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"barmherzig" - Fastenimpulse 2014 - Tag 33

(explizit.net)

Ich war krank, und ihr habt mich besucht - Tag 33 der Fastenimpulse "barmherzig" von Pater Erich Purk

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Als ich im Herbst 2001 wegen Krankheit vorzeitig mit fast 62 Jahren aus dem Schuldienst ging, fiel es mir schwer, mein Leben ohne Schule zu denken und sie zu lassen – trotz Großfamilie mit Kindern und Enkelkindern. Zu gern war ich 35 Jahre lang Lehrerin gewesen mit allen Höhen und Tiefen. Was anfangen mit meiner nun frei verfügbaren Zeit? Was wollte und konnte ich noch gut und gerne zu meinen Hobbys weiter ehrenamtlich tun?

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Ich war krank, und ihr habt mich besucht - Tag 33 der Fastenimpulse "barmherzig" von Pater Erich Purk

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Als ich im Herbst 2001 wegen Krankheit vorzeitig mit fast 62 Jahren aus dem Schuldienst ging, fiel es mir schwer, mein Leben ohne Schule zu denken und sie zu lassen – trotz Großfamilie mit Kindern und Enkelkindern. Zu gern war ich 35 Jahre lang Lehrerin gewesen mit allen Höhen und Tiefen. Was anfangen mit meiner nun frei verfügbaren Zeit? Was wollte und konnte ich noch gut und gerne zu meinen Hobbys weiter ehrenamtlich tun?

Entgegen kam mir die begeisterte Beschreibung einer Bekannten vom Krankenbesuchsdienst unserer Kirchengemeinde im hiesigen Krankenhaus. Diese kleine Damengruppe suchte dringend Verstärkung. Ganz spontan sagte ich zu – und habe es nie bereut.

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Einmal im Monat hole ich mir nun die Liste der katholischen Patienten an der Krankenhauspforte ab, suche und schreibe die Kranken aus unserer Pfarrei heraus und stehe mit sterilen Händen klopfend an der Tür zum Patienten. Wen werde ich dahinter mit welcher Krankheit erleben? Wird er oder sie er freut sein über meinen Besuch im Namen der Kirchengemeinde? Werde ich die richtigen Worte im Gespräch finden und einfühlsam dem Kranken begegnen können? Werden sie mein „Mitbringsel“, ein kleines Metallkreuz mit Corpus, das einem Kreuz am Papststab von Johannes Paul II. nachgebildet ist, überhaupt annehmen? Würden mich die Krankengeschichten selber zu stark belasten?

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Ich lernte und lerne viel in dieser „Schule des Lebens“. Einmal traf ich auf Heinz, Vater eines ehemaligen Schülers. Er saß völlig verstört auf seinem Bett und weinte fassungslos. Soeben hatte er erfahren, dass seine Kopfschmerzen von einem großen Gehirntumor verursacht waren und er schon in den nächsten Minuten per Krankenwagen in eine Spezialklinik gebracht werden sollte. Seine Frau konnte er noch nicht erreichen. Ich legte meinen Arm um seine Schultern, ließ ihn reden und weinen, bis er sich beruhigt hatte. Wir sprachen lange miteinander, da ich die Situation der Familie gut kannte. Dankbar und voller Zuversicht nahm er das kleine Kreuz und hielt sich daran fest, bis das Taxi kam. Als ich Heinz viele Wochen später wieder traf, strahlte er mich an, öffnete den obersten Kragenknopf und zeigte mir das Kreuz an einem Kettchen um seinen Hals.

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Bei schönstem Sommerwetter freute ich mich einmal, dass ich nur einen Patienten auf meiner Liste hatte und ich die geplante Radtour doch noch fahren konnte. Fröhlich und etwas forsch begrüßte ich den einzigen Patienten in dem 3-Bett-Zimmer, der mich leise und traurig im gebrochenem Deutsch bat, mich bitte zu setzen.

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Ein polnischer Ingenieur auf Montage war er, arbeitete in unserer Gegend täglich besonders lang, damit er am Monatsende für einige Tage nach Hause fahren konnte. Nun hatte er bei der Arbeit einen Herzinfarkt erlitten, mehrere Stents hatten ihm in einer schnellen Operation das Leben gerettet. Er war so dankbar für die gute medizinische Technik in Deutschland. Es schien alles gesagt zu sein, und bevor ich mich verabschiedenwollte, bot ich ihm auch das Kreuz als Geschenk unserer Gemeinde an. Beim Anblick des Kreuzes seines hochverehrten Papstes brach es aus ihm heraus. Hemmungslos schluchzend erzählte er mir nun seine ganze Lebensgeschichte.

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Fremd war er hier, hatte niemanden, der ihn besuchte. Seine Frau in Polen musste sowieso schon viel zu viel in der kinderreichen Familie arbeiten ohne die tägliche Unterstützung des Mannes und Vaters, der wegen des guten Verdienstes nicht zu Hause arbeitete. All seine Existenzängste legte er offen und kam zum Schluss zu der Einsicht, in Zukunft doch weniger zu arbeiten und mehr bei seiner Familie sein zu wollen. Er küsste das Kreuz immer wieder und sagte unter Tränen beim Abschied nach fast zwei Stunden: „Nun weiß ich,dass ich wieder gesund werde!“

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Vielleicht hat die Dichterin Elisabeth Bernet ihr Gedicht ja für alle Kranken geschrieben, die das barmherzige Wort „Ich war krank, und ihr habt mich besucht“ erfahren haben und für ihre Situation keinen billigen Trostbesuch mit Schönreden wollen:

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<emphasize>Schick mir keinen Engel der alle Dunkelheit bannt, aber einender mir ein Licht anzündet</emphasize>

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<emphasize>Schick mir keinen Engel der alle Antworten kennt, aber einender mit mir die Fragen aushält</emphasize>

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<emphasize>Schick mir keinen Engel der allen Schmerz wegzaubert, aber einender mit mir Leiden aushält</emphasize>

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<emphasize>Schick mir keinen Engel der mich über die Schwelle trägt, aber einender in dunkler Stunde noch flüstert Fürchte dich nicht.</emphasize>

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Für heute: Denn das Gericht ist erbarmungslos gegen den, derkein Erbarmen gezeigt hat. Barmherzigkeit aber triumphiert überdas Gericht. (Jak 2,13)

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<emphasize>Renate Ostrop</emphasize>



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