Foto: explizit E.B.

Deutschland in der Flüchtlingsphobie – ein Blick von außen

Ein Deutscher, sonst in Südafrika in der Aidshilfe engagiert, stößt bei einem Besuch auf eine Demonstration gegen die Fremden. Stefan Hippler schickt uns seine Eindrücke und welche Konsequenzen er sieht:

Dresden im November 2015 – es hallt durch die Straßen und Plätze - dumpfer, immer wieder aufschwellender Lärm – Sprechchöre – Applaus und die sich manchmal kaskadenartig steigernde Stimme eines Sprechers.

Ein Deutscher, sonst in Südafrika in der Aidshilfe engagiert, stößt bei einem Besuch auf eine Demonstration gegen die Fremden. Stefan Hippler schickt uns seine Eindrücke und welche Konsequenzen er sieht:

Dresden im November 2015 – es hallt durch die Straßen und Plätze - dumpfer, immer wieder aufschwellender Lärm – Sprechchöre – Applaus und die sich manchmal kaskadenartig steigernde Stimme eines Sprechers.

Es ist unerträglich, was das zu hören und zu sehen ist und es ist erstaunlich, dass alle diejenigen, die das christliche Abendland heraufbeschwören, das sie bedroht sehen, keine Minute zögern, jede Christlichkeit, die sich ja gerade in der Ungewissheit auch bewährt, die sich auch gerade bei Prüfungen als Gottvertrauen bewährt, über Bord zu werfen.

Es gibt noch mehr was mich fasziniert: die Flüchtlingszahlen sind im Verhältnis zu denen auf dem afrikanischen Kontinent verschwindend gering. Südafrika hat alleine an Menschen aus Zimbabwe mehr als Deutschland bis jetzt aufgenommen hat. Jordanien, Libanon – die Zahlen sprechen Bände was möglich ist.

Flüchtlinge: Rückwirkung des Waffenexports und des Kolonialismus

Was mich bei all dem am meisten verblüfft und überrascht, ist die Tatsache, dass die Menschen hier in Deutschland überrascht sind. Waren denn alle so blind und taub und glauben wirklich, dass im „global village“ man gutes Geld an Waffen verdienen kann, um Kriege und Bürgerkriege am Laufen zu halten und diejenigen, die dort leider Gottes leben, bleiben schön geduckt in der Ecke sitzen?

Hat denn keiner sich Gedanken darüber gemacht, dass wenn das Geld selbst in einem jordanischen und libanesischen Flüchtlingscamp nicht mehr zu Leben reicht, dass es zu einer menschlichen Verzweiflung kommt, die nur noch den Weg raus aus der Hölle kennt. Besser auf dem Weg in eine bessere Zukunft verrecken, als direkt aufzugeben. Oder kann einer behaupten, die Flüchtlinge kämen alle nur aus Spaß an der Freud? Wieviel Leid und Trauma und Druck und Elend muss kommen, damit man sich aufmacht in ein fernes Land, wo man zumeist noch nicht mal willkommen ist. Europa hat Afrika aufgeteilt und ausgebeutet – jahrelang davon profitiert bis heute – und nun ist “payback time“. Aber da könnte ja jeder kommen, der sich ausgebeutet fühlt. Richtig, die Gefahr besteht und darum gilt es natürlich und selbstverständlich, dafür zu sorgen, dass die Menschen, dort wo sie sich zu Hause fühlen, wo sie in ihrer Kultur und Sprache leben können, es dort mit Anstand und Würde auch tun können.

Europäische Werte nur für Europäer

Eine Würde, die wir als Europäer als eines der höchsten Güter verstehen und die die Grundlage des vereinten Europas ist. Eine Würde, die wir jetzt denen zukommen lassen müssen, die hier sind, und die wir denen zukommen lassen müssen, die keine Chance haben zu kommen. Eine Würde, die Hilfe zur Selbsthilfe ist und nicht aus Waffenlieferungen, Ausbeutung und Abschottung besteht.

Deutschland kann auf die Flüchtlinge gar nicht verzichten

 

Ich glaube fest daran, das die Bundeskanzlerin momentan wirklich nicht nur ihren christlichen Grundwerten folgt, sondern Realpolitik betreibt und wer sich mit denen unterhält, die in Deutschland für die Industrie verantwortlich sind, weiß, dass der Flüchtlingsstrom eigentlich ein Segen für Deutschland und Europa sein kann und sein wird, wenn anstatt alle Energie in Abwehr diese in Integration und Hilfe vor Ort investiert wird. Von der Alterspyramide und der gesellschaftlichen Relevanz ganz zu schweigen.

Zugegeben: die Politik war nicht vorbereitet, noch der Zivilgesellschaft, da gab es und gibt es Versäumnisse. Über die Wahlperiode hinauszudenken, ist vielen Politikern abhanden gekommen, in großen Zusammenhängen zu denken, ebenfalls. Und Deutschland war immer schon auf dem rechten Auge blind – viele, gerade auch in Ostdeutschland, haben massive Defizite, was ihr Politik- und Demokratie- und Geschichtsverständnis angeht. Aber denen dürfen wir jetzt nicht die Bühne überlassen – wehret den Anfängen.

Weitblick oder zurück in den Nationalstaat

Deutschland und Europa müssen sich letztendlich die Frage stellen, ob sie mit ihrem christlichen Hintergrund und den darauf fußenden Werten gemeinsam ein neues Kapitel in der Geschichte dieser Welt spielen wollen, oder ob sich das Karussell egoistischer Nationalstaaten wieder anfängt zu drehen und damit Europa zumindest für die kommenden Jahre weltgeschichtlich in der politischen und gestalterischen Bedeutungslosigkeit versinken wird.

Es geht um mehr als nur Flüchtlinge – es geht um das Selbstverständnis und die Frage, ob wir aus der Geschichte gelernt haben.

Deutschland November 2015 – für jemand, der aus Südafrika nach Deutschland kommt, ist es beängstigend zu sehen, was sich hier abspielt. Und nicht nur beängstigend, sondern auch erstaunlich, wie schnell ein Land und seine Menschen die dünne Lackschicht des christlichen Abendlandes verliert, sobald es von der Realität dieser Welt eingeholt wird. Mehr Mut und mehr Gelassenheit würden nun so manchem gut stehen. Und dazu gehört es, erst gar nicht mit Zäunen oder Transitzonen anzufangen... Budenzauber der Politik und unnötige Zeit- und Energieverschwendung...



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