Foto: explizit.net Jutta Mügge

Entschlacken für Profis

Oft dient die Tempelreinigung, Jesus als gewalttätig darzustellen. Und in der Tat: Es gibt gewisse Dinge im Leben, wo weder sanfter Druck noch lebhafte Redezirkel helfen. In der Tempelreinigung gibt es nur eine Handhabe: Ärmel hochkrempeln und immer feste drauf. - Von Paulus wissen wir aber, dass mit Tempel nicht einfach der Jerusalemer Tempel gemeint ist, sondern unser Leib, der «Tempel des Hl. Geistes» ist. Die Tempelreinigung ist daher das Programm zur ganzheitlichen Reinheit: von Bauch, Herz, Hirn, von Leib, Seele und Geist.

Der Tempel in Jersualem war von innen her angefault

 

Den eigenen Tempel in den Blick nehmen

Der Tempel steht für den ganzen Menschen, für seine Existenz mit seinen Vollzügen. Der Mensch ist zur Verherrlichung Gottes geschaffen, d.h. zum Gottesdienst. Und der findet im ganzen Mensch statt, nicht nur am sonntäglichen Kirchgang. Das Pascha, das ist Ostern, ist nahe. Damit Ostern werden kann, der Ewige Sabbat Gottes, braucht es die Reinigung des Menschen. Der Evangelist Johannes schildert uns diesen Vorgang: Da kommen Viehhändler und Münzwechsler vor, ebenso ihre Waren: Ochsen, Schafe, Tauben und ihr Geld. Auch berichtet er von den «Reinigungsinstrumenten»: eine Geißel und die bloße Manneskraft, Tische umzuschmeißen.  – Die Szenerie stellt somit das Gegenteil des Tempelkultes dar. Statt Gottesdienst Geschäftigkeit. Business statt Anbetung. Wofür stehen diese Dinge? Viehhändler und Münzwechsler sind zwei Seelen in unserer Brust. Beide locken uns mit falschen Stimmen.

Der Investor in uns

Der Viehhändler ist die Instanz in uns, die falsche Kompromisse eingeht, Verträge, die auf den ersten Blick, mit den Augen des Geschäftsmanns, als «big deal, huge deal, best deal» aussehen. In Wahrheit sind die Verträge, die wir oft schließen, Vereinbarungen, die gegen unsere eigene Religion gehen. Religion meint hier nicht eine institutionelle Sozialgestalt wie etwa Kirche oder Christentum, was ein moderner Religionsbegriff wäre. Religion meint hier den Inbegriff dessen, was mir heilig ist. Das kann vieles sein: die Familie, die Freiheit, meine Meinung öffentlich zu machen, mein Recht auf Eigentum, meine Privatsphäre, meine Freundschaften, usw.

Der Nachrechner in uns

Der Münzwechsler ist die Instanz in uns, die alles auf die Waage legt, um es nach seinem Wert zu bemessen. Er wiegt alles, er rechnet alles nach und nimmt sich seinen Anteil großzügig heraus. Er geht ins Kino und fragt sich, ob der Film den Zehner wert war. Sein Trinkgeld übersteigt nie zehn Prozent. Aber es wäre zu kurz gegriffen, den Münzwechsler auf bloß materielle Zahlungsmittel zu reduzieren. Er kennt viele Währungen und Devisen: Dankesäußerungen, Geschenke, Aufmerksamkeiten, Gefälligkeiten. In seinem Tempel, in seinem eigenen Herrschaftsbereich hat er ganz eigene Währungen und Wechselkurse. Sein Maß ist «dynamisch», dehnbar, flexibel. Ein Fall des Heuchlertums, des doppelten Maßstabs.

Energisch rausschmeißen

In jedem von uns stecken diese beiden Stimmen. Wir finden sie in uns vor. Daher sollten wir nicht verwundern: Wir befinden uns selbst in Widersprüchen. Und diese Widersprüche gehen nicht so einfach weg. Man kann nicht mit ihnen reden. Denn entweder fängt man einen Vertrag mit ihnen an, so eine Art Abofalle; ein schmieriger Verkäufer, der den anderen schmierigen Verkäufer über den Tisch zieht. Oder man lässt sich auf das Spiel der verschiedenen Währungen ein und wundert sich, dass am Ende «die Bank gewinnt». In beiden Fällen ist man der betrogene Betrüger. Daher muss man wie Jesus vorgehen: die Händler raustreiben, die Tische umwerfen, d.h. die Verträge auflösen und das Spiel der Münzen zerstören.

Den Tieren in mir auf die Spur kommen

Ochs, Schaf, Taube. Diese drei Tiere stehen für drei Kategorien von Gegenständen, mit denen Verträge geschlossen werden. Ochsen sind das Großvieh, die Arbeitstiere im Landbau, die großen Investitionen. Schafe sind das Kleinvieh, die Weidetiere, die der nützlichen Handarbeit und Nahrung dienen. Tauben sind die Vögel, also die Kleinigkeiten unter den Tieren, die zur Freude, zur Nachricht, und auch zur Not gehören.
So dienen diese Tiere mir als Gewissensspiegel: Was sind meine großen Investitionen? Wem dienen sie? Geht es um irdische Eitelkeiten? Der Porsche statt der Familienkutsche? Dienen die großen Dinge meines Lebens dem, was mir heilig ist oder dem, was eigentlich belanglos ist?
Was sind meine mittleren, alltäglichen Dinge? Wie sind sie strukturiert? Gehört der Samstagnachmittag der Eintracht Frankfurt oder der Eintracht meiner Familie? Halte ich meine Abenteuer auf Facebook oder in meinem Tagebuch fest?
Was sind die Kleinigkeiten in meinem Leben? Widme ich meinen Abend der Lektüre oder einem lausigen Tatort? Nehme ich vieles für selbstverständlich oder danke ich und sage ich Bitte? Halte ich anderen die Türe offen oder knalle ich sie unbedacht zu?
Diese Fragerei kann man an ganz vielen Dingen ausbuchstabieren. Immer gilt aber: Es gibt große, langfristige Dinge, es gibt mittlere, alltägliche Dinge und es gibt Kleinigkeiten: Ochs, Schaf, Taube. Wir schließen mit ihnen falsche Kompromisse und geraten damit in Unordnung. Anstatt nach dem Heiligen in unserem Leben die Dinge zu ordnen, richten wir sie nach dem Neutralen oder Unheiligen aus. Natürlich gibt es viele Dinge, die nicht schlecht sind. Aber wenn wir eine neutrale Sache einer guten Sache vorziehen, dann haben wir das Schlechtere gewählt. Wir reden uns ein, es wäre «ja alles gar nicht so schlimm». Weil diese Rechtfertigungsversuche nicht verstummen wollen, müssen wir die Geißel herausholen: «Hier gibt es nichts zu rechtfertigen. Weg damit!»

Aufhören mit dem Aufrechnen

Was machen wir mit unseren Münzen, unseren Währungen? Bei Jesus ist klar: Das Heilige verträgt keine Aufrechnerei. Das Heilige geht nur einher mit Liebe, Güte, Großzügigkeit, Barmherzigkeit, Großherzigkeit, kurz: Gnade. Knausrigkeit, Geiz, Gegenleistungen, Erwartungshaltungen, Verdienstansprüche gehören hier nicht hin. «Schatz, du hast dir zwei paar Winterstiefel und einen Mantel gekauft, da kann ich mir ruhig ein neues iPhone gönnen.» - Solche Währung führt in die Scheidung. «Hatten wir nicht halb vier gesagt?» - «Ja, aber letztes Mal kamst du auch eine halbe Stunde zu spät!»
Der Geist Jesu ist ganz anders: «Wenn einer dich zwingt, eine Meile mit ihm zu gehen, dann laufe zwei!» Und das bedeutet es, die Tisch umzuwerfen: Die alten Währungen raus und alles mit dem Übermaß der Gnade messen.
Auch hier gilt der Gewissensspiegel: Was sind meine Währungen? Wo rechne ich auf, trage nach, zähle ich Erbsen? Dann gilt es, nicht auf sein eitles Recht auf «gleiches Maß», auf seine Wechselkurse zu pochen. Keine Ausreden! Wer ist denn der größere Mensch: der Aufrechner oder der Freigiebige? 


Kategorie: Religion

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