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Die Erde brennt

Sommer 2020: Kalifornien, die gesamte Westküste der USA brennt, Sibirien brennt, Amazonien brennt, gleich mehrfach, ja, auch das Flüchtlingslager in Moria auf der griechischen Insel Lesbos brennt und im Hafen von Beirut im Libanon ist nach der Explosionskatastrophe erneut ein Brand ausgebrochen. Ein Beitrag von Frank Hennecke

Sibirien brennt schon seit Jahren, in Kalifornien häufen sich die Brände ebenfalls seit Jahren, der Brand Australien ist noch in Erinnerung. Die Welt brennt. Die Ursachen der Brände mögen jeweils unterschiedlich sein, in Kalifornien eine notorische Trockenheit, in Sibirien der Klimawandel, in Amazonien böswillige Umweltzerstörung, und sonst gar Brandstiftung. Die Folgen sind die gleichen: Menschen kommen zu Tode, ganze Siedlungen werden zerstört, zahllose Tiere und Pflanzen gehen zugrunde, ganze Ökosystem werden vernichtet. Die durch die Medien übermittelten Bilder, allein schon die Vorstellung erwecken Entsetzen, Verzweiflung und maßlose Trauer, und wo es am Platze ist, auch Wut. Der Brand ist ein Teil der globalen Umweltzerstörung auf terrestrischen Systemen, die aus anderen Gründen auch vor den Weltmeeren als aquatischen Systemen nicht haltmacht.
Wie gehen wir damit um? Auf der Ebene der akuten Hilfe suchen wir zu retten, was zu retten ist; an Unterstützung der bedrohten Länder und Orte braucht es nicht zu fehlen. Auf politischer Ebene versucht eine internationale Umwelt- und Klimapolitik, die klimatischen Ursachen der Brände zu mindern, immerhin, aber bislang mit wenig Erfolg und sofern überhaupt auf klimatische Ursachen eingewirkt werden kann. Sanktionen gegen die bewusste Umweltzerstörung in Brasilien oder anderswo auf der Welt mögen vielleicht eine Umkehr bewirken. Das mag alles seinen Weg nehmen.

Politik, Kirchen, gesellschaftliche Organisationen sind gefordert

Soweit der Brand menschengemachte Ursachen hat oder auf mutmaßlich menschengemachte Ursachen zurückgeht, bleibt es Aufgabe der Politik, auf allen Ebenen gegenzusteuern. Und es ist Auftrag der Kirche und sittliche Pflicht der Christen, zur Bewahrung der Schöpfung beizutragen, mit welchem Vermögen auch immer. „Bewahrung der Schöpfung“ ist seit langem theologisch begründet. Das Ausmaß der gleichzeitigen globalen Brandkatastrophen scheint indes alle bisherigen Ereignisse in der Menschheitsgeschichte zu übertreffen. Und als ob der Brand nicht schon genug an Leben zerstörte, kommt die nächste Hiobsbotschaft von der weltweiten Umweltorganisation „World Wide Fund For Nature (WWF)“: Seit 1970 seien 68 % der Tierbestände in der Welt zurückgegangen, in Süd- und Mittelamerika gar 94 %. Dort ist von „Totalausfall“ die Rede. Es ist bestürzend. Und da tröstet es wenig, aber auch ein bisschen schon, dass in unberührten Regionen etwa der Tiefsee immer wieder neues Leben entdeckt wird.
Doch der Brand ist nicht die einzige Heimsuchung der Menschheit in diesem Jahr: Der Corona-Virus greift immer noch mit tödlichen Folgen um sich, weltweit.

Keine Epoche ohne Plagen

Krieg, Feuer, Hungersnot und Seuchen haben früher schon das Schicksal der Menschen bestimmt. Keine dieser Plagen ist vorüber. Nur haben die hedonistischen Wohlstandsgesellschaften, wo immer es solche auf der Welt gibt, diese Heimsuchungen vergessen, nicht mehr für möglich gehalten, weil sie einige Zeit davon verschont geblieben sind. Jetzt aber schlägt das Schicksal wieder zu. Die Brandkatastrophen und die Seuche treffen die industrialisierten Wohlstandsgesellschaften mitten ins Herz, mag auch Deutschland bislang weitgehend verschont worden sein. Die Welt ist durch-industriealisiert: Die Vorteile kumulieren in den sozial und infrastrukturell entwickelten Ländern, die Nebenwirkungen und Abfallprodukte der Weltindustrie treffen in Krisenzeiten dort am härtesten, wo das Zivilisations- und Lebenshaltungsniveau am niedrigsten ist. Auch das gehört zum Unglück.

Nicht mehr Strafe Gottes, sondern menschliche Untaten

Früher war man mit der Erklärung leicht bei der Hand: Die Heimsuchungen galten als Strafe Gottes für die Untaten der Menschen. Heute ist klar: Es bedarf der Strafe Gottes nicht, damit die Heimsuchung über die Menschheit kommt; es sind die Untaten selbst, die das Unheil herbeiführen, mögen auch noch Schicksal und unbeherrschbare Naturgewalt hinzukommen. Und was Unschuldige dahinrafft und lebendige Natur zerstört, ist gewiss nicht die strafende Hand Gottes. Wie gehen wir damit um? Ratlosigkeit stellt sich ein. Aber es kommt die Erkenntnis auf, dass das menschliche Schicksal in der Geschichte immer gefährdet war und ist, dass Zeiten des Glücks immer nur kleine Insel im Meer des Unheils waren, dass das Verhängnis immer droht und hereinbrechen kann. Die Welt liegt im Unheil. So kann man die Wahrheit erfahren über die Befindlichkeit der Welt. Das Verhängnis aber wirft uns auf unsere Existenz zurück. Wir müssen unser Leben führen angesichts des Unheils. Die sittlichen Gebote, dem Unheil nach allen Kräften entgegenzuwirken, bleiben gewiss. Und trotz allem Freude zu suchen, bleibt unbenommen. Aber darüber hinaus stellt sich unerbittlich die Frage nach dem Sinn. Man kann die Frage unbeantwortet lassen, für unbeantwortbar halten. „Dann lasset  uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot.“ Das Christentum hat für die Befindlichkeit der Welt das unüberbietbare Zeichen: Das Kreuz. Aber auf den Karfreitag folgt Ostern.

Literaturhinweis: Matthias Glaubrecht: Das Ende der Evolution. Der Mensch und die Vernichtung der Arten, München 2019.



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