Eine Betrachtung zum Karfreitag über die Demut, wie sie an Jesus abgelesen werden kann
(explizit.net) Am Gründonnerstagabend gibt es vielerorts Ölbergstunden als Vorbereitung auf das Leiden und Sterben Jesu am Karfreitag. Wie ist das Gebet Jesu am Ölberg zu verstehen: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst“ (Mk 26,39)? Mit Blick auf die Geistlichen Übungen des Ignatius von Loyola, die sogenannten Exerzitien, bin ich der Frage nachgegangen, inwiefern ein Leben in der Nachfolge Christi zwischen Lebensbejahung und Selbstliebe und der Bereitschaft, das Kreuz auf sich zu nehmen, also einer Todesbereitschaft besteht.
Exerzitien – auch dem Schwierigen nicht aus dem Weg gehen
Zentrales Moment der Exerzitien ist die persönliche Christusbeziehung. Mittelpunkt und Ziel dieser Übungen ist die Nachfolge Christi sowie die Gleichförmigkeit mit und die personale Nähe zu Christus. Der Wunsch, Christus nachzufolgen, beinhaltet im Sinne der Exerzitien die Bereitschaft, mit ihm sein Kreuz auf sich zu nehmen. Um die Bereitschaft zu erlangen, den Willen Gottes zu tun, soll der Übende sich indifferent machen, d.h. er soll Reichtum nicht mehr als Armut, Gesundheit nicht mehr als Krankheit, Ehren nicht mehr als Schmähungen, langes Leben nicht mehr als kurzes wollen. Seine einzige Vorliebe soll die größere Ehre Gottes sein. Dazu soll er sich innerlich so frei von den Dingen machen und bereit halten, dass er, wenn es der Wille Gottes ist, auch – womöglich zunächst lebensverneinend scheinende – Qualen, Mühen, Schmähungen auf sich zu nehmen bereit ist. Diese Bereitschaft nennt Ignatius „Indifferenz“ – der Mensch steht wie in der Mitte einer Waage, hat keine Vorliebe für die eine oder andere Seite, sondern lässt sich nur vom Willen Gottes führen. Betrachtet man Jesu Leben, Leiden und Sterben, stellt sich die Frage, ob man in ihm ein Vorbild für bis zum Tod gelebte
<emphasize>Indifferenz</emphasize>
sehen kann. Am Beispiel von Jesu Gebet zum Vater in der Ölbergszene kann man das sehen. Auf dem Ölberg betete Jesus zum Vater: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst“ (Mt 26,39ff.). Jesus ist zwar bereit, das Kreuz als sein Schicksal anzunehmen, jedoch bittet er seinen Vater darum, dieses Leiden nicht auf sich nehmen zu müssen.
Wie Jesus sich disponiert hat
Hat Jesus sich in diesem Moment also indifferent gemacht, um sein Leben hinzugeben für die Menschen, am Kreuz zu sterben, um die Menschheit zu erlösen, und dadurch einzig und allein den Willen seines Vaters zu tun? Demut und Indifferenz bestehen in diesem Gleichklang (In-Differenz = Nicht-Unterschiedenheit) mit dem Willen Gottes. In den Synoptischen Evangelien wird die Sendung Jesu als Erfüllung der göttlichen Prophezeiung angesehen, „den Armen eine gute Nachricht“ (Lk 4,18, vgl. Jes 61,1) zu bringen. Jesus sagt von sich selbst, er sei „von Herzen demütig (Mt 11,29). Er ruft dazu auf, sein Joch auf sich zu nehmen und von ihm zu lernen: „So werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht und meine Last ist leicht“ (Mt 11,29). Das Verhalten eines Lehrers oder Vorbildes nachzuahmen, ist eine Möglichkeit, etwas von dieser Person zu lernen. Ist es aber möglich, sofern Demut sich in bestimmten Verhaltensweisen äußert, diese nachzuahmen?
Demut: Die Bereitschaft, sich demütigen zu lassen
Demütig werde ich nicht, indem ich mir vornehme, demütig zu werden und anstrebe, ein solches demütiges Verhalten an den Tag zu legen, sondern, indem ich gedemütigt werde. Ich kann mir aber auch nicht einfach vornehmen, gedemütigt zu werden. Dazu müsste ich jemanden bitten oder dazu provozieren, mich zu demütigen. Eine solche Bitte oder Provokation ist aber nicht legitim, denn ich führte denjenigen, der mich demütigt, in die Versuchung, sich mittels der Demütigung an mir zu versündigen. Betrachtet man Jesu Verhalten am Kreuz, der ultimativen Demütigung, so löst Jesus dieses Dilemma: „Jesus aber betete: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lk 23,34). Jesus wollte also nicht, dass jemand um seiner Demütigung willen eine Sünde begehe. Ignatius stellt in den Exerzitien daher eine Bedingung auf: Bei aller Vorliebe für die Armut mit ihren konkreten Auswirkungen und besonders für die Demut und Verdemütigungen verschiedenster Arten und Grade, für Unrecht, das uns getan, und für Verachtung oder Schmähungen, denen wir ausgesetzt werden und um die wir auch beten sollen:
<emphasize>„Wenn ich diese Dinge ertragen kann, ohne dass deswegen irgendein Mensch eine Sünde tut und ohne Missfallen seiner göttlichen Majestät“ </emphasize>
(Exerzitienbuch Nr. 147).
Der Kreuzestod Jesu
Es scheint offensichtlich, dass Jesus auch seinen Kreuzestod nicht wollte, sich jedoch dem Willen seines Vaters unterordnete: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst“ (Mt 26,39 parr.). In dieser Unterordnung seines eigenen Willens unter den des Vaters besteht also die Demut Jesu. Jesus wollte nicht am Kreuz sterben, er wollte nicht ultimativ gedemütigt werden. Als die Mutter der Söhne des Zebedäus Jesus bittet, ihre beiden Söhne mögen in „deinem Reich rechts und links neben dir sitzen dürfen“ (Mt 20,20; vgl. Mk 10,35), spricht daraus zwar einerseits der Wunsch, ihre Söhne mögen Jesus nahe sein. Ihre Bitte schließt aber auch, was sie offenbar noch nicht ahnt, die Demut und Demütigung Jesu ein. Deshalb erwidert Jesus ihr und ihren Söhnen: „Ihr wisst nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?“ (Mt 20,22; vgl. Mk 10,38). Die Demütigung, den bitteren Kelch mit Jesus zu trinken, kann man nicht anstreben, denn „den Platz zu meiner Rechten und zu meiner Linken habe nicht ich zu vergeben; dort werden die sitzen, für die mein Vater diese Plätze bestimmt hat“ (Mk 10,40 parr.).
Es wird also wiederum deutlich, dass der Wille des Vaters, die Erwählung durch den Vater, entscheidend ist. Die Plätze links und rechts neben Jesus am Kreuz werden schließlich von zwei Männern belegt, die diese Art der Demütigung weder angestrebt noch erbeten haben. Es sind zwei Verbrecher, von denen einer sogar einsieht, dass die Demütigung durch seinen Tod am Kreuz für ihn die gerechte Strafe für seine Verbrechen sei: „Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan.“ (Lk 23,41). Aus dieser Einsicht spricht offenbar die Demut, die Jesus meint. Jesus verspricht ihm daraufhin einen ganz anderen Lohn für seine Taten, nämlich die Nähe zu ihm, dem auferstandenen Christus, beim Vater: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43).
Es könnte nun der Eindruck entstehen, man könne willentlich und absichtsvoll diesen Platz bei Christus anstreben, indem man beispielsweise ein Verbrechen begehe, und durch die darauf folgende gerechte Strafe auf solche Weise gedemütigt werde, dass man Christus in der Demütigung nahekomme, was dann letztlich zu einem Platz bei ihm im Paradies führe. Ist diese aber die Logik Jesu und des Kreuzes? Der Verdacht, dass jemand sich absichtsvoll selbst erniedrigt, um dadurch erhöht zu werden, lässt sich nur schwerlich ausräumen (vgl. Mt 23,12 parr.). Könnte bei einem solchen Verhalten von echter, ernstzunehmender Demut die Rede sein? Jesus sagt an anderer Stelle: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Mt 16,24).
Es geht hier um Jüngerschaft und um Nachfolge. Um Jesu Jünger zu werden, soll man „sein Kreuz“ auf sich nehmen und ihm nachfolgen. Hier wird ein weiterer Aspekt deutlich.
Es gibt nur das individuelle Kreuz, das dem einzelnen aufgeben ist
In der Nachfolge Christi geht es nicht um irgendein Kreuz, sondern um ein ganz konkretes. Derjenige, der Jesus nachfolgen will, soll „
<emphasize>sein</emphasize>
Kreuz“ auf sich nehmen. Die Demütigungen, denen man sich aussetzt oder die man erträgt, sind folglich nicht etwas, das man sich willkürlich, gleichsam von außen her suchen soll oder gar muss. Es sind die eigenen Schwierigkeiten, persönlichen Schwächen oder Unzulänglichkeiten, die sowieso schon vorhanden sind. Unter dieser Rücksicht besteht die Demut desjenigen, der Christus nachfolgt, offenbar darin, seine eigenen Schwächen als Teil seiner Person tatsächlich als solche anzunehmen und sie nicht zu verleugnen.
<emphasize>Matthias Alexander Schmidt</emphasize>
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