In den Sommermonaten Juli und August widmet sich explizit.net dem Monatsthema "Unterwegs sein" / "Auszeit nehmen", sei es physisch als auch psychisch. Und ein "Wegort" bzw. "Erholungsort" sind dabei Schrebergärten.
Klein- bzw. Schrebergärtner sind schon lange nicht mehr eine so homogene Gruppe, wie sie vom Klischee gezeichnet wird. So unterschiedlich sind auch die Bedürfnisse an den eigenen Garten. Es gibt junge Familien, die möchten, dass ihre Kinder ein Stückchen Grün haben, um sich ohne Bedenken austoben zu können. Dann gibt es die Paare, im Spätsommer ihres Lebens, die sich entweder an ihren Blumen erfreuen, während sie mit Freunden auf der Terrasse sitzen oder die den Garten (vor allem im Sommer) als Selbstversorger-Paradies betrachten und kaum noch hinterher kommen, die Ernte zu verarbeiten.
Der Garten hält fit
Andere sind längst Rentner, bewirtschaften ihren Garten seit über 30 Jahren und haben sich ebenso lang im Kleingärtnerverein engagiert. Jetzt haben sie die Anbaufläche deutlich reduziert und nutzen den Garten vor allem, um aus der Wohnung herauszukommen. Viele sind vielleicht schon verwitwet, deshalb erfüllt der Schrebergarten samt Verein für sie eine wichtige soziale Komponente. Nicht umsonst nennen wir uns untereinander “Gartenfreunde”. Man kennt sich, man findet immer jemanden zum Plaudern und eine Einladung auf eine Tasse Kaffee oder ein kaltes Bier würde niemand ausschlagen. Gleichzeitig zwingt der Garten einen, sich körperlich zu betätigen. Auch wenn vieles langsamer und auch nicht mehr ganz ohne Schmerzen klappt, ein bisschen was muss man immer machen. So erfährt diese Gruppe von Gärtner Erholung nicht in Form von Nichtstun und “Seine Ruhe haben”, sondern durch Betätigung und gezielte soziale Interaktion.
Garten als Refugium
Dann gibt es wiederum die Gärtner, oftmals junge Familien, die meist nur am Wochenende oder bei fantastischem Wetter anzutreffen sind. Unter der Woche bleibt neben Arbeit, den Sport- und Freizeitvereinen der Kinder oftmals keine Zeit für den Garten. Diese Gärtner nutzen ihn vor allem als Refugium, als Wochenend-Oase. Obst und Gemüse wird ein bisschen angebaut, gerade soviel, dass man stolz auf seine Ernte sein kann, dass die Kinder Freude am Gießen, Pflanzen und Ernten haben, der Arbeitsaufwand aber überschaubar bleibt. Ansonsten dient der Garten als idealer Ort zum Grillen, Einladen und ungestört und vor allem (weitestgehend) unbeobachtet in der Sonne braten. Wobei dies nicht nur ausschließlich auf junge Familien zutrifft. Es ist kein ungewöhnliches Bild am Wochenende: Das Rentnerehepaar, das seine Liegen alle zwei Stunden entsprechend dem Sonnenverlauf auf dem Golfplatzgleichem Rasen dreht, ab und an die Erfrischung unter der Solar-Gartendusche sucht und bei dem man sich schon fragt, ob die Lektüre in der Hand tatsächlich der Unterhaltung oder doch eher dem Sonnenschutz dient. Zwischen Oktober und Mai sieht man diese Gärtner dann leider kaum noch.
Die Malocher
Dann gibt es auch noch diejenigen, davon allerdings sehr wenige, für die der Garten nichts anderes als Arbeit ist. Die Eltern hatten einst den Garten gepachtet und wollten sich dann aus Sentimentalität und Nostalgie nicht davon trennen, als die Pflege und Instandhaltung von Grundstück und Gartenlaube alters- und gesundheitsbedingt nicht mehr möglich war. Stattdessen werden die erwachsenen Kinder in die Pflicht genommen, obwohl sie zum Garten und Verein keinen Bezug haben. Dennoch machen sie sich die Mühe, fahren mehrmals in der Woche in den Garten, jäten, schneiden, rupfen. Schimpfen, dass jenes abgefressen und anderes vertrocknet ist. Versuchen den Garten so gut wie möglich am Laufen zu halten, ohne Passion und Freude, nur damit sich Mutti einmal in der Woche in den Gartenstuhl setzen, den Blick über das Grundstück schweifen lassen kann und sich an die Zeit erinnert, als sie und ihr Mann noch alles selbst bewirtschaftet haben. Entspannen, erholen oder genießen habe ich diese Malocher in ihrem Garten noch nie.
Das Vergnügen an der Arbeit
Der vorbildliche Kleingärtner findet seine Erholung natürlich schon während der Arbeit. Wobei Arbeit eigentlich das ist, womit man sein Geld verdient. Gartenarbeit, mag sie auch noch so anstrengend sein, zählt schon als Erholung, eben weil man es für sich tut, für die persönliche Befriedigung Teil einer Gemeinschaft zu sein, langweiliger Erde Leben einzuhauchen und das in seinem eigenen Tempo. Was ich heute nicht schaffe, kann ich auch irgendwann anders machen. Es gibt keinen äußeren Druck, keine Deadlines außer den Jahreszeiten und dem Wetter. Unterbrechungen und Pausen gibt es im Schrebergarten ohnehin genug. Irgendwer kommt immer vorbei, ob mit einem Anliegen oder einfach nur, weil ihn sein Weg an anderen Gärten vorbeiführt. Ein Wort führt zum anderen und schnell sitzt man bei seinem Gartennachbar auf der Terrasse und trinkt gemütlich Kaffee oder bittet selbst - denn gastfreundlich sind wir Gartenfreunde immer - auf ein Bier herein.
Der Sonn- und Feiertag steht dann bei fast allen Kleingärtnern im Zeichen der Erholung. Schwere bzw. laute Arbeiten sind gemäß der Ruhezeiten untersagt, sodass Erholungsmaßnahmen wie Frühschoppen, Mittagsschläfchen und Füße hochlegen quasi vom Vorstand verordnet sind.
Text & Aufmacherbild:
Kerstin Barton
(stellv. Chefredakteurin von www.kath.de )
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