Wir erfahren auch einen Grund für dieses Kurrezept: Viele Menschen gehen ein und aus. Keine Zeit für Ruhe und Erholung. Wer sich nicht aus diesem bunten Treiben heraushält, wird mit diesem und jenem belagert. So können sie keine neuen Kräfte sammeln. Der Andrang wird sogar so stark, daß die Jünger keine Zeit zum Essen finden. Und das ist das Problem aller Mission.
Es gibt viele Menschen, die lange arbeiten, von vielen Menschen angefragt werden, deren Telefon ständig klingelt und die immer bereit stehen, um Probleme zu lösen. Gerade die geistlichen Menschen, die Pfarrer und Seelsorger, kennen dieses hin und her. Aber auch diejenigen, die in einem anderen tragenden, verantwortlichen, intensiven Beruf arbeiten, Geschäftsleute und Geschäftsführer, Ärzte und Pflegekräfte finden sich in dieser Lage. Oft haben sie buchstäblich keine Zeit zum Essen. Das Mittagessen bekommt wird zwischen den Terminen an einem Schnellimbiss verzehrt, die einzige wirkliche Pause des Tages. Vor genau dieser Situation warnt uns Jesus.
Dabei meint Jesus nicht einfach das rein leibliche Wohl. Ein Schnellimbiss funktioniert recht gut und es spricht auch nichts dagegen, solche Tage zu haben. Der Körper verträgt das meist ohne Probleme. Aber wenn es das nicht ist, was ist es dann?
Die Jünger machen samt ihrem Meister eine kleine Kreuzfahrt über den See, um einen einsamen Ort zu erreichen, wo niemand zu erwarten ist. Doch als sie ankommen, wartet bereits eine Schar, die genug Gründe haben, den Aposteln den Urlaub zu ruinieren. Auch das ist typisch: Da ist man grade in die Ferien gefahren, kommt ein Anruf von zuhause. Man arbeitet aus der Ferne weiter. Nur mit der Ruhe ist es dann aus, denn und die Sorgen und Nöte greifen nach. Das Problem ist also nicht neu. Es steht schon in der Bibel. Was aber neu ist: Jesus hat eine andere Lösung, als einfach an den Hörer zu gehen. Es sind drei Dinge: Jesus übernimmt, die Jünger ruhen und die wahre Speise wird dort serviert.
Als Jesus die Menschenmenge sieht, da hat er Mitleid. Das ist kein Mitleid wie in unserem Sprachgebrauch. Wir meinen damit meist eine Kopfsache. Eine kleine oder große Katastrophe hat sich bei jemandem ereignet. Aber es ist seine Katastrophe und wir haben Mitleid mit diesem Jemand, lassen uns aber von der Sache nicht betreffen. Es ist eben seine Katastrophe und nicht meine. Doch Mitleid im biblischen Sinn meint: Das ist auch meine Katastrophe. Es zuckt in den Gliedern und man kann nicht einfach ein Trostwort sprechen, um dann achselzuckend weiterzugehen. Mitleid heißt: Stehen bleiben und helfen. Dein Leid ist auch mein Leid.
Jesus nimmt also den Anruf entgegen. Er hört zu und weist die Sache nicht von sich. Er hat Erbarmen. Mit etwas Witz könnte man sagen: Jesus ist der Anrufbeantworter der Apostel.
In der Zwischenzeit dürfen die Jünger ruhen. Was Jesus da macht, das ist das Problem von Jesus und nicht ihres. Er hat sie so angewiesen. Daher dürfen sie nicht nur ruhen, sondern sollen sogar ruhen. Genau dafür ist der Anrufbeantworter da: abwesend zu sein. Sie sollen eine Zeit lang nicht erreichbar sein. Auch in der Bibel steht, dass man unerreichbar sein kann. Aber nicht als Recht, sondern mehr noch als Pflicht! Jesus gibt hier keinen Ermessensspielraum. Es ist notwendig.
Die Notwendigkeit der Unerreichbarkeit führt zum dritten Punkt: Als Nächstes folgt die wundersame Brotvermehrung. Das Brot, was Jesus austeilt, löst die Probleme. Das ist die Antwort Jesu auf den Anruf, auf die Menschenmenge, auf den Missionseinsatz. Denn Jesus teilt ein Brot aus, was nicht einfach den Leib sättigt, sondern die Seele. Der Evangelist Johannes wird das treffend festhalten: «Ihr sucht mich, nicht weil ihr Zeichen und Wunder gesehen habt, sondern weil ihr satt geworden seid!» Das Zeichen, was Jesus tut, die Brotvermehrung, ist nicht das entscheidende. Es ist nicht die Vermehrung, die wichtig ist. Die ist eher der Anzahl der Menschen geschuldet. Wichtig ist das Austeilen einer Speise, die wirklich satt macht; einer Speise, die die Seelenkräfte erneuert. Diese Speise hat uns Jesus hinterlassen im Abendmahl: die Eucharistie.
Im Zentrum der Mission und damit im Zentrum des Apostel-Seins steht die Speise der Seele. Von der Eucharistie her allein funktioniert Mission und zur Eucharistie hin kehrt die Mission zurück. So gut und erfolgreich die Jünger im Dämonen-Austreiben und Predigen sind: Ohne die Eucharistie ist es zu nichts nutze. Die Reinigung von bösen Geistern ist wie die Predigt nur Vorbereitung auf die Eucharistie. Die Menschen kommen gerade deswegen: Durch die Mission haben sie den echten Hunger erhalten. Die falschen Sättigungsmaßnahmen wurden ihnen entrissen und jetzt suchen sie nach der wahren Sättigung, nach der Speise, die nicht vergeht. Jesus gibt sie ihnen.
Mit dem Hunger hat es also mehreres auf sich: Die Jünger selbst müssen hungern nach diesem wahren Brot. Die Mission macht sie hungrig und soll sie hungrig machen: Aber sie haben nichts zu Essen. Auch sie bedürfen des wahren Brotes. Während sie bei der Mission Geber sind, so sind sie bei diesem Mahl Empfänger. Sie können es sich nicht selbst geben. Sie müssen zu dem kommen, der allein sie sättigen kann: Jesus.
Nun könnte man einwenden, dass es doch die gleiche Speise ist wie zuvor in der Alltagsgeschäftigkeit, denn die Brote und die Fische kommen doch auch von den Leuten und sind ganz normale Zutaten. Das ist soweit richtig. Doch Jesus verwandelt sie. Dieses Geheimnis zeigt sich erst später, wenn Jesus von den Toten aufersteht: Wie die Wundmale den Auferstandenen prägen, so ist es einerseits der alte Leib, das alte Brot, und doch ist’s neu und völlig anders.
Und schließlich ist es auch mit der Ruhe so: Die Jünger brauchen die Ruhe, die Unerreichbarkeit, um vorbereitet zu sein, das wahre Brot aufzunehmen. Täten sie es nicht, diese Vorbereitung, sie würden nicht satt werden, denn die Unruhe ist ein schlechte Speise für die Seele. Sie vernichtet alle vorige Anstrengung. Auch das weist uns übrigens auf Tod und Auferstehung Jesu hin: Denn auch Jesus ruhte im Grab.
So gibt es drei Jahreszeiten der Mission: Dämonen austreiben und predigen, um die falschen Götter zu entthronen und den Hunger nach dem, was wirklich sättigt zu wecken. Es geht um das Leer-, das Arm und Frei-Werden, so wie Jesus am Kreuze leer, arm und frei geworden ist. Dann geht es um das Gefülltwerden, reich und frei zu sein, so wie Jesus in der Auferstehung in Herrlichkeit erschien. Und dann die Zeit dazwischen: die Ruhe, die Zeit der Vorbereitung, der Unerreichbarkeit. So wie Jesus im Grab ruhte, so sollen auch seine Jünger ruhen. So sind Kreuz und leeres Grab verbunden, so gehören Mission und Eucharistie zusammen. Ein Jünger, der nicht ruht, ist auch kein Apostel. Aber die Ruhe ist, so sahen wir’s, keine Laxheit, keine bloße Flucht vor Geschäftigkeit, keine einfache Erholung, sondern Sammlung als Weg zur Eucharistie, zur wahren Speise für das wahre Leben.
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