Andernach: Gemüse im Stadtgraben Foto: explizit.net J.M.

Essbare Stadt – in Andernach zum Anfassen

Menschen wollen nicht mehr nur über Ökologie reden und die bedrohlichen Meldungen zu Klimakollaps und Insektenschwund hören, sondern selbst Hand anlegen. Dafür muss man nicht aufs Land. Andernach und andere Städte zeigen, dass sich ohne Investitionskosten und Personalaufstockung die Distanz zum Lebendigen überwinden lässt. Sie löst sich in Nähe auf.

Die Zeit ist reif. Denn weil Viele ihre berufliche Zeit vor dem Bildschirm, im Auto und damit im Stau, in klimatisierten Räumen und Fabrikhallen verbringen, werden Sie auf Distanz zur natürliche Umwelt gehalten. Deshalb wollen immer mehr Menschen aus der durchtechnisierten Welt herausfinden. Andernach zeigt, wie einfach das ist.

„Essbare Stadt“ ist das Konzept, das funktioniert

Das klingt zuerst befremdlich, aber auch Besucher können sich an den Hochbeeten und im Stadtgraben an Kräutern und Gemüse bedienen. Sie finden bienenfreundliche Blumenwiesen, Hochbeete und Karren, auf denen Kräuter und Gemüse wachsen. Gemüse und Reben im Stadtgraben. Es ist keine Rück-Eroberung, sondern die Rückkehr der Lebensgrundlage, denn die von uns bewohnte Erde ist von Pflanzen überzogen. Beton und Asphalt sind nicht die Grundlage, auf der wir gedeihen. Statt „Blumen bitte nicht pflücken“ können die Bürger sich Kräuter schneiden oder Gemüse holen. Entscheidend ist die Nähe, die diejenigen gewinnen, die sich etwas für den Kochtopf geholt haben. Das hat die Beziehung zum eigen Wohnumfeld vertieft. Nach einem Rundgang und Gesprächen mit den Stadtgärtnern springen zwei Chancen ins Auge:

1.      Für die Kommunalpolitik:
Es ist kein Geld notwendig, um statt Blumen Thymian oder Zucchini zu pflanzen. Die Stadtgärtner können selbst steuern, ob sie den aufwändiger zu versorgenden Salat oder Zucchini und Kürbisse anpflanzen, die nicht so viel Arbeit machen.
Wenn eine Kommune umstellt, wird sie auch weniger Schwierigkeiten haben, den Autoverkehr zu reduzieren und bisherige Stellflächen für Autos mit Kräutern und Beerensträuchern zu bepflanzen.

  1. Die Natur wird nicht eingezäunt. Städte inszenieren Natur als Gartenschau. Das ist dann ein Highlight. Um in die Natur zu kommen, muss man Eintritt zahlen. Es bleibt zwar etwas von den Investitionen, aber die Natur war sozusagen nur zu Besuch. „Essbaren Stadt“ zäunt Natur nicht ein, sondern holt sie in die Nähe. Das kann man sich am Unterschied zwischen Frankfurter und Leipziger Buchmesse verdeutlichen.
  2. Während die Frankfurter Messe hinter den Zäunen des Messegeländes stattfindet, wird in Leipzig die Literatur mit vielen kleinen Veranstaltungen in Cafés, Schulen, Bildungshäuser gebracht. Solche Lesungen gibt es auf der Frankfurter Messe auch in großer Zahl, aber man muss hineinkommen. Es sitzen dann auch entsprechend wenige Leute in den Foren, die zwischen die Messestände geklemmt sind. Die Messe in Frankfurt braucht von Jahr zu Jahr weniger Hallen, in Leipzig sind die Cafés und Bildungseinrichtungen Mitveranstalter.

Die Natur nicht mit sog. „Pflanzenschutzmitteln“ bekämpfen

Weinberge ohne „Pflanzenschutzmittel“, renaturierte Bachläufe, Störche auf gemähten Wiesen wirken anziehender als eine Autobahn oder ein zur Sterilität gedüngtes Weizenfeld. Man kann immer noch mit Ausstellungen wie einer Landesgartenschau Menschen zu einem Naturerlebnis einladen. Aber ist das nicht wie ein Zoobesuch – man kann sich an dem erfreuen, was nicht zur eigenen Lebenswelt gehört. Diese ist von der Technik bestimmt, hat Buschhecken und Feldraine wegrationalisiert und die Ebenen eintönig werden lassen. Die baumlosen Flächen sind der Hitze ausgeliefert, der Wind holt den letzten Rest an Feuchtigkeit aus dem Boden.                                           

Die Stadt muss nicht umgebaut, nur bepflanzt werden

In Andernach sind die Straßen weiter gepflastert oder asphaltiert, Autos fahren, Handys liegen am Ohr, das aber ohne das Gefühl, den Kräutergarten nur zu besuchen, die Tomatenpflanzen wie Zootiere anzuschauen. Es ist wohl die Erlaubnis, die Kräuter zu schmecken, die Stangenbohnen zu pflücken, so dass die sonst spürbare Distanz nicht mehr empfunden wird. Die in den meisten Städten von den Gärtnern gepflanzten Blumen kann ich nicht pflücken.
Im Gespräch mit Gärtnern in Andernach ist zu erfahren, dass die "Essbare Stadt" nicht mehr Personal und keine großen Investitionen braucht. Wenn Zucchini und Kürbis gepflanzt werden, verlangen diese nicht viel Pflege. Pflanzt man Salat, ist das aufwändiger. So können die Gärtner den Arbeitsaufwand steuern. Es muss nicht mehr ständig die Wiese gemäht werden. Wenn die Blumenwiese nach dem Frühjahr einmal gemäht wird, schafft das Platz für die Sommer-Blüher.

Der Rasen macht die viele Arbeit und braucht zu viel Wasser

Die Essbare Stadt funktioniert wie der eigene Gemüsegarten und die Blumenwiese statt des wöchentlich gestutzten Rasens. Wenn dann Kindergärten und Schulen wie auch Gruppen ein Hochbeet, ein Stück eines Parks oder beerentragende Sträucher betreuen, braucht es keine ökologische Indoktrination mehr. Die Bürger finden in ein neues Verhältnis zu ihrer Stadt. Deshalb ist eine Fahrt nach Andernach oder Nürtingen motivierender als der Besuch einer Gartenschau. 

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Kategorie: Orte

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