(explizit.net) Im Weißen Haus empfängt Präsident Obama heute den Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Abbas – wie zwei Wochen zuvor den israelischen Premier Netanjahu. Gab es schon zuvor keinen Durchbruch, so steht er bei diesem Treffen am 17. März noch weniger zu erwarten. Obwohl beide Seiten seit dem 29. Juli verhandeln, kam ein ein toter Punkt. Der US-Rahmenplan für Gespräche ist noch unveröffentlicht. Zudem schossen die Islamisten Gazas Raketen auf Israel, das mit Luftangriffen reagierte. Grund genug, in der Umschau zu prüfen, wie es in diesem Brennpunkt und in der Region im Aufbruch steht.
Am Mittwoch und Donnerstag schlugen aus Gaza 69 Raketen ein, woraufhin Israel mit 42 Luftangriffen antwortete. Noch am Donnerstag, den 12. März, landeten zehn Raketen in Israel, das 14 Ziele in Gaza angriff. Israelis sahen in der Gruppe Islamischer Jihad die mit Iran liierten Urheber. Am selben Tage notierte Sprecher Khalid al-Batsh in Facebook, es gelte jetzt wieder der Waffenstillstand vom 22. November 2012. Wir wissen nicht, ob das eine Rache für das öffentliche Ausstellen der aus Iran gelieferten und durch Israel im Roten Meer abgefangenen Raketen war. Doch es verdeutlicht ein Problem: Palästinenser sind ein geteiltes Volk: Khalid Mashals Islamisten in Gaza und das Westjordanland unter der Autonomiebehörde von Mahmud Abbas. Wie repräsentativ würden Abkommen sein, deren Rahmen laut Washingtoner Ideen bis Ende April 2014 gebilligt werden soll? Und wie legitim wäre Abbas’ Unterschrift, dessen Amtsperiode bereits Anfang 2009 auslief?
Rückschritt
Diese brüchige Feuerpause Israel-Gaza/Islamischer Jihad/Hamas ließ den Außenminister Avigdor Lieberman am Mittwoch überlegen, ob man den Abzug aus Gaza von 2005 nicht rückgängig mache. Andere Minister waren dagegen. Hinzu kommt, dass Mahmud Abbas am 20. Januar betonte, Israel nie als jüdischen Staat anzuerkennen. Anderntags erwiderte ihm Netanjahu, wenn Palästinenser von ihm und Israel erwarteten, den Nationalstaat für diese anzuerkennen, so könne er wohl von diesen annehmen, einen Nationalstaat für das jüdische Volk zu akzeptieren. Schließlich lebe dieses Volk hier bereits seit 4.000 Jahren.
Dazu sprach am Sonntag, den 9. März, der Chef der Araberliga vor Außenministern in Kairo. Laut Nabil al-Arabi mögen arabische Länder gegen Israels Wunsch standfest bleiben, dass Palästinenser Israel als jüdischen Staat anerkennen. Oft werden Rückkehrrechte von rund fünf Millionen Palästinensern genannt oder die Rechte der arabischen Minorität in Israel, die seither von 1,3 auf 1,7 Millionen anstieg, bei zurzeit sechs Millionen Juden in Israel.
Araber begannen und verloren den Krieg 1948 gegen Israel. Wie im deutschen Fall gab es kein Rückkehrrecht. Als die UN beschloss, das zu verhandeln, lehnten Araber den Beschluss Ende 1948 ab. So verwarfen sie die „Kommission für Versöhnung und Vermittlung“. Diese Frage stand doppelt. Nicht nur palästinensische Flüchtlinge, sondern auch jüdische, aus Arabien nach Israel. Araber befolgten eine Vorgabe von 1953: Kontakt mit Israel sei Verrat; bekämpft auch Feinde hinter dem Feind; Land für Frieden; Tod jedem separaten Versöhner. Dies widerfuhr Präsident Anwar as-Sadat 1981, der als erster 1977 Israel in Mittelost willkommen hieß, Frieden schloss und ermordet wurde. Er löste jenes arabische Nein auf. Jetzt rät es al-Arabi Arabern samt Palästinensern von Abbas an. Ein Rückfall.
Friedensangst
Aufzuhören, etwas wie einst abzuweisen, und Einzelverantwortung zu tragen, ist schwer. Wenn al-Arabi sagt, Israel nicht als jüdischen Staat anzuerkennen, fürchtete er Resultate einer Friedensregelung? Denn Nachbarn wie Ägypten und Jordanien taten so viel, dass es keinen Staat Palästina gibt. Indes der eine Nachbar Gaza verwaltete und der andere 1950 Westjordanien und Ostjerusalem annektierte sowie dann sie alle palästinensische Führer blockierten oder vereinnahmten, verloren sie mehrfach palästinensische Gebiete in ihren nächsten Kriegen gegen Israel. Allein Jordanien nahm Palästinenser als Staatsbürger auf.
Andere beließen Palästinenser als Fremde, auch um Israel durch diese „offene Frage“ zu bedrücken. Araber als Nachbarn sollten nun verantwortlich sein, indem sie einen Teil der zurückkehrenden Palästinenser aufnehmen oder Kompensationen anbieten und Israel als Judenstaat bejahen. Die Stimmen mehren sich im saudischen Blatt „ash-Sharq al-Ausat“. Wäre es nicht weise, sich dem Gestern zu entwinden, damit viele besser leben und sich gemeinsam den echten Herausforderungen der Moderne in der Region stellen könnten?
Aber auch nach neun Monaten Verhandlungen will dieses Kind nicht zur Welt kommen. Auch Washington kennt Hürden. Zwar versicherte Obama vor der UN am 24. September Amerikas Verpflichtung gegenüber Israels Sicherheit und Existenz als jüdischer Staat. Doch hat er mehr als ein Dutzend Mal in Reden die Siedlungen hochgespielt. Dabei ist die Frage der gegenseitigen Anerkennung wichtiger. Wird sie seriös beantwortet, dann ist vieles machbar. Netanjahu bestätigte am 7. März, für den Frieden einige Siedlungen zu räumen.
Dennoch setzte ihn Obama öffentlich unter Druck. In einem Interview kurz vor dessen Ankunft am Potomac, meinte er, die Zeit für einen Friedenspakt laufe aus. Er habe mehr Siedlungsbau in den jüngsten Jahren gesehen. Wenn das Träume von Palästinensern begrabe, einen kohärenten Staat zu erhalten, werde dies „unsere Fähigkeit“ limitieren, das Weltecho auszuhalten. Oder anders: „Sage Ja oder erwarte das Ungewisse ohne mich.“
Krimmuster
Amerikas Administration gerät wieder in den selbst auferlegten Druck, in kurzer Zeit den hundertjährigen Konflikt regeln zu wollen. Da sind mehr Fragen als Antworten. Kurzum: Abbas will Israel nicht als Judenstaat anerkennen. Seine Legitimität als gewählter Mann ist fraglich. Sein Volk ist gespalten, wobei der andere Teil gerade Israel durch Raketen bekriegt hat und Abbas allenfalls nur für einen Teil redet. Der Chef der Arabischen Liga ruft ihn zurück in die Sackgasse eines Verweigerungskurses, der nichts als Kriege brachte.
Allen droht eine weitere Runde der Nuklearrüstung, sollte sich Teheran durchsetzen. Es stützt sich auf das Regime al-Asads, die Hizballah, Hamas und Islamischer Jihad sowie Moskau und Beijing. Diese Bedrohung zeigt sich als größer als das Warten auf Rückfall oder Reife anderer Seiten in und um Palästina. Nun setzt sich Wladimir W. Putin auf der Krim durch, wo es eine ähnliche ethnische Vielfalt wie in Mittelost gibt. Einstweilen obsiegt die militärische Erpressung. Sein Kurs kann in Mittelost Schule machen. Wer würde Iran mit Nukes antasten?
Zur Jahresmitte stehen Wahlen in Syrien an, im Negativfall nach dem Krimmuster. Bashshar al-Asad bliebe trotz der Verbrechen im Amt. Mittelost würde dunkleren Zeiten entgegen sehen. Amerika und der Westen haben in den jüngsten fünf Jahren Uneinigkeit, Fehler und Schwächen erzeugt. Kommt nunmehr dieses Echo dafür?
<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>
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