(explizit.net) Mit Johannes Paul II und Johannes XXIII. wurden zwei weitere Päpste heilig gesprochen. Die Selig- und Heiligsprechung von Päpsten ist aber in der Kirchengeschichte lange Zeit die Ausnahme gewesen. Umso verwunderlicher ist der Boom von Selig- und Heiligsprechungsverfahren seit dem vergangenen Jahrhundert.
Zwar ist die Liste heiliger Päpste lang. Doch handelt es bei den meisten von ihnen um Päpste der ersten christlichen Jahrhunderte, deren Verehrung bis in die Antike und das frühe Mittelalter zurückreicht. Ab dem 4. Jahrhundert nimmt die Zahl heiliger Päpste stark ab und ab dem 8. Jahrhundert sind sie die Ausnahme. Manche Jahrhunderte haben sogar keinen einzigen Papst hervorgebracht, der später zur Ehre der Altäre erhoben wurde. In der ersten Hälfe des 2. Jahrtausends gibt es lediglich 10 selige oder heilige Päpste. Und zwischen 1500 und 1846 gab es sogar nur einen Papst, der heilig gesprochen wurde, Pius V. Innozenz XI. ist lediglich selig und auch erst seit 1956.
Seit Pius IX. gibt es viele selige und heilige Päpste
Umso mehr fällt auf, wie schnell die Zahl von Päpste, für die zumindest ein Seligsprechungsverfahren eingeleitet wurde, seitdem gestiegen ist. Die Reihe beginnt mit Pius IX. Papst 1846 – 1878, der als selig verehrt wird und seinem zweiten Nachfolger, dem Hl. Pius X. Für dessen dritten Nachfolger, Pius XII., läuft aktuell ein Seligsprechungsverfahren, ebenso wie für Papst Paul VI. und Johannes Paul I. Beide werden eingerahmt durch die Johannes XXIII. und Johannes Paul II, nunmehr heilig.
Boom seit dem Konzil
Interessant ist dabei auch, wann die Verfahren eröffnet wurden bzw. wann die die Selig- oder Heiligsprechung erfolgt ist. Die Kanonisierung von Pius X. erfolgte in den 50er Jahren, also ca. 40 Jahre nach seinem Tod. Sowohl Pius IX. als auch Johannes XXIII. wurden 2000 selig gesprochen. Die Heiligsprechung von Johannes Paul II., nicht einmal 10 Jahre nach seinem Tod, war mit Abstand die schnellste Heiligsprechung der neueren Kirchengeschichte. Für Pius XII. läuft das Seligsprechungsverfahren seit 1965, für Paul VI. seit 1993 und für Johannes Paul I. Seit 2003.
Für Päpste werden Ausnahmen gemacht
In diesem Kontext fällt nicht nur der Umstand auf, wie viele Päpste zur Ehre der Altäre erhoben wurden, sondern auch, wie das geschah. Seit der frühen Neuzeit hat die Kirche ein komplexes Verfahren entwickelt, mit der die Qualität der Heiligen sichergestellt werden soll. Zu diesem Verfahren gehört, dass für eine Seligsprechung ein Wunder bestätigt werden muss, für eine Heiligsprechung ein weiteres, die Person muss eine tadellose Lebensführung und einen heroischen Tugendgrad vorweisen können. Außerdem sind Fristen festgelegt, wann ein Verfahren eingeleitet werden kann. Diese Bestimmungen wurden bei den letzten Kanonisierungen teilweise aufgehoben. Für den Beginn des Seligsprechungsverfahrens von Johannes Paul II. hob Benedikt XVI. die Fristen auf. Die Heiligsprechung von Johannes XXIII. wurde von Papst Franziskus verfügt, obwohl das eigentlich obligatorische Wunder nicht vorliegt.
Heiligsprechungen zeigen starke Stellung des Papsttums
Die historische Rückschau zeigt, dass heilige Päpste in der Kirchengeschichte eher die Ausnahme sind. Daher fallen die Inflation sowohl der Prozesse wie der Kanonisierungen auf. Das weist auf zwei Entwicklungen hin. Die stärkere Stellung des Papsttums und die Bedeutung des persönlichen Charismas. Mit Pius IX., dem chronologisch ersten seligen Papst nach Jahrhunderten, beginnt das eigentliche päpstliche Zeitalter der katholischen Kirche. In seiner Zeit wird Weltkirche zunehmend auf die Gestalt des Papstes ausgerichtet und mit dem Ultramontanismus entsteht eine Bewegung, die dem Papst erst jene faktische Macht zubilligt, die er lange gegen innerkirchliche Widerstände nur beanspruchen konnte.
Unterstreichung des persönlichen Charismas
Im Katholizismus ist der Papst das Gesicht der Kirche und hat damit eine starke Vorbildwirkung. Der Papst soll dabei nicht nur ein guter Verwalter sein, ein kluger Theologe und weit denkender Staatsmann, sondern er soll seinen Katholiken vor allem moralisch-spirituell vorangehen. Diesen Wunsch findet man zu allen Zeiten. Er ist aber seit Pius IX. und besonders seit dem 2. Vatikanischen Konzil besonders wichtig geworden. Dadurch tritt die Dimension des Amtscharismas verstärkt hinter das persönliche Charisma zurück. Dieses persönliche Charisma zieht die Menschen an und seine persönliche moralische Vorbildwirkung überformt aus Sicht vieler Katholiken seine Amtsautorität. Um dieses Charisma und diese Vorbildwirkung nachträglich zu bestätigen, häufen sich seit dem letzten Jahrhundert die Selig- und Heiligsprechungen und zeigen damit eine besondere Ausprägung des monarchischen Papsttums.
<emphasize>Maximilian Röll</emphasize>
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