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Dschungelcamp - das neue Kolosseum

2000 Jahre können schnell vergehen: Das Dschungelcamp ist wieder da, im Kolosseum des 21 Jahrhunderts. Wie damals, „zappt“ nicht nur die Plebs rein, sondern auch die sogenannte Oberschicht, der selbsternannte Geldadel. Sie schaut heimlich - angeblich nur aus Zwecken der Neugier - dem peinlichen Treiben einiger C-Prominenz zu. Dass dabei voyeuristische Lüste genauso befriedigt werden, wie die Exponation des eigenen „überlegenen“ Lebensstiles, verdrängt man derweil und genießt das Programm. Es ist wie Social Media: Wer nicht dabei ist, wer nicht mitreden kann, steht in der Raucherecke alleine.

2000 Jahre können schnell vergehen: Das Dschungelcamp ist wieder da, im Kolosseum des 21 Jahrhunderts. Wie damals, „zappt“ nicht nur die Plebs rein, sondern auch die sogenannte Oberschicht, der selbsternannte Geldadel. Sie schaut heimlich - angeblich nur aus Zwecken der Neugier - dem peinlichen Treiben einiger C-Prominenz zu. Dass dabei voyeuristische Lüste genauso befriedigt werden, wie die Exponation des eigenen „überlegenen“ Lebensstiles, verdrängt man derweil und genießt das Programm. Es ist wie Social Media: Wer nicht dabei ist, wer nicht mitreden kann, steht in der Raucherecke alleine.

2000 Jahre Fortschritt

Als in den ersten beiden Jahrhunderten n. Chr. das Volk unterhalten werden musste, oder wollte, nahmen die Römer Platz im Kolosseum. Die Plebs, das gemeine Volk, ließ sich mit „niederschwelligen“ Angeboten berieseln. Das Konzept von „Brot und Spiele“ galt als eine besondere Art des Rausches, um vom Alltag abzulenken. Ein Alltag, der für viele deprimierend und nervenraubend war. Man wollte abgelenkt werden, sehen wie auch andere lächerlich gemacht- oder erniedrigt werden. Einfach abschalten, möglichst wenig nachdenken, den anderen Mal den Verlierer sein lassen: Just Entertainment.

Wer schaut zu?

Heute brechen Sendungen wie Dschungelcamp sogar Twitter Rekorde - was kein Indiz für Qualität sein muss, die Bildzeitung hatte hat schließlich immer noch die stärkste Auflage. Interessanter ist die Frage: was fasziniert Menschen an derlei TV-Formaten?

Es scheint ein besonderer Reiz zu sein. Der Ekelfaktor im Sendeinhalt ist ähnlich dem Zerfleischen eines Menschen durch einen Löwen. Dem gemeinen Fernsehzuschauer wird der Mensch (Eigenbezeichnung: Star, der herausgeholt werden möchte) und ein ekelhaftes Szenario vor Augen geführt. Dieses besteht in der Regel in einem Insekten-Menü, einer Kakerlaken-Badewanne oder auch einem Schlammtümpel. Große kognitive Leistungen sind jetzt nicht mehr vonnöten, um zu kombinieren, dass Ekelszenario und Mensch bald aufeinander treffen. Ähnlich wird es in der antiken Arena gewesen sein: Alle wissen, dass der Löwe den Menschen zerfleischen wird; einzig die Dauer des Todeskampfes und die Brutalität des Fressens sind noch interessant.

Das Dschungelcamp ist auf der Skala des TV-Abstiegs allerdings perfider: Es setzt auf Prominenz, die zumindest rudimentär bekannt ist. Dadurch kann sich der Zuschauer eher identifizieren und beim Zuschauen Überlegenheit und Größe empfinden. Darauf setzen die Macher, sie kennen diese unterbewussten menschlichen Mechanismen, es hat sich ja bei der Boulevardpresse seit langem bewährt. Fragt man etliche Dschungelcamp-Fans, ist ihr Motiv stets nur: “it’s just fun“ - Dabei sind sie längst den psychologischen Erkenntnissen der TV Macher erlegen: Voyeurismus! Zugeben wollen es die wenigsten. Durch die serienhafte Veranlagung ist Dschungelcamp auch den meisten Reality-Shows an Brisanz und vor allem Einschaltquoten überlegen. Es findet im Gesamtblick eine Geschichte statt und wie wir alle wissen: die Menschen lieben Geschichten.

Und Moderatoren! Dirk Bach empfanden damals viele als Kult, der Kostüme und Sprüche wegen; das neue Moderatorenduo ringt eher darum, seine Kommentare auf demselben niveaulosen Level, wie das der Campbewohner zu halten. Na immerhin.

Was dem Dschungelcamp, ähnlich wie dem antiken Amphitheatrum zugutekommt, ist auch der Reiz beim Zuschauen. Diesen empfanden am vergangenen Dienstag immerhin 7,43 Mio. Zuschauer, als sie reinzappten. Spätestens jetzt ist auch klar, dass es nicht nur die Plebs ist, die diese Form der Brot und Spiele sehen möchte, denn dazu sind es einfach zu viele Zuschauer. Vorsicht also mit Kritik - es könnte ihren Nachbarn treffen!

Sägt das Privatfernsehen am eigenen Ast?

Wie dem auch sei: Kritik sollte dezent geübt werden am Niedergang der privaten Sendeanstalten. Tatsächlich ist das Dschungelcamp nur der Gipfel eines großen Müllberges an Reality-Shows und dem, was man nun nicht mehr laut Harald Schmidts RTL-Schelten „Unterschichtenfernsehen“ nennen kann (Scheinbar guckt es ja die Hälfte des Volkes). Ganze Nachmittagsprogramme werden gefüllt mit traurigem Schund; Protagonisten dieser Sendungen, die in aller Regel auch sehr schlecht schauspielern, verkörpern das, was man selbst nicht sein will und nie machen würde. Andernfalls: Es zeigt deutlich, dass Privat-Sender nur noch mit solchen Formaten die Zuschauermengen vor die Bildschirme locken.

Wie dem auch sein, dagegen ist der Trend zu Video-On-Demand-Angeboten ungebrochen. Das wiederum könnte bedeuten, dass die meisten es leid sind, mit qualitativen „Müll“ und Werbeunterbrechungen ihren Abend vor der Glotze zu verbringen. Schade nur, dass sie bei „Müll“ mit Dschungelcamp doch eine Ausnahme machen. Verrückte Welt, aber Meinungsfreiheit. ;-)


Schlagworte: #TV #Konsum #Fernsehen #Medien

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