Kirche wird Veranstaltungsraum, Foto: Lighthouse

Aus Kirche wird Lighthouse

Kleine ungenutzte Gotteshäuser können zu Wohnraum oder Gemeindesälen umgestaltet werden. Doch was mit großen Kirchensälen machen? Das besondere Flair gerade dieser Gebäude nimmt Besucher für sich ein. So sind churchstylische Konzerthallen und Konferenzräume mittlerweile gefragte „Locations“.

 

Das Ruhrgebiet und die Katholiken

Basierend auf Rohstoffvorkommen und günstiger Verkehrsanbindung konzentrierte sich die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert auf einige regionale Verdichtungszonen in Deutschland. Dazu gehörte aufgrund von Kohle und Eisenbahnnetz das Ruhrgebiet. Zwischen 1850 und 1900 stieg die Einwohnerzahl in Essen von rund 9.000 auf 120.000. Es herrschte Vollbeschäftigung. Mit der zunehmenden Stadtbevölkerung wuchs auch die Anzahl katholischer Gläubiger und der Wunsch nach eigenen Kirchen. Und so wurde gebaut. Auch im heutigen Essener Stadtteil Frohnhausen.

Auf und Ab am Beispiel einer Kirche

Die Kirchengemeinde Sankt Mariä Geburt erhielt 1907 „eines der herrlichsten und stilvollsten Gotteshäuser der ganzen Stadt“. Doch die Freude über das Kirchengebäude währte nicht lange: Im Zweiten Weltkrieg wurde es bis auf den Glockenturm zerstört, die Glocken der bekannten Manufaktur OTTO  von den Nazis zum Einschmelzen nach Hamburg gebracht, um daraus Waffen herzustellen.
Wie durch ein Wunder fanden die beschlagnahmten Glocken jedoch nach dem Krieg wieder nach Essen zurück und nahmen ihren alten Platz in den Ruinen des Glockenturms ein, bevor sie in der 1952 unweit neu errichteten Kirche Sankt Mariä Geburt ihr neues Zuhause fanden. Ende gut, alles gut?

Das Ruhrgebiet verliert Arbeitsplätze

2005 setzte der damalige Essener Bischof Dr. Felix Genn das „Zukunftskonzept“ in Kraft und reagierte damit auf die innerkirchlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen. Seit der Gründung des Bistums Essen im Jahr 1958 sank die Zahl der Katholiken von rund 1,5 Millionen auf 950.000 im Jahr 2005. Die Zeit war geprägt von hoher Arbeitslosigkeit, Strukturwandel im Ruhrgebiet, demografischer Entwicklung, Abwanderung von Arbeitskräften und  Kirchenaustritten. Damit einher ging ein erheblicher Rückgang der Kirchensteuereinnahmen. Die Rücklagen waren aufgebraucht. Zur Finanzierung des Haushaltes musste im Jahr 2005 ein Kredit in Höhe von 40 Millionen Euro aufgenommen werden. In seinem Hirtenwort im Jahr 2005 schrieb Bischof Genn: „Wir können nicht mehr alles tun, was wir für wichtig, für wertvoll und für schön erachten. Ziel allen Handelns ist der Grundauftrag der Christen, nämlich die Menschen unserer Tage in Berührung mit dem Evangelium und mit der Person Jesu Christi zu bringen.“
Die Ansagen waren klar und zugleich gravierend: Bis zum Jahre 2009 wurden die 259 Kirchengemeinden zu 43 Pfarreien zusammengefasst. 96 der 340 Kirchen sollten nicht mehr als Pfarr-, Gemeinde oder Filialkirche genutzt werden. Umnutzung, befristete kirchliche Weiternutzung, Verkauf oder gar Abriss waren und sind hier die Optionen. Und Sankt Mariä Geburt? Bereits 2003 und damit vor dem von Bischof Genn verkündeten „Zukunftskonzept“ war die Gemeinde wie auch ihre Nachbargemeinden Sankt Antonius und Sankt Augustinus aufgelöst und in die Pfarrei Sankt Antonius integriert worden. Die Kirche Sankt Mariä Geburt stand dann ab 2008 leer. Abriss? Verfall?

Kirche wird zu kultureller Location

Im Gegenteil! 2011 entschloss sich das Evangelisch-Freikirchliche Sozialwerk Essen das ehemalige Kirchengebäude zu erwerben und darin Gemeinde- und vor allem Veranstaltungsräume unterzubringen. Das LIGHTHOUSE war geboren. Nach Umbaumaßnahmen und „Umstyling“ ist aus dem ehemaligen Kirchenschiff ein hochmoderner Veranstaltungsraum für eigene und fremde, kirchliche und neutrale Nutzung geworden. Die alte Sakristei wurde umfunktioniert zum Backstage-Bereich für Künstler, die Werktagskapelle zum Seminarraum und die Kirchenempore zum VIP-Bereich für Zuschauer. Hier finden sich Kirchenbänke neben Hightech-Anlagen für Light-Shows und Übertragungsbildschirmen für Bühnen-Shows.
Trotz der neuen Verwendung als Konferenzkirche und Konzerthaus liegt den heutigen Besitzern das Bewahren der Wurzeln des Gebäudes am Herzen: die ehemaligen Beichtnischen wurden in Kommunikationsecken verwandelt, die alten OTTO-Glocken erklingen in dem freistehenden Glockenturm. Auch Orgel, Kirchenglas, Holzaltar und Taufbassin sind integriert und machen das besondere Ambiente aus. Ein Trost für viele der ehemaligen Gemeindemitglieder.

Alternative zu Konferenzräumen

„Die säkulare Welt wird zunehmend auf uns aufmerksam“, so Sabrina Bodo vom Organisationsbüro LIGHTHOUSE. „Viele habe die Standardkulisse für Konferenzen satt und finden Freude an der Idee, zur Abwechslung mal unter Glockengeläut zu tagen. Wir beten für unsere Gäste, aber missionieren sie nicht. Die im LIGHTHOUSE herumliegenden Bibeln darf man einfach mitnehmen.“ 
Das LIGHTHOUSE wird mittlerweile immer mehr Vorbild für die Nachnutzung einer Kirche. Dies greift das Evangelisch-Freikirchliche Sozialwerk Essen auf und lädt am 11. Oktober 2018 zur „Heilsamen Begegnung“ mit Führung, Austausch und Gebet ein. Warum? Um von Kirchenschließung betroffene Gläubige zu trösten, Erfahrungen zu teilen und Mut zu machen, Kirchen nicht aufzugeben, sondern sich für eine gute Nachnutzung einzusetzen.

 

Auszug Dokumentation zum Dialogprozess im Bistum Essen | „Auf!RuhrBistum – Kirche gestalten. Jetzt!“



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