Immer weniger Gottesdienste sind notwendig, weil diejenigen, die an den regelmäßigen Messbesuch gewöhnt waren, immer älter werden. Auch die Räumlichkeiten der Pfarrheime werden weniger genutzt, denn es gibt nur noch wenige Jugendgruppen, die Verbände der Erwachsenen gewinnen aus den mittleren Altersgruppen zu wenig neue Mitglieder. Dabei hat das Konzil auf die Laien gesetzt, wenn es um die Zukunft der Kirche geht. Nach dem Konzil gab es dann auch, vor allem mit den Pfarrgemeinderäten, eine breitere Einbeziehung der Laien in die Gestaltung des Gemeindelebens. Warum kehren die Laien trotzdem dem kirchlichen Leben den Rücken, so dass kaum noch junge Leute in einem Seelsorgsberuf eine sinnvolle Zukunft sehen. Aber hat die katholische Kirche in Deutschland erst mit dem Abschluss des Konzils 1965 den Laien Entfaltungsraum gegeben? Ist sie nicht vielmehr zu einer Funktionärskirche geworden. Die Mechanismen müssen freigelegt werden:
Die katholischen Laien waren seit 1848 gut aufgestellt
Das Konzil hat den Laien sehr viel mehr Mitsprachrechte gegeben, die über Gremien auf Pfarrei-, Dekanats- und Bistumsebene wahrgenommen werden. Aber worauf beziehen diese sich: Neu ist nur die Mitsprache bei der Liturgie, die Veranstaltung von Festen und Feste und die durch den Offsetdruck möglich gewordene Pfarrzeitung. Das gesellschaftliche Engagement der Katholiken hatten schon seit dem Paulskirchenparlament ab 1848 die katholischen Verbände wahrgenommen. Über diese Verbände fanden Viele den Weg in die Politik. War es bis zum Verbot durch die Nationalsozialisten die katholische Zentrumspartei, die den politischen Willen, der sich im Raum der Kirche gebildet hatte, umsetzte, pflanzten in der Nachkriegszeit katholische Politiker die katholische Soziallehre durch die konkrete Gesetzgebung in die Gestaltung der jungen Republik um. Keine Neue-Heimat-Blocks, sondern Eigenheime, keine Förderung der landesweiten Handels- und Industrieunternehmen, sondern des Mittelstandes, Familienpolitik, dynamische Rente, soziale Leistungen nicht durch den Staat, sondern durch freie Träger. Solche Erfolge katholischer Laien gibt es im Westen des Landes nicht mehr. Welche politisches Potential im Katholizismus steckt, zeigt die politische Karriere viele Katholiken in den Neuen Bundesländern bei 3% Bevölkerungsanteil. Ermöglicht wurde dieser Erfolg, weil die katholischen Pfarrer, anders als ihre evangelischen Kollegen, sich in den Wendejahren nicht als Kandidaten für lokale oder Landesparlamente aufstellen ließen. Die Pfarrgemeinderäte und, nicht zu unterschätzen, die Familienkreise bereiteten die Katholiken auf politische Teilhabe vor.
Die gesellschaftlichen Themen sind vom Zentralkomitee der Katholiken zur Bischofskonferenz gewandert.
Die Laien hatten sich im Zentralkomitee einen Koordinierungsrat ihrer Verbände geschaffen. So hieß das Zentralkomitee auch anfangs, also 1848, Zentralkomitee der katholischen Vereine Deutschlands. Seit dem Konzil entsenden nicht nur die Verbände, sondern auch die Laiengremien der Diözesen stimmberechtigte Vertreter in das Komitee. Damit sind dann die innerkirchlichen Themen dieser Gremien auf die Tagesordnung des obersten Laienrates gerückt: Umgang mit den Geschiedenen, die einen anderen Partner heiraten, Priestertum der Frau und Abschaffung des Zölibats. Diese Themen der siebziger Jahre werden immer noch aufgekocht, während Stellungnahmen zu gesellschaftlichen Fragen von der Bischofskonferenz formuliert werden. So ist es dazu gekommen, dass Politik und Medien sich an den Bischöfen orientieren, wenn es um den katholischen Standpunkt geht. Faktisch werden so die katholischen Laien, außer in Sexfragen, nicht mehr durch die von ihnen gewählten Gremien, sondern durch die "Amtskirche" vertreten. Da sich die Katholiken bisher mit der Ablehnung der vom Lehramt vertretenen Sexualmoral vom Zentralkomitee vertreten fühlten, ist ihnen entgangen, dass sie mit der Konzentration auf das Thema ihren gesellschaftlichen Einfluss verspielt haben.
Die Rolle der Pfarrer und der anderen Hauptamtlichen hat sich grundlegend verändert
Weil sich die Gremien von ihrem gesellschaftlichen Einflussbereich verabschiedet und zu liturgischen und Festausschüssen geworden sind, hat sich ihre Mitsprache auf den Bereich des Pfarrers verschoben. Damit wurde die Rolle des Pfarrers und der anderen Hauptamtlichen verändert.
War die Organisation des Lebens in der Kirche alleinige Aufgabe des Pfarrers, legt er heute seine Pläne dem Pfarrgemeinderat vor, um so die ersten Mitstreiter zu gewinnen. Auch die anderen Hauptamtlichen versuchen, um den Erfolg ihres Projektes zu sichern, den Pfarrgemeinderat zu einer positiven Abstimmung zu bewegen. Das hat, von den meisten Kirchensoziologen wie von den Gremienmitgliedern unbemerkt, dazu geführt, dass die Laien zu Beobachtern dessen geworden sind, was die Hauptamtlichen organisieren. Die Pfarrer meinen, dass sie die Laien ernst nehmen, wenn sie diesen ihre Planungen zur Abstimmung vorlegen. Doch da die Laien nur begutachten und selbst nicht mehr aktiv müssen, schneiden die Hauptamtlichen den Laien die Entfaltungsmöglichkeiten ab, die sie vor dem Konzil hatten. Das ist kein böser Wille. C.S. Lewis würde da die Genialität eines Unterteufels am Werk sehen, der zur Erlahmung der katholischen Kirche in Deutschland abgeordnet ist. Wer auch immer, die Folgen sind gravierend.
Die Hauptamtlichen werden von den Laien fehlgeleitet
Die Beteiligung am kirchlichen Leben geht zurück, obwohl doch die Vertreter der Laien die Vorhaben der Hauptamtlichen begutachten und durch Abstimmungen ihre Zustimmung geben. Eigentlich haben die Hauptamtlichen auf den ersten Blick nichts falsch gemacht. Der Fehler ist subtiler. Ob der Jugendgottesdienst Interesse weckt, ob ein Glaubenskurs genügend Teilnehmer findet, ob die Eltern ihre Kinder zur Erstkommunion anmelden, liegt allein im Aktionsbereichsrahmen der Hauptamtlichen. Die Pfarrgemeinderäte fühlen sich nämlich aus der Verantwortung genommen. Da liegt an der Wahl. Anders als Sitze in Kommunalparlamenten geht es nicht um Konkurrenz, sondern nur um guten Willen. So bewirkt die Wahl keinen Wettbewerb der Ideen. Schon gar nicht wird Passivität bestraft, eher belohnt. Als die Laien noch Mitglied eines Verbandes waren, haben sie sich für das Zustandekommen einer Veranstaltung, die Realisierung eines Projektes verantwortlich gefühlt. Heute unterhalten die Laien sozusagen eine Agentur in der Form eines bezahlten Teams für die Organisation des Pfarrlebens. Ein amerikanischer Priester, der sich regelmäßig in Deutschland aufhält und in Gemeinden für den Pfarrer, der in Urlaub ist, Gottesdienste übernimmt, kam zu folgendem Schluss: Eine Pfarrei, die so wenig von den Gemeindemitgliedern getragen wird, wäre in den USA nicht lebensfähig.
Es ist also ein fatales Zusammenspiel des guten Willens, der am Ende die wenigen Hauptamtlichen zu Aktiven und die Laien zu Zuschauern und allenfalls Teilnehmern, aber nicht zu Trägern des pfarrlichen Lebens macht.
In einem folgenden Beitrag wird aufgezeigt, warum die Hauptamtlichen an den Menschen vorbeiplanen. Es liegt nicht an einer veralteten Theologie, wie immer wieder behauptet wird, sondern dass Religiosität als etwas verstanden wird, was man nur organisieren müsste.
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