Adoption, so hört man, sei christlich. Man nimmt ein fremdes Kind auf, gewährt ihm eine Gnade, sorgt für ein besseres Leben. Richtig? Es gibt christliche Adoption. Aber das setzt ein Kriterium voraus: Man nimmt ein Kind um Christi willen auf. Alle anderen Gründe sind falsch: weil man selbst keine Kinder hat; weil es ein gutes Werk ist; weil man dann für großherzig gehalten wird. Man hat dann ein Kind aufgenommen, aber nicht Christus. Nur wer ein Kind um Christi willen aufnimmt, nimmt Christus auf und damit den Vater. Nur dann ist Adoption christlich. In allen anderen Fällen ist es eine Form von Eigensinn, von Stolz, von Ehrsucht, von Selbstverwirklichung.
Aber es bleibt doch ein gutes Werk oder? In den Augen der Menschen ohne Frage. So wie in den Augen der Jünger es okay ist, über die Ehrenplätze im Reich Christi zu schachern. Nach oben zu kommen, ist doch auch ein gutes Werk. Die Antwort ist Nein. Adoption ist nicht per se gut. Niemand hat ein Recht, Vater oder Mutter eines Kindes zu sein. Vaterschaft und Mutterschaft sind Gnaden aus der Hand Gottes. Man kann sich nicht selbst zum Vater oder zur Mutter machen. Wer das tut, der meint, er sei Herr über die Gnade. Es ist reine Selbstüberhöhung, ein Recht auf ein Kind zu behaupten. Das Existenzrecht des Kindes wäre dann eine Folge der Selbstliebe der Eltern. Das Kind wäre nicht Produkt echter Liebe, sondern des Eigensinnes. Das Kind wäre kein Geschenk, sondern ein Raub. Man hätte es sich genommen. Adoption ist oft eine Variante davon.
Die Unterscheidung zwischen christlicher Adoption und falscher Adoption ist zugleich der Scheideweg zwischen Zeitgeist und dem Heiligen Geist. Der Zeitgeist gibt vor, ein Werk sei gut, obwohl es in Wahrheit eine Frucht eines fehlgeleiteten Herzens ist. Ein Werk im Heiligen Geist ist Frucht eines goldenen Herzens und daher wirklich gut. Jesus lehrt seine Jünger diese Unterscheidung und sie zieht sich durch die gesamte Existenz des Menschen. Die Lehre Jesu entlarvt das falsche Herz. Denn: «Wer der Erste sein will, der soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.»
Jesus kehrt die Hierarchie um. Sie baut sich paradoxerweise nicht von oben auf, sondern von unten. Der Weg Jesu ist kein Weg auf der Karriereleiter nach oben, sondern eine Karriere nach unten. Herrschaft heißt Dienst. Je höher jemand hinaus will, desto tiefer muss er hinab. In einer üblichen Karriere hat der Leiter lauter Untergebene. Sie hören auf seine Anweisungen, sie dienen seiner Anweisung. Doch wer Leiter aus selbstsüchtigen Gründen sein will, der ist bei Christus fehl am Platz. Dann ginge es um Ehrsucht, um Herrschsucht. Das ist die falsche Leiterschaft. Man hat sie sich genommen, indem man sich hochgearbeitet hat. Sie ist keine Folge der Gnade. Die Leiterschaft nach dem Herzen Jesu ist eine Leiterschaft nach unten. Der Leiter dient seinen Dienern. Er ist der erste Diener aller. Er kommt nicht später und geht nicht eher, sondern er ist der erste morgens und der letzte abends. Wenn Arbeit über bleibt, dann delegiert er sie nicht, sondern nimmt sie anderen ab.
Oft werden Hierarchien wie eine Pyramide beschrieben. Der Leiter steht an der Spitze. Das ist bei Jesus auch so. Nur die Pyramide steht Kopf. Der Leiter ist nicht der Schlussstein, der auf den anderen Steinen ruht, sondern die anderen sind Steine, die auf dem Leiter ruhen. Das ist eine wahrhaft christliche Hierarchie.
Die menschlichen Werke, was man so landläufig unter Nächstenliebe versteht, hat meist nicht einmal im Ansatz etwas damit zu tun, was die Werke Christi sind. Der Mensch will in seiner Größe bleiben. Es ist der Reiche, der dem Armen hilft. Spenden sind Synonyme für: das, was am Ende des Jahres überflüssig ist und mir nicht weh tut, wenn es fehlt. Barmherzigkeit nach Menschenart heißt, dem Armen helfen, aber sich selbst nicht verändern. Man gibt etwas von sich, aber man lässt den Armen nicht an sich heran. Man bleibt die Person, die man schon vorher war. Man bleibt ein reicher Europäer. Was Christus sagt, ist deutlich mehr. Er ist der König, der von seinem Thron herabgestiegen und ein Armer geworden ist, um mit dem Armen zu tauschen. Auf dass der Arme ein König werde. Er hat sich eingetauscht, wie Maximilian Maria Kolbe sein Leben eintauschte. Barmherzigkeit im Sinne Jesu beginnt dort, wo ich meinen Status verliere, damit ein Armer einen neuen Status erhält. Nur wenn der Erste sich zum Letzten macht, ist er ein Nachfolger Jesu.
Die Identität Jesu ist nicht nur der Messias. Seine Identität ist der Arme. Gott hat seine Königskrone gegen eine Dornenkrone eingetauscht, seine Gewänder gegen einen Spottmantel, seinen Thron gegen das Holz des Kreuzes. Der Höchste ist der Niedrigste geworden. Das ist die Kehrseite des Messias. Und das ist die Identität der Jünger. Sie wollen die Königskrone, die Prachtgewänder und den Thron. Doch nur wer den Weg nach unten geht, die Karriere nach unten anstrebt und wie Christus klein und gering wird, der ist im Reiche Christi wirklich groß. Christus ist wirklich der vollendete Mensch geworden: Weil er der letzte von allen geworden ist.
Die Jünger auf dem Weg nach Kafarnaum hatten alle ihre kleinen Kronen auf. Auch wir haben unsere kleinen Kronen auf. Sind wir bereit sie loszulassen? Sind wir bereit sie einzutauschen, damit ein anderer erhöht wird? Sind wir bereit, unser kleines Königtum gegen das Reich eines Bettlers auszutauschen? Erst dann sind wir barmherzig, Nachfolger Jesu und wert, Christen genannt zu werden. Alles andere heißt: schachern um die Ehrenplätze im Reiche Jesu.
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