Kanzleramt, Foto: explizit.net

Der versäumte Wahlkampf

Ein Kommentar zur Bundestagswahl 2017. Ein matter Wahlkampf hat seinen Preis. Für ein Weiter-So braucht man den Aufwand der Wahlen eigentlich nicht. Ist vielleicht auch deshalb die AfD so stark geworden, weil sie zumindest rhetorisch eine Alternative bietet. Aber es war auch bei ihr nur Rückblick. Den Bürgern wurden die Zukunftsthemen vorenthalten.

Wahlkampf heißt in der Regel: Die Regierung weitermachen lassen oder eine neue an die Arbeit schicken. Aber wenn alle Parteien konservativ sind, wenn sie nicht die Bürger mit etwas konfrontieren, wofür sie eine Lösung haben, dann müsste der Bürger eigentlich nicht den Gang zum Wahllokal antreten. Es sind noch erstaunlich Viele wählen gegangen. Sind die auf die Entscheidungen vorbereitet, für die sie den Parteien ihre Stimme gegeben haben? Keine der Parteien hat mit den Wählen wirklich über die Zukunft diskutiert. Zumindest geht es um folgende Herausforderungen

- Der digitale Wandel verändert unsere Kultur nicht nur zum Guten
- Die Zuwanderer stellen eine schwache nationale Identität in Frage
- Europa muss sich neue aufstellen
- Deutschland braucht eine Außenpolitik, die uns nicht zu einem Anhängsel der USA macht

Das sind alles keine Wirtschaftsthemen, es geht um eine kulturell-humanitäre Initiative. Wer erwartet die von den Parlamentsneulingen in den Reihen der AFD oder der FDP?

Die digitale Kultur verursacht hohe kulturelle Kosten

Wir werden, um auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu bleiben, in den digitalen Wandel gepeitscht. Fast jeder Arbeitsplatz, auch die private Küche, ist zumindest über Sensoren mit einem Computer verbunden. Je mehr im Internet, desto mehr Daten gibt der Nutzer preis. Diese Daten sind frei zugänglich. Die meisten finden das erträglich, die Vorteile von ständiger Erreichbarkeit, von WhatsApp und Mail werden nicht gegen die zunehmende Überwachung abgewogen. Es ist wie mit der Atomenergie in den fünfziger Jahren. Da wurden paradiesesähnliche technische Welten versprochen. Es hat gerade einmal 50 Jahre gedauert, bis die Atomreaktoren abgeschaltet werden. Wenn es ein Tschernobyl und Fukushima des digitalen Systems gibt, was ist dann mit der Digitalisierung aller Lebensbereiche? Und was wird aus den Kriegen, wenn sie mit Drohnen, ferngesteuerten Drohnen und Panzern geführt werden?

Der rückwärtsgewandte Islam 

Die Flüchtlingsströme kommen zum größeren Teil aus islamischen Ländern, Syrien, Afghanistan, Irak, der Jemen, Somalia. Nur noch der neue Südsudan gehört zu den Verursachern großer flüchtlingsströme, um die sich vor allem Kenia kümmert. Diese Menschen können sich in einer westlichen Zivilisation mit dem Anspruch, die volle Verantwortung für das Gelingen der eigenen Biografie wie der eigenen Familie zu übernehmen, kaum einfinden. Sie erhalten zwar materielle Hilfe, aber Orientierung eher von ihren Predigern. Was tut die in sich labil gewordene Gesellschaft tatsächlich für die Integration? Die bisherigen Hilfen reichen nicht aus. Das zeigen die nicht wenigen Muslime der zweiten und dritten Generation, die sich einem radikalen Islam verschrieben haben.

Europa ist zu einer reinen Wirtschaftsunion degradiert. 

Die Ursprünge sind vergessen, nämlich aus den Weltkriegen zu lernen und sich auf die drei Wurzeln zu besinnen, auf die griechische Philosophie, das römische Rechtsdenken und den christlich geprägte Menschenbild. Es ist die Fixierung auf die Wirtschaftsfragen, die Europa stranguliert. Nicht die Wirtschaftspolitik wird Europa einen, sondern die Besinnung auf die Kultur, zu der der Rechtsstaat, die Gewaltenteilung, die Kunst, die Bildung wie die Religion gehören. Gab es im Wahlkampf diese Themen? Die EZB kann so viele Anleihen kränkelnder Staaten kaufen, die Kraft, eine Nation aus der Stagnation zu führen, gelingt nicht durch die Öffnung der Geldschleusen.

Eine eigene Außenpolitik

Der jetzige Präsident der USA macht es endlich den Europäern deutlich, dass sie sich um den Nahen Osten und Afrika selber kümmern müssen. Das gute Image seines Vorgängers hat den Blick dafür verstellt, dass die USA nicht Syrien genauso wie im Irak nur eine militärische Option hatten. Sie sind zwar nicht selbst in den Krieg gezogen, sondern haben die Aufständischen mit Waffen und Geld ausgestattet, um Assad zu stürzen. Es gab aber nicht die geringste Vorstellung geschwiege denn eine Vorstellung, wie Syrien nach dem Bürgerkrieg wieder zu einem handlungsfähigen Staat werden könnte, wo die Verkehrswege offen sind, die Krankenhäuser und Schulen ihre Dienste leisten können und vielleicht sogar wieder Touristen ins Land kommen. Deutschland hat allenfalls eine Europapolitik, aber ist außenpolitisch ein Anhängsel der USA. Wer sich näher mit der Beziehung USA – Russland beschäftigt, wird man das amerikanische Konto mit der größeren Hypothek belasten müssen. Sicher wird diese Feststellung auf Widerspruch stoßen, weil die Berichterstattung Putin als den Allein-Schuldigen hinstellt. Der Autor hat diese Einschätzung von einem amerikanischen Priester bekommen, der seit 1993 in Russland seelsorglich tätig ist. Er sagt, dass die Raketenstationierung in Polen von Putin so verstanden werden musste, dass diese nicht auf Persien, sondern auf Russland gerichtet sind. Eine kluge Außenpolitik musste auch vorbeugend tätig werden, als der Dissens zwischen der Ukraine und Russland sich zuspitzte. Denn Russland kann seine südliche Flotte nicht in einem Land belassen, das sich gegen die russische Föderation stellt. Das alles rechtfertigt nicht die Annexion der Krim und den Krieg im Donbas, es zeugt nur davon, dass das deutsche Außenministerium geschlafen hat.

Nur konservative Parteien

Die Ausklammerung der Zukunft ist bei den Parteien, die gewählt wurden, durchgehend. Die CDU ist mit ihrer Industrie- Gesundheits- und auch Bildungspolitik gar nicht so konservativ. Die SPD hatte kein neues Thema, die AfD ist sowie rückwärtsgewandt, die Linke ist nur links, die Grünen verharren auf den Positionen der Schröderregierung. Die FDP hat sowieso kein Zukunftspotential. Bildung, das gilt auch für die SPD, ist erst mal Ländersache. 

Sicher werden noch weitere Herausforderungen von der neuen Regierung zu meistern sein. Mehr Geld und mehr Polizei dürften nicht ausreichen. Es muss der Schwerpunkt von der Wirtschaft wieder auf das umfassendere System zurückverlegt werden. Kultur und nicht Wirtschaft machen erst eine Gesellschaft zu einer Demokratie und einen Staat zum Rechtsstaat. Es ist zu hoffen, dass die Christen sich aus ihrer kirchlichen Innenperspektive lösen und ihr Potential wieder in die Gesellschaft einbringen.

Ein Kommentar von Eckhard Bieger SJ

Links

Zweidrittel der Bevölkerung sind nicht der Meinung, dass im Wahlkampf die wichtigen Themen angesprochen wurden, so der Berliner Tagesspiegel

Beziehungen Russland-USA auf einem Tiefpunkt 

Russland - von der Nato eingekreist

 

 


Kategorie: Politik

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