: Eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Synodalen – eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Bischöfe und eine Zustimmung der „Nicht-Männer“. Alle drei Hürden wurden genommen, wobei besonders das Votum der Bischöfe – 41 Ja, 16 Nein, 2 Enthaltungen – im Vorfeld unter Beobachter*innen nicht klar abschätzbar schien. ZdK-Generalsekretär und Geschäftsführer Marc Frings betonte im Pressegespräch, dass er die 1/3 der Bischöfe, die gegen das Papier gestimmt haben, nicht kritisiere, sondern als Bestandteil eines guten demokratischen Prozesses ansehe. Die Mehrheit der Synodalen hat trotzdem kollektiv erleichtert ausgeatmet, dass die „Sperr-Minorität“ der Bischöfe nicht gezogen und den „Synodalen Weg“ nicht gestoppt hat. Denn das Synodal-Präsidium hatte für diesen „worst case“ einen möglichen Abbruch der Versammlung oder ein Aussetzen des Synodalweges als Option benannt. Auch die Jugendvertreter*innen und hatten zu bedenken gegeben, dass ohne eine grundsätzliche Änderung der Machtstrukturen in der katholischen Kirche der Reformprozess keine Zukunft habe, wie BDKJ-Bundesvorsitzender Gregor Podschun betonte. Gerade die „jungen Synodalen“, die unter 30 Jahre alt sind, machten bei dieser und der vorherigen Synodalversammlung immer wieder verbal Druck, „in die Pötte zu kommen“, wie man im Ruhrgebiet sagt. „Wir brauchen keine weiteren Gutachten, wir können schon jetzt Konsequenzen ziehen und handeln“, sagte Viola Kohlberger, Junge Synodale und Pfadfinderin aus Augsburg.

Auch die Zustimmung zu zwei weiteren Texten macht Mut. Sowohl der grundsätzliche „Orientierungstext“ als auch der Text zur Rolle der Frauen in der Kirche – „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ – belegen ein Umdenken in der Kirche und ihrer Strukturen, z.B. im Hinblick auf das Thema „Diakonat der Frau“. Zugleich wurde aber auch deutlich, dass die Umsetzung der Beschlüsse von dieser und den beiden noch folgenden Synodalversammlungen bis Frühjahr 2023 der große Knackpunkt sein könnten. Denn nur wenn die Bischöfe und Generalvikare die Ergebnisse in konkrete Entscheidungen umsetzen – und zum Beispiel die kirchliche Grundordnung und das kirchliche Arbeitsrecht zu ändern, wie es die Initiative #outinchurch und mehrere Synodale gefordert haben –, wird der „Synodale Weg“ nicht als „Papiertiger“ in den Schreibtischschubladen landen.

Zeit zum Austausch und zur Diskussion gab es genug. Bis zu 200 Änderungsanträge gab es zu einigen Anträgen. Auch einige Bischöfe mahnten immer wieder die Notwendigkeit für Reformen an und mehrere Bistumsleitungen, die sich zuletzt positiv zum Manifest #Outinchurch geäußert hatten, drängen jetzt, zu handeln – gerade auch im Bereich „Macht“. Erst kürzlich hat der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer bekannt gegeben, einen Teil seiner Macht abzugeben. Künftig werde ein fünfköpfiges Gremium, darunter zwei Frauen, die Verwaltung des Bistums Essen leiten. Die Mehrheit der Bischöfe schloss sich dem Impuls zu Reformen an und stimmte zu.

Et hätt noch emmer joot jejange

Der 3. Artikel des Rheinischen Grundgesetzes könnte auch gut die bisherigen Beschlüsse des „Synodalen Weges“ beschreiben. Es ist bisher noch immer gut gegangen. Die Synodalen und besonders die Bischöfe haben sich zu einer Zwei-Drittel-Mehrheit „zusammengerauft“. Gerade noch rechtzeitig möchte man sagen, denn für die katholische Kirche rast gerade mit Höchstgeschwindigkeit auf einen Abgrund zu.

Doch eines sollte dabei im Vordergrund stehen: Es geht nicht um die Rettung des Images der katholischen Kirche oder um kleine kosmetische Korrekturen. Vielmehr wird der Erfolg des Reformprozesses „Synodaler Weg“ von zwei Dingen abhängen: Einerseits, dass das Leid der Betroffenen anerkannt wird und eine echte Aufarbeitung erfolgt – rechtlich, moralisch, theologisch – und vor allem, dass neues Leid verhindert wird. Und andererseits, dass die Beschlüsse aus Frankfurt im Leben der Gläubigen und im Alltag in den katholischen Gemeinden eine Veränderung bringen. „Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach“, sagte eine synodale Teilnehmerin in Frankfurt. Im Anbetracht des „Vetorechts“ aus Rom wohl eine berechtigte Überlegung, aber gleichzeitig sollte dies kein Freibrief dazu sein, nicht nach größeren Reformen einzutreten, wie zum Beispiel der Gleichberechtigung und Gleichstellung von Frauen in der Kirche und kirchlichen Ämtern, die manche Bischöfe und auch manche Laien in ihrer schlussendlichen Radikalität noch wanken lässt. Denn wie heißt es so schön in einem – Bertolt Brecht zugewiesenen – Zitat: „Wer kämpft kann verlieren. Wer nicht kämpft hat schon verloren.“

Vielleicht noch etwas mehr, aber auf jeden Fall nicht weniger fordern die Gläubigen von den Ergebnissen des Reformprozess „Synodaler Weg“. Dafür braucht es Mut. Die Zeit dafür ist jetzt reif!


Ein Kommentar von Christian Schnaubelt
(Chefredakteur explizit.net – Vorsitzender publicatio e.V.)


Kategorie: explizit.net Kirche

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