Auseinandersetzung mit dem Übel, das Menschen widerfährt

(explizit.net)

Filmrezension „Adams Äpfel“

.

Ein Pfarrer, ein Neonazi und ein Apfelkuchen: Der Film „Adams Äpfel“: „Biblische Filme“ müssen ihre literarischen Vorbilder nicht immer 1:1 wiedergeben. Ein hervorragendes Beispiel hierfür ist Anders Thomas Jensens Film „Adams Äpfel“, der die Hiob-Erzählung in die heutige Zeit überträgt.

(explizit.net)

Filmrezension „Adams Äpfel“

.

Ein Pfarrer, ein Neonazi und ein Apfelkuchen: Der Film „Adams Äpfel“: „Biblische Filme“ müssen ihre literarischen Vorbilder nicht immer 1:1 wiedergeben. Ein hervorragendes Beispiel hierfür ist Anders Thomas Jensens Film „Adams Äpfel“, der die Hiob-Erzählung in die heutige Zeit überträgt.

Der Landpfarrer Ivan hat es sich zur Aufgabe gemacht, verurteilten Straftätern bei ihrer Resozialisierung zu helfen. Die von ihm betreute Wohngemeinschaft im dänischen Nirgendwo, bestehend aus dem kleptomanischen Sexualstraftäter und Alkoholiker Gunnar sowie dem arabischen Tankstellenräuber Khalid, bekommt mit dem aggressiven Neonazi Adam einen neuen Mitbewohner. Adam fühlt sich von Beginn an von Ivans scheinbar unerschütterlichem Glauben an das Gute provoziert. Auf die Frage des Pfarrers, welches Ziel er im Zuge seines Resozialisierungsprozesses erfüllen wolle, antwortet Adam sarkastisch: „Einen Apfelkuchen.“ Ivan nimmt Adam beim Wort und überträgt ihm die Verantwortung für den Apfelbaum im Pfarrgarten. Diese Aufgabe gestaltet sich jedoch schwieriger als erwartet: Die Äpfel werden zunächst von Krähen und Würmern befallen, bis schließlich der ganze Baum nach einem Blitzschlag abbrennt.

.

Kommt das Unglück vom Satan oder von Gott: Das Buch Hiob

.

Auch die Beziehung zwischen Ivan und Adam wird zunehmend problematisch: Ivan ignoriert in seiner verzerrten Interpretation der Realität die anhaltenden Verfehlungen seiner Schützlinge. Sein Gutmenschentum grenzt nahezu an Besessenheit, die keine Widerrede duldet und sich in der Sprachfigur niederschlägt, mit der er Adam wiederholt entgegentritt: „Der Satan stellt uns auf die Probe, aber Gott ist auf unserer Seite.“ Adam bemerkt mit der Zeit, dass Ivan sich über die Tragödien seines eigenen Lebens selbst belügt und sowohl seinen Hirntumor als auch die spastische Lähmung seines Kindes zu verdrängen versucht. Er setzt alles daran, Ivan zu „knacken“ und seinen Glauben an das Gute im Menschen zu brechen. Der unerbittliche Machtkampf zwischen den beiden führt schließlich zur Konfrontation: Adam verweist auf das Buch Hiob, das ihm wiederholt auf wundersame Weise begegnet. Er überzeugt den Pfarrer, dass nicht der Satan, sondern Gott selbst für die schrecklichen Geschehnisse in Ivans Leben verantwortlich ist. Ivan verliert daraufhin seinen zuvor unerschütterlich erscheinenden Glauben an das Gute und zieht sich, den Tod herbeisehnend, aus der Wohngemeinschaft zurück. Zunächst stolz auf den psychologischen Sieg über Ivan, muss Adam nach dessen Rückzug nun notgedrungen mehr Verantwortung innerhalb der Gemeinschaft übernehmen. Die Konfrontation mit Adams ehemaliger Skinhead-Gruppe führt schließlich dazu, dass Ivans Hirntumor auf wundersame Weise geheilt wird. Adam, der im Laufe der Geschehnisse verstärkt das Eingreifen einer höheren Macht wahrnimmt, stellt sich schließlich auf die Seite des Pfarrers und der Wohngemeinschaft.

.

Das Leiden ist Thema des Films

.

Im Mittelpunkt des Films steht der Umgang mit dem Leiden bzw. dem Bösen in der Welt. Ivan versucht krampfhaft, seine persönlichen Schicksalsschläge auszublenden und nimmt die Wirklichkeit nur verzerrt wahr. Er ignoriert das Böse und pendelt dabei zwischen Realitätsverlust und Fanatismus, bis es zur Konfrontation mit Adam und der Theodizeefrage kommt, die Ivan sich vorher nicht zu stellen gewagt hat: Was für ein Gott lässt solch eine Wucht an Schicksalsschlägen zu, ohne einzuschreiten? Ist es wirklich der Satan, der Ivan auf die Probe stellt? Oder vielmehr Gott, der, wie Adam sagt, auch Hiob alles genommen hat?

.

Die Hiob-Erzählung

.

Ivans Welt- und Selbstverständnis werden durch Adam und seine Interpretation der Hiob-Erzählung zutiefst erschüttert. Die Sprachfigur „Gott ist auf unserer Seite“, die er zuvor noch im Brustton der Überzeugung bei jeder Gelegenheit angeführt hat, schlägt um in ein deprimiertes „Gott hasst uns“. Diese Depression führt jedoch schließlich zu etwas Gutem. Ähnlich wie Hiob erlebt Ivan seine heilende Katharsis, nachdem er die Klage über sein Schicksal vor Gott bringt. Erst durch die Provokation Adams bekommt Ivan einen klaren, ungeschönten Blick auf die Realität und wird von seiner krankhaften Gutmütigkeit sowie von der Ignoranz seiner Schicksalsschläge befreit. Die „Erlösung“ folgt wie auch in der Hiob-Erzählung auf wundersame Weise: Hiob wird geheilt und erhält das Doppelte seines Besitzes, Ivan wird von seinem Hirntumor sowie seinen extremen Ansichten befreit. Am Ende des Films zeigt sich der Pfarrer wieder optimistischer, wirkt dabei allerdings nicht mehr so fanatisch wie zuvor. Die Auseinandersetzung mit seinen Leiderfahrungen hat ihm geholfen, diese in gewisser Art und Weise zu akzeptieren, statt sie auszublenden oder durch ein simples Antwortmodell („alles Böse ist eine Prüfung durch den Satan“) zu ersetzen.

.

Biblischer Kontext

.

Die Beschäftigung mit dem Leid sowie das Eingreifen einer höheren Macht führen auch zu Adams Wandlung, die sich vollzieht, als Ivan psychisch am Nullpunkt angelangt ist. Adam erkennt den positiven Einfluss, den der Pfarrer auf die Wohngemeinschaft hatte und nimmt sich Gunnar und Khalid an. Ivans philanthropisches Wesen sowie die Wahrnehmung der sich häufenden übernatürlichen Geschehnisse scheinen Adam zu einem Sinneswandel zu bewegen. Dieser vollzieht sich zwar nicht so abrupt und spektakulär wie in Ivans Fall, aber dennoch so tiefgehend, dass die beiden am Ende des Films zusammenarbeiten. Die Konfrontation von Ivan mit Adam hat beiden zu einem veränderten Umgang mit Gut und Böse verholfen. Diese Tatsache wird bereits im Titel „Adams Äpfel“ angedeutet, der auf die Schöpfungserzählung (Gen 2 und 3) und im Speziellen auf den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse verweist.Dem dänischen Drehbuchautoren und Regisseur Anders Thomas Jensen ist mit „Adams Äpfel“ ein bemerkenswerter Film gelungen. Die tiefschwarze Komödie erzählt mithilfe biblischer Motive eine Parabel voller absurder Überraschungen, an deren Ende die Wandlung und Versöhnung zweier Protagonisten steht, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Der Film zeigt die Notwendigkeit auf, sich mit der Realität, insbesondere mit Schicksalsschlägen und Leiderfahrungen, auseinanderzusetzen. „Adams Äpfel“ leistet damit einen interessanten, wenn auch ungewöhnlichen Beitrag zur Diskussion der Theodizeefrage, nämlich warum Gott das Übel zulässt, und ist daher auch für den Religionsunterricht besonders zu empfehlen.

.

<emphasize>Filmrezension von Philipp Struß</emphasize>


Schlagworte: #Filmrezension

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Zum Seitenanfang