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Digital effektiver der Kirchenkrise gegensteuern

Das kirchliche Leben schrumpft. Ob die Zahl der Gottesdienstbesucher oder der Auflagenrückgang der katholischen Wochenzeitungen, der Abschwung wird auch in Kürze die Finanzmittel eindampfen. Können die Arbeiter im digitalen Weinberg mehr als bisher zu neuem Wachstum beitragen? Christian Schnaubelt und Eckhard Bieger stellen diese Überlegungen bei der Tagung Kirche im Web am 5.+6.März in Stuttgart vor

Prediger wie Kirchenjournalisten haben immer kleinere Hörer- und Leserschaften. Diese sammeln sich weiter, jedoch nicht mehr mit festen Lesegewohnheiten, indem sie die Bistumszeitung abonnieren oder in einem verinnerlichten Wochenrhythmus beten und sonntags am Gottesdienst teilnehmen. Das digitale Zeitalter hat andere Rhythmen und braucht andere Kommunikationsmittel und Leute, die davon etwas verstehen. Denn eine Wochenzeitung oder ein Fernsehkanal kann die Vielfalt nicht mehr abbilden und daher auch Menschen kaum noch zusammenbringen. Das kann aber das Internet, wenn es nicht wie eine Zeitung konzipiert wird oder, wie die meisten Auftritte von Bistümern und anderen Institutionen, das Organisationsschema abbildet. Weil die Nutzer nach Themen suchen, sind die Algorithmen der Suchmaschinen auf dieses Verhalten abgestimmt. Wenn die Digital­arbeiter hier ansetzen, können sie zumindest die Themenfelder einer Diözese oder eines Verbandes viel besser verknüpfen als es der Bistumszeitung oder der Mitglieder­zeitschrift möglich ist. Dafür braucht es keine neuen Planstellen, sondern nur die Abkehr vom Zeitungsmodell bzw. dem Organisationsschema einer Verwaltung.

Themen organisieren sich zunehmend über Plattformen 

Anders als Fußball oder Politik werden religiöse Themenfelder für die einzelnen erst im Zusammenhang mit eigenen Lebenszyklen aktuell. Anders als politische oder sportliche Ereignisse, schafft die Predigt im Sonntagsgottesdienst es nicht in die Nachrichten. Auch die Politik ist mit ihren Themen aktueller als die Kirche mit dem Weihnachtsfest. Das heißt aber nicht, dass für den einzelnen Religion nicht auch zeitnah aktuell wird. Da wird zwar keine größere Öffentlichkeit wie die Anhängerschaft der lokalen Fußballmannschaft aktiviert, aber Familie und der Bekanntenkreis. Wenn Zwei heiraten, wenn sie ein Kind bekommen, wenn sie das religiöse Angebot für ihren Zwölfjährigen suchen, wenn sie auf die Bedeutung des Heiligen Geistes stoßen, wenn der Zölibat mal wieder Thema wird, wenn jemand seinen Namenspatron näher kennenlernen will, dann sollten sie das adaptiv aufbereitet finden. Weil die meisten kirchlichen Seiten das nicht bieten, behelfen die Nutzer sich mit der Suchmaschine. Dieser Weg bleibt offen, wird aber mit der Zunahme der Homepages immer unübersichtlicher. Deshalb zeichnet sich deutlich ab, dass redaktionell betreute Plattformen das Angebot besser strukturieren als es die Suchmaschinen immer weniger leisten. 

Redaktionelle Kompetenz aufbauen

Noch eher unbemerkt organisiert sich der digitale Raum in Kontinenten, die sich aus dem Daten-Meer herausbilden. Es gibt nicht nur Plattformen für Verkehrsverbindungen, für Bücher und Tourismusziele, sondern für Handwerksleistungen, Industriegüter und demnächst bei kath.de für Religion-Kultur-Medien. Wie die Nutzer Verkehrsverbindungen über die Bahn-App und nicht mehr über Google aufrufen, so demnächst für weitere Themenmärkte. Für eine Bistums-, Ordens- oder Verbandsseite verspricht das Plattformkonzept sehr viel längere Verweildauer der Nutzer, z.B. wenn für ein Sakrament die Seiten verlinkt werden, so die Videos, die den Ritus filmen, Anmeldeformulare, Erklärung und Ablauf des Ritus, die Erklärung der Taufnamen und alles andere zur bevorstehenden Taufe sollten über die Bistumshomepage verlinkt werden. Nicht alle Links müssen zu Seiten des eigenen Auftritts führen. Wenn sich die religiösen Institutionen über Links vernetzen, wird jede durch mehr Zugriffe davon profitieren.

Das Bistum, der Orden, der Verband mit ihrer Inhalte-Kompetenz

Wenn die Bistumsseite die gesamte Kompetenz der katholischen Kirche zur Darstellung bringt, dann leistet sie etwas, was die Arbeit der Pressestellen sehr viel nachhaltiger und breitenwirksamer machen wird. Die Bahn-App könnte hier als Modell dienen. Mit ihr will die Bahn sich als der zentrale Verkehrsdienstleister im Bewusstsein der Menschen einnisten. Sie erreicht bereits, dass Viele für die Nutzung eines regionalen Verkehrsverbundes nicht mehr dessen Homepage ansteuern, sondern die BahnApp. Auch die Hotelbuchungen laufen immer mehr über die BahnApp. Die Bistumsseite sollte nicht weiter die Außenhaut der verwalteten Religion sein, sondern der Guide zu allen Fragen, für die es die Religion gibt. Nur digital gewinnt eine Kirche die Führungsposition zurück, wenn es um das Religiöse geht.

Digital-Arbeiter als Türöffner

Die ganze Medienwelt, für die es früher Zeitungsausträger, Postboten, Radiotechniker, Filmvorführer in Kinos brauchte, ist auf dem kleinen Bildschirm zugänglich. Wir nutzen das für die Orientierung und die Kommunikation. Das hebelt die entscheidende Bedeutung der direkten Begegnungen, die intensiven Gesprächsrunden, die gemeinsamen Feiern, die Prozessionen, die Karnevalsumzüge, die Wallfahrten und Exerzitien nicht aus. Inzwischen sind die Digital-Arbeiter unentbehrlich, damit Menschen lesen, zuhören und sich zusammenfinden, denn das läuft nicht mehr in den früheren Bahnen, sondern über die Social-Media, die als Rückgrat das Web 1.0 brauchen. Sie übernehmen die Funktion des Empfangs in einem Bürohochhaus, der mich im World Wide Web an die von mir angesteuerte Tür, d.h. hier Homepage führt. Mit dem Plattformkonzept, welches das breite Spektrum religiöser Themen zusammenführt, kann das Internet die Themenkompetenz der kirchlichen Gruppen und Einrichtungen näher zu den Menschen bringen. Die Entwicklungschance für den digitalen Auftritt liegen darin, den Zugang zu allen religiösen, theologischen, spirituellen Themen, Büchern, Videos, Veranstaltungen zu erschließen.

Social Media ermöglichen Interaktion

Die Homepages bleiben das Knochengerüst der digitalen Welt, um das sich die Social Media ranken. Diese haben einen zusätzlichen Nutzen. Sie ermöglichen die direkte Interaktion mit den Userinnen und Usern. Dadurch steigt auch die Macht der User, die über ihre Klicks Inhalte und Angebote steuern. Die Digital-Arbeiter sind also an der Front, wenn es um Reaktionen auf kirchliche Angebote geht. Zugleich wirken sie meinungsbildend, indem sie die Fake-News überprüfen und durch seriös recherchierte Beiträge die Filter-Blasen der User überwinden. Gerade deshalb ist es wichtig, dass sich nicht nur Marketing-Mitarbeitende in den Social Media bewegen, sondern der digitale Journalismus sich die Social Media stärker als bisher zu eigen macht und dort seine Stimme erhebt. Dies trägt am besten dazu bei, dass der Journalismus wieder Vertrauen der User zurückgewinnt. 


Kategorie: Kirche

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