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Beziehungskrise: Gläubige und ihre Priester

Lehrer gibt es nicht ohne Schüler, Priester nicht ohne Gläubige. Diese Beziehung ist in der Katholischen Kirche in Deutschland tiefgehend gestört. Es gibt auch fast keine jungen Männer mehr, die im Pfarrerberuf eine Zukunft sehen. Abschaffung des Zölibats löst führt nicht einfach aus der Sackgasse. Etwas Neues muss entwickelt werden. Findet der Synodale Weg eine Lösung. Bisher hört man mehr Vorwürfe als eine solide Problemanalyse.

Als Priester kann ich nur Beobachtungen wiedergeben. Aufschlussreicher ist das, was Frauen mir gesagt haben. Ich stehe als Ordenspriester nicht unter dem Vorwurf, ich würde Laien in ihren Aktivitäten blockieren. Nach meiner Kenntnis trifft das auch für das Gros der Priester nicht zu. Ich kenne sehr viele Priester, weil ich 20 Jahre lang diese bei Gottesdienstübertragungen begleitet und dann 15 Jahre lang in Leitungsverfahren trainiert habe. Das macht mich skeptisch gegenüber den Vorwürfen, sie würden ihre Macht missbrauchen und Frauen nicht zum Zuge kommen lassen.

Priester sind keine Unternehmer

Zu Machtmissbrauch oder gar Konkurrenz zu Frauen werden Priester weit weniger verführt als Manager, denn sie haben weder Konkurrenten noch Konkurrentinnen, gegen die sie unfair werden könnten. Es ist umgekehrt, er ist darauf angewiesen, dass Frauen wie Männer Aufgaben übernehmen. Der Pfarrer hat im Kindergarten in der Leiterin eine machtvolle Frau, die zu den Familien, auch zu den Großeltern viel nähere Kontakte hat als er selbst. Konkurrenz zu diesen Leiterinnen tauchten in den vielen Konfliktfällen, die wir in den Trainings durchgespielt haben, fast nie auf, auch nicht mit der Sekretärin, dafür mit Organisten und Hausmeistern. Ich höre viel Kritik gegenüber den Priestern, finde in meinem Gedächtnis allerdings fast keinen Pfarrer, auf den diese zutreffen. Vielleicht hilft folgende Konfliktsituation weiter:

Die Unantastbarkeit der Rolle


Ein Pfarrer brachte folgenden Konflikt mit: Der Hausmeister entzog sich generell den Aufträgen der Kindergartenleiterin, obwohl Reparaturen dort zu seinem Aufgabengebiet gehörten. Der Pfarrer war es leid, ihn immer wieder auf seine Aufgabe hinzuweisen. Wasdem Pfarrer nur lästig wurde, war dieses Verhalten des Hausmeisters für die Leiterin ein Autoritätsverlust: Wenn der Pfarrer es ihm befiehlt, dann macht er es. Diese herausgehobene Rolle des Pfarrers wird auch von vielen Gläubigen aufrechterhalten. Wenn der Pfarrer etwas sagt oder anordnet, dann hat das eine ganz andere Qualität. Könnte es diese Qualität sein, die wie ein Stachel im Fleisch wirkt. Dass Frauen nach solchen Erfahrungen Zugang zu dieser Unantastbarkeit der Rolle beanspruchen, verändert die bisherige Konstellation. Das wurde mir an der Position des Adels in der Katholischen Kirche verdeutlicht. Frauen sollten sich da eines abgucken.

Die Adeligen fühlen sich auf gleicher Ebene

Warum das Zentralkomitee, in dem sich die Laien seit 1848 organisieren, sich mit der Abschaffung des Zölibats und nicht die Einführung des Mindestlohns oder anderer Sozialleistungen profiliert, war mir immer ein Rätsel. Die Laien haben ihre früheren Einflussmöglichkeiten auf gesellschaftliche Entwicklungen deshalb verloren, weil sie innerkirchliche gegen die früher betriebenen sozialpolitischen Fragen ausgetauscht haben. Wenn heute nach der Position der Katholischen Kirche gefragt wird, gehen die Journalisten zu den Bischöfen. Kommt daher der Eindruck die Kleriker und ihre Bischöfe würden die Laien „nicht machen lassen.“ Ich kenne noch die Zeiten, als das Zentralkomitee gesellschaftspolitische Forderungen formulierte, die dann über katholische Politiker umgesetzt wurden. Am bekanntesten ist die Dynamische Rente, die nicht über die Bischöfe in den gesellschaftlichen Diskurs eingebracht wurde.
Im Zusammenhang mit dem Unterlegenheitsgefühl, das dem Synodalen Weg einen so bitteren Unterton gibt, wurde ich auf die Stellung des Adels in der Katholischen Kirche aufmerksam gemacht. Diese wird ihnen nicht von Bischöfen und Pfarrern eingeräumt, sie nehmen sich diese einfach und stellen sich mit den Priestern auf eine Ebene.
Adelige haben nämlich etwas wie Priester und Bischöfe. Sie gehören einem Stand an, und können das, was die Priester durch die Weihe erhalten, von ihrer Abstammung herleiten. Vergleichbar mit den Adeligen haben die Priester etwas, was ihnen die Laien nicht nehmen können. Sie haben sogar für die Eucharistie und die Beichte eine Vollmacht, die sie noch nicht einmal delegieren können. Wären sie weniger ungleich, wenn sie verheiratet wären? Wenn der Hausmeister die Klospülung im Kindergarten repariert, weil der Auftrag aus einer höheren, sakral geprägten Ebene kommt, könnte das an der Leiterin nagen, während der Pfarrer einfach nur erwartet, dass ein Hausmeister seinen Job macht und die Spülung repariert, damit die Toilette wieder funktioniert und nicht, weil der Pfarrer es befohlen hat. Könnte Maria 2.0 mehr mit solchen Hausmeistern als mit den realen Pfarrern zu tun haben?
Noch zu den katholischen Adeligen. Sie waren es, die nicht nur nach den napoleonischen Kriegen und der Enteignung der Kirchengüter der katholischen Kirche in Deutschland wieder aufgeholfen haben, sondern bereits in früheren Schwächephasen eingesprungen sind. Sie haben Bischofssitze und Abtstühle an ihre Nachgeborenen vergeben, aber sie fühlten auch die Verantwortung, „den Laden wieder auf Vordermann zu bringen“, ob beim Konzil von Konstanz bei drei konkurrierenden Päpste oder in der Reformation, als kein Bischof, aber der bayerische Herzog wie der habsburgische Kaiser Führung übernahmen

Die Kirche, die im 19. Jahrhundert neu aufgebaut wurde

Das Christentum ist eine Religion der Frauen. Oder warum tragen Bischöfe und in südlichen Ländern die Priester lange Gewänder und keine Anzüge? Die Ehelosigkeit der Priester in der lateinischen Kirche hatte wahrscheinlich die Vorstellung kultischer Reinheit als spirituelles und die Verhinderung der Erbfolge als materielles Motiv. Mit der Wiedergeburt des Katholizismus seit Mitte des 19. Jahrhunderts kam hinzu, dass die Bistümer verheiratete Priester mit Familie nur in sehr geringer Zahl hätten finanzieren können. Zudem war vor der Industrialisierung nur ein Teil der Bevölkerung verheiratet. Lehrerinnen mussten z.B. den Dienst quittieren, wenn sie heirateten, Krankenschwester waren bis in die sechziger Jahre meist unverheiratet. Mit der Industrialisierung verband sich eine Neuorganisation der Seelsorge, die den zölibatären Priester zum Inspirator machte. Vorher waren Priestergemeinschaften, die in Stiften zusammenlebten, unter einem Abt eine Gemeinschaft bildeten oder als Pfarrer mit mehreren Kaplänen u.a. Kooperatoren, die ein größeres Gebiet betreuten, in einem Haus lebten. Diese Struktur funktioniert in Österreich noch in vielen Gebieten, ist aber in Deutschland verschwunden. Hier wurden die größer gewordenen Seelsorgsbereiche geteilt und in Neubaugebieten Pfarreien neu eingerichtet, so dass sehr viel mehr Priester Pfarrer, also leitende Priester werden konnten. Diese Organisationsstruktur ist am Ende, nicht weil es zu wenig Priesternachwuchs gibt, sondern weil die jungen Männer spüren, dass sie etwas aufrecht erhalten sollen, was in der Postmoderne nicht mehr funktioniert. Wenn der Synodale Weg sich lohnen soll, dann ist ein völliger Umbau der Kirche in Deutschland notwendig. Das ist z.B. in Afrika schon geleistet. Es geht dabei auch um das Verhältnis von Männern und Frauen in den Gemeinden.

Jetzt nicht mehr entmischt: Die Männer für die Finanzen, die Frauen für die Seelsorge

In dem im 19. Jahrhundert entwickelten Gemeindemodell gibt es ein Finanzgremium, das sich um die Gebäude und das angestellte Personal kümmert, während die Frauen sich für die seelsorglichen Belange einsetzen. Diese Mitwirkung in den Kernanliegen der Pfarrei wurde vom letzten Konzil aufgegriffen und im Pfarrgemeinderat institutionalisiert. Dieses Gremium wählt aus seinen Reihen die Vorsitzende bzw. den Vorsitzenden, der Pfarrer hat seinen Platz im Vorstand, während er dem Finanzgremium vorsitzt. Auch ist er Chef der Hauptamtlichen, so dass die Männer mit dem Pfarrer weiterhin die materiellen Dinge regeln, die Frauen aber in den seelischen Fragen nicht mehr das alleinige Sagen haben. Denn in den Pfarrgemeinderäten sind die Männer nicht nur als Minderheit vertreten. Waren früher die Funktionen mehr getrennt, haben die Frauen faktisch an Einfluss verloren, obwohl mit dem Pfarrgemeinderat ihre Mitwirkung deutlicher abgesichert wurde. Dass mit diesem Gremium etwas nicht mehr stimmt, zeigt die geringe Bereitschaft, sich als Kandidat, als Kandidatin aufstellen zu lassen. Faktisch hatten die Verbände früher sehr viel mehr Einfluss in der Pfarrei als das gewählte Gremium heute. Während nämlich ein Verband mit seinen Mitgliedern etwas auf die Beine stellen kann, ist der Pfarrgemeinderat dafür heute auf den Pfarrer angewiesen.

Der Pfarrer verfügt über Man- und Frauen-Power

Waren die Laien früher in den katholischen Verbänden sehr viel unabhängiger vom Priester als heute in den Pfarrgemeinderäten, sind sie wegen der Schwäche der Verbände auf das größer gewordene Hauptamtlichenteam angewiesen, wenn ein Zeltlager, eine Bildungsveranstaltung, eine Wallfahrt organisiert werden sollen. Das frühere System war offensichtlich besser austariert. Die Priester waren mit Gottesdiensten, Beichthören, Krankenbesuchen, Beerdigungen vollausgelastet. Denn Messen und Andachten spielten eine sehr viel größere Rolle. Das übrige Leben der Pfarrei spielte sich in den Verbänden ab. Das haben die Pfarrer meist gefördert, denn wer Mitglied in einem Verband war und in Schwierigkeiten, z.B. mit seiner Ehe, kam, blieb in der Gemeinde, auch wenn er sich durch die damals strengeren Normen ausgeschlossen fühlte. Die Messe als Gemeinschaftserlebnis ersetzt diese Bindungskräfte nicht. Da der Pfarrgemeinderat nur das zustande bringen kann, was die wenigen Gewählten hinbekommen, kann ein Verein seine Mitglieder aktivieren. Weil aber die Verbände nicht zuletzt dadurch ausgehöhlt wurden, dass ihre für Leitung begabten Leute in den Pfarrgemeinderat drängten und nicht mehr für den Verein wie früher zur Verfügung standen. Der Pfarrgemeinderat braucht also anders als früher die Manpower der Hauptamtlichen. Da der Pfarrer deren Dienstvorgesetzte ist, hat er mehr „Macht“ als das Laiengremium, denn er bestimmt den Personaleinsatz.

Die Umbrüche der Gesellschaft verschärfen die Probleme der Pfarrei

Dieses in sich schon schwache System gerät in die gesellschaftlichen Umbrüche, in denen das Rollenbild des Mannes von den Frauen infrage gestellt wird und die Frauen die Macht, die sie immer schon in der Kirche hatten, anders ausüben wollen. Wie viele andere Männer stehen die Priester ratlos da, wie sie auf die Forderungen der Frauen eingehen sollen. Festzuhalten ist, dass die Caritas längst die Reformen umgesetzt hat, so dass die Kirchenkrise nur die von den Bischöfen verantwortete Pfarreistruktur befallen hat.
Wer diese Analyse überprüfen will, kann dazu auch die Papiere des Synodalen Weges lesen. Sie sind so verworren und ohne Problemlösekompetenz für die oben dargestellten Entwicklungen, dass bei der Sitzung letzte Woche viele Mitglieder vorzeitig abgereist sind.

Wie die Zukunft der Kirche aussehen kann, hat Christian Hennecke nach vielen Besuchen auf anderen Kontinenten und im Austausch mit der anglikanischen Kirche in England beschrieben. Die Synode bräuchte nur aufgreifen. Dann müssten die Mitglieder der Synode sich eingestehen, dass Deutschland in den kirchlichen Kontext zum Entwicklungsland geworden ist.  Hier zum Beitrag Priester für kleine christliche Gemeinschaften

Wenn man nicht weiter nörgelnd, sondern mit Wille zur Gestaltung auf die nächsten Jahre zugeht, dann wird die Caritas der Wurzelgrund für neue Gemeinden sein. Hier zum Beitrag
Caritas –Nährboden für neue Gemeindeformen

Zur Priesterfrage:
Priester: Machtblock in der Katholischen Kirche
Insolvenz des Priesteramtes
Priester, schon 1970 eine unsichere Perspektive  

Zu den Arbeitspapieren des Synodalen Weges

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Kategorie: Kirche

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