Zuhören – Von sich Sprechen – Verfahren einhalten
(explizit.net / kath.de) Wochenkommentar von kath.de
1. Zuhören
Papst Franziskus hat sich entschieden, mehr zuzuhören und zu schweigen als zu sprechen oder zu intervenieren. Er hat die Bischöfe ermutigt, frei zu sprechen und das zu sagen, was sie denken. Diese Einladung haben die Bischöfe offenbar angenommen. Wer sich wegen dieser Einladung zum freien Sprechen motiviert fühlt, wird früher oder später auch selbst mehr und besser zuhören. Diese Grundhaltung führt nicht dazu, dass alle einer Meinung sind; auch nicht dazu, dass man schnell zu einem Konsens käme, den man dann der Öffentlichkeit als Ergebnis vorstellen könnte.
Die Versuchung des schnellen Ergebnisses
Diese Erwartung mag es seitens der Öffentlichkeit mancherorts geben und als Medienvertreter kann man leicht der Versuchung aufsitzen, in diesen Mustern zu denken: wir brauchen Ergebnisse, eine inhaltliche Stellungnahme, klar benennbare Positionen. Aber so funktioniert diese Synode nicht. Wenn man solche schnellen Ergebnisse nicht bekommt, kann man einer weiteren Versuchung aufsitzen, die darin besteht, gegensätzliche Positionen, die an die Öffentlichkeit gekommen sind, aufzunehmen und in radikalisierter Form gegeneinander auszuspielen, nach dem Motto: die finden nie zueinander und deswegen bringt diese Synode nichts. Diese Beobachtung ist keine Medienschelte, sondern eine Selbsterkenntnis – als Einladung formuliert.
2. Von sich sprechen
Ehe und Familie sind kein abstraktes theologisches Thema, sondern sie sind Lebenswirklichkeiten. Sie bestehen aus Gelingen, Scheitern, Ausprobieren, Zusammenhalten, Krisen usw. Daher kann man am besten in der 1. Person Singular darüber sprechen. Die Antworten auf den Fragebogen, den der Vatikan im Voraus der Synode versendet hatte, sind Antworten in der Ersten Person Singular: „ich“. Das führt dazu, dass diejenigen, die über diese Antworten und weiterführenden Fragen diskutieren, nun über Erfahrungen sprechen. Erfahrungen können weder richtig oder falsch sein. Wer sich darauf einlässt, sich die Erfahrungen anderer anzuhören, kann beginnen, deren Positionen und Haltungen zu verstehen.
Keine Konkurrenz der Erfahrungen
Ein seit über 50 Jahren verheiratetes Paar erläuterte den Teilnehmenden der Synode am vergangenen Montag, welche Rolle Intimität und Sex für ihre Beziehung spielen. Auch die Bischöfe müssen in der Ersten Person Singular sprechen, wenn sie von den Situationen in ihren jeweiligen Bistümern berichten. Dabei ist der Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Erfahrungen nur scheinbar ein Hindernis. Dass Dinge in Deutschland anders ablaufen und Menschen andere Wege gehen als in einem afrikanischen Land, bedeutet weder, dass die Positionen aus Deutschland alle „richtig“ wären (Erfahrungen sind nicht richtig oder falsch), noch, dass die Positionen aus Afrika vernachlässigt werden können, weil die hiesigen Probleme in Afrika „Tabuthemen“ wären. Eine Konkurrenz der Erfahrungen kann es nicht geben. Gleichzeitig kann es hilfreich sein, als zölibatär Lebender Verheirateten zuzuhören und umgekehrt, als Heterosexueller, Homosexuellen usw.
3. Verfahren einhalten
Der Papst steht bei dieser Synode nicht im Mittelpunkt. Er trifft keine inhaltlichen Entscheidungen. Die Synode ist kein zentrales, autoritäres Entscheidungsorgan. Im Gegensatz zur Enzyklika Humanae Vitae, die Papst Paul VI. quasi im Alleingang 1968 – kurz nach dem Konzil – herausgab, hat Papst Franziskus sich für den synodalen Weg entschieden, der sich beim Zweiten Vatikanum bewährt hatte. Papst Franziskus hat in der Vergangenheit autoritäre Entscheidungen getroffen. Er hat dies selbst erkannt: „Ich bin ein Sünder.“ In seiner bisherigen Amtszeit hat er gezeigt, dass Beratung und Delegation für ihn wichtig sind. Die Entscheidung, ersten Teil der Bischofssynode über Ehe und Familie auf diese synodale Weise zu gestalten, passt zu seiner bisherigen Vorgehensweise.
Autorität durch Kollegialität ablösen
Die Schwierigkeiten in der Ehe- und Familienpastoral, für die nicht zuletzt die Entstehungsweise und Rezeption von Humanae Vitae mitverantwortlich sind, hätte Papst Franziskus nicht durch eine wiederum autoritäre Vorgehensweise lösen können. Er hat die kollegiale, synodale Weise und das freie Sprechen in der Ersten Person Singular als Verfahren gewählt. Dieses Verfahren ermöglicht einen freien Austausch, der zunächst nicht an schnellen Ergebnissen, sondern an der Position der anderen interessiert ist. Äußerungen wie „das geht so doch nicht“, „das ist auf keinen Fall akzeptabel“ deuten an, dass diese Art von Verfahren in der Kirche noch der Gewöhnung bedürfen, auf allen Seiten.
Paul VI.: Konzilspapst und autoritär
Die Seligsprechung Papst Pauls VI. wird den Abschluss der diesjährigen Sitzungsperiode der Synode bilden. Paul VI. vereint gleichsam die Strömungen, die sich noch oder mehr denn je schwer tun mit diesem neuen Verfahren des Zuhörens, Sprechens und Diskutierens. Auf der einen Seite steht er als Konzilspapst für die Synodalität und Offenheit des Zweiten Vatikanums, auf der anderen Seite hat gerade er in Fragen der Ehe und Familie eine autoritäre Intervention für nötig befunden. Seine Seligsprechung an diesem Punkt kann daher motivieren, sich zu öffnen, für neue Verfahren und Kollegialität. Die eigene Position muss man dafür keineswegs aufgeben. Sie bildet und festigt sich vielmehr im Austausch mit anderen, im Hören auf die anderen und ihre Erfahrungen. Manchmal kann es sogar angemessener sein, zu schweigen, anstatt der Versuchung nach einer schnellen Antwort nachzugeben.
<p><emphasize>kath.de-Redaktion</emphasize>
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