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Credo in Paderborn

(explizit.net) Unbedingt ansehen: Wie Westeuropa christlich wurde

Wenn Mosaike, Gemmen, Kreuze, Elfenbeinschnitzereien, Codices, Urkunden und Skulpturen mit erklärenden Texten zu einer Ausstellung komponiert werden, kann man sich tatsächlich eine Vorstellung davon machen, wie es zur Christianisierung Europas kam, bis hin nach Irland und Island und zum Endpunkt, der Taufe des Litauerfürsten Mindaugas 1251.

Die Ausstellung zeigt die Christianisierung nicht als einfachen Siegeszug, sondern zumindest als ein mühevolles Ringen, verwoben mit Herrschaftsinteressen und Expansionsplänen, erst der Franken, dann der Sachsen, die zu einer durch Waffen gestützte Missionierung führten. Noch mehr wurde die Christianisierung genutzt, um Stämme botmäßig zu machen. So war es weder in Bezug auf die Sachsen bei Karl der Großen noch bei den Elbslawen bei dem dann sächsischen Herrscherhaus die primäre Absicht, diese im Sinne ihres Seelenheiles zu zum Glauben zu führen, sind sie von bewaffneten Auseinandersetzungen abzuhalten, indem man sie in die gemeinsame christliche Kultur integrierte. Die Ausstellung zeigt auch, dass Vorstellungen aus den Herkunftsreligionen noch lange wirksam bleiben und zugleich in die christliche Ikonographie integriert wurden. Einen solchen Überblick mit 700 Exponaten bekommt man nicht so schnell wieder geboten.

(explizit.net) Unbedingt ansehen: Wie Westeuropa christlich wurde

Wenn Mosaike, Gemmen, Kreuze, Elfenbeinschnitzereien, Codices, Urkunden und Skulpturen mit erklärenden Texten zu einer Ausstellung komponiert werden, kann man sich tatsächlich eine Vorstellung davon machen, wie es zur Christianisierung Europas kam, bis hin nach Irland und Island und zum Endpunkt, der Taufe des Litauerfürsten Mindaugas 1251.

Die Ausstellung zeigt die Christianisierung nicht als einfachen Siegeszug, sondern zumindest als ein mühevolles Ringen, verwoben mit Herrschaftsinteressen und Expansionsplänen, erst der Franken, dann der Sachsen, die zu einer durch Waffen gestützte Missionierung führten. Noch mehr wurde die Christianisierung genutzt, um Stämme botmäßig zu machen. So war es weder in Bezug auf die Sachsen bei Karl der Großen noch bei den Elbslawen bei dem dann sächsischen Herrscherhaus die primäre Absicht, diese im Sinne ihres Seelenheiles zu zum Glauben zu führen, sind sie von bewaffneten Auseinandersetzungen abzuhalten, indem man sie in die gemeinsame christliche Kultur integrierte. Die Ausstellung zeigt auch, dass Vorstellungen aus den Herkunftsreligionen noch lange wirksam bleiben und zugleich in die christliche Ikonographie integriert wurden. Einen solchen Überblick mit 700 Exponaten bekommt man nicht so schnell wieder geboten.

Die Ausstellung braucht Zeit

Man sollte sich für die Ausstellung Zeit lassen, mindestens 4 Stunden, besser 6 mit einer Pause nach dem ersten, dem dichtesten Programm im Diözesanmuseum neben dem Paderborner Dom. Das Programm dort beginnt bei Rom und endet mit Skandinavien. Es ist etwa gleich umfangreich wie die beiden anderen Ausstellungsorte, die nahe beieinander liegen. In einem wiederhergestellten weitläufigen Raum der alten Kaiserpfalz geht es um die Bekehrung der Sachsen, der Slawen, den Deutsch-Ordens-Staat bis zum Baltikum.

Der dritte Teil im städtischen Museum sollte man nicht auslassen. Hier wird an den Gestalten von Karl der Großen, seinem Gegenspieler Widukind, Bonifatius u.a. gezeigt, wie unterschiedlich diese zu Zeiten der Reformation, in den Befreiungskriegen und im preußischen Kaiserreich gesehen wurde, bis hin zum Nationalsozialismus, der sich Widukind als Protagonisten des Germanentums auswählte. In einem letzten Abschnitt wird die Europaidee des Grafen Coudenhove-Kalergi dargestellt, der den 1. Weltkrieg bereits als Bruderkrieg der europäischen Völker sah und 1924 die Paneuropa-Union gründete. Er Wollte Europa auf der Basis seiner christlichen Wurzeln zusammenführen. Der Karlspreis in Aachen gilt diesem Anliegen, Coudenhove-Kalergi war der erste Preisträger.

Einige Hinweise, um das Programm zu bewältigen:

Jeder geschichtliche Abschnitt wird durch große Schrifttafeln eingeleitet. Neben jedem Exponat findet sich eine kleinere Schrifttafel mit guten Erklärungen. Trotzdem sollte man sich den akustischen Führer gönnen, denn dieser stellt die historischen Zusammenhänge heraus. Das gelingt dem Textteil des umfangreichen Kataloges nicht besonders. Dieser verliert in viel zu viele Einzelheiten, ohne eine Zusammenschau zu erarbeiten. Die Autoren haben ihre Beiträge wohl mehr für die Kolleginnen und Kollegen aus der Wissenschaft geschrieben. Das ist nicht zuletzt an den ermüdend wirkenden Passagen abzulesen, in den umständlich erklärt wird, was die Archäologie oder die Kunstgeschichte noch nicht eindeutig klären konnten.

Thema „Ich glaube“ nicht eingelöst

Was weder der Ausstellung noch dem Textheft des Kataloges gelingt, ist eine Gesamtschau, die erklärt, warum am Ende das Christentum im Abendland nicht nur die kriegstüchtigen Herrscher auf seiner Seite hatte, sondern zu solchen kulturellen Leistungen heranwuchs, die ja in der Ausstellung dokumentiert werden. Offensichtlich ist auch dem mit veranstaltenden Bistum nicht aufgefallen, dass eine Aneinanderreihung einzelner geschichtlicher Vorgänge mit ihren Dokumenten die Frage nicht beantwortet, die die Ausstellung mit ihrem Titel stellt: Credo heißt nämlich „ich glaube“. Wie die deutsche Kirche so denkt, kommt es aber auf das Glauben weniger an als auf Strukturen. Christianisierung heißt dann auch in Ausstellung und im Katalog, die Aufrichtung kirchlicher Strukturen, Bistümer, Pfarreien, Klöster. So wird die Ausstellung wohl den Eindruck bestärken, die Ausbreitung des Christentums sei vor allem eine Machtfrage gewesen. Wen man die vielen Einzelheiten und die meist nur in der Faktendarstellung sich erschöpfenden Erklärungen im Textband auf wenig Punkte kondensiert, dann könnten zumindest genannt werden:

1. Keine der Stammesreligionen hätte je die Perspektive eröffnet, dass Stämme, ob der Sachsen oder der Slawen, die religiösen Vorstellungen anderer übernommen hätten.

2. Diese geringe Chance, andere Stämme von der eigenen Religion zu überzeugen, lag auch an der mangelnden Schriftlichkeit. Ohne Textbücher kein einheitlicher Ritus, der über ein größeres Gebiet hinweg in gleicher Weise gefeiert werden konnte. Ohne Schriftlichkeit aber auch kaum die Chance eines Monotheismus, denn dieser setzt, zumindest kognitiv, voraus, dass größere Zusammenhänge hergestellt werden, die sich auf einen Gott beziehen. Zwar kannten die Germanen wie die Slawen bereits größere Erzähleinheiten über ihre Götter, ob diese jedoch ausgereicht hätten, einen strikten Monotheismus zu entwickeln, ist unwahrscheinlich, wenn man das griechische Modell heranzieht. Denn hier entstand der Monotheismus in bewusster Absetzung von den olympischen Göttern.

3. Was heute durch den Beitritt zur EU und nur sehr unzulänglich durch die Euro-Währung gelingt, nämlich die Zugehörigkeit zu einem größeren Ganzen, das war in den Anfängen des Abendlandes die Übernahme der christlichen Religion mit ihrem Bildungssystem. Es dürfte damals ein ähnlicher Sog wirksam gewesen sein wie der, der die Länder des ehemaligne sowjetischen Machtbereichs in die EU zieht.

Glauben ist mehr als Ritus

Diese hier genannten drei Faktoren erklären jedoch noch nicht das Entscheidende, was durch das Wort "Credo" bezeichnet wird. Denn genau hier liegt der Unterschied, im Glauben und weniger im Rituellen. Der Übertritt eines Stammes zum Christentum war nämlich erst einmal ein Wechsel in einen anderen Ritus. Der Ritus verlangt nur Teilnahme und berührte nicht einfach die persönliche Glaubensvorstellung des einzelnen. Deshalb konnten die neu Getauften, ohne das als Problem zu empfinden, ihre persönlichen Frömmigkeitsübungen beibehalten, die sich an die alten Götter richteten. Das wird an Amuletten, Ringen und der Verwendung von Tiersymbolen in der Ausstellung mehrfach gezeigt wird. Erst wenn es zu einer Glaubensüberzeugung kommt, verlieren solche Praktiken an Wirkkraft. Bonifatius u.a sind vehement gegen diese heidnischen Praktiken vorgegangen. Jede Reformbewegung, nicht erst die Reformatoren, haben daher auf eine Vertiefung des Rituellen hin zu Bibelmeditation und Gebet gedrängt.

Wie es zu einem verinnerlichten Glauben kommt, wäre eine weitere Ausstellung wert. In der würde man dann nicht mehr nur Gegenständen mit Texten kombinieren, sondern die Lieder, Geschichten und Bilderzyklen vermitteln. Doch so weit scheint die deutsche Kirche noch nicht. Im Moment spiegelt die Ausstellung exakt wider, wie es um die christliche Kultur und ihre Interpreten steht: Wir kennen tausend Einzelheiten und meinen, das würde "Christianisierung" erklären. Insofern dürfte die Ausstellung wenig helfen, die heutige Herausforderungen, nämlich eine säkularisierte Gesellschaft wieder für die religiöse Frage ihres Lebens zu interessieren.

<emphasize>Eckhard Bieger S.J.</emphasize>

Credo, die Ausstellung über die „Christianisierung Europas im Mittelalter“ ist bis zum 3. November zugänglich.

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<emphasize>Weitere Informationen hier:

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