Die Serie „Stromberg“ zeigt: „Aus Mettwurst machste kein Marzipan“
(explizit.net) Die ProSieben-Serie „Stromberg“, die auch die Grundlage für den gleichnamigen Kinofilm darstellt, der am 20. Februar Premiere hat, stellt in überzogener Weise die Arbeit des zynischen stellvertretenden Abteilungsleiters in der Schadensregulierung, Bernd Stromberg dar. Als solcher hat er in der fiktiven Versicherung „Capitol“ einige Mitarbeiter unter sich, die mal als tragische, mal als naive, mal als komische Personen auffallen. Immer jedoch offenbaren sie ihr Menschsein im Alltäglichen.
Moral in einem säkularen Zeitalter
Der kanadische Philosoph Charles Taylor sieht in seinem Buch „A secular age“ – ein säkulares Zeitalter –durch die Säkularisierung viele eigentlich christliche Werte, wie die Menschenrechte, erst verwirklicht und begreift die Zeit daher nicht als „Abfall“ von der eigentlich christlichen Gesellschaft. Auf der anderen Seite machte er in Vorlesungen darauf aufmerksam, dass ein rein positivistisch-humanistisches Menschenbild dazu führen kann, den Erwartungen nicht gerecht zu werden, wodurch letztlich Erwartung in Verachtung umschlagen könne. Zynismus verhindere zwar die Enttäuschungen, beinhalte aber die Gefahr, keine hinreichende Moral hervorzubringen. Die Serie bei ProSieben kann vor diesem Hintergrund verstanden werden.
Stromberg ist voll von Zynismus
In der Serie sagt der Protagonist über sich: „Mein Humor ist demokratisch, der geht gegen alle gleich.“ Seine Mitarbeiter bezeichnet er im Trailer zum Kinofilm gerne mal als „sowas“. Dass man aus Mettwurst keinen Marzipan mache, ist eine seiner Lehren, die er gerne als tragikomischen Zynismus äußert, wenn er feststellt, dass Leute bestimmten Aufgaben nicht gewachsen sind. Seine Mitarbeiter bezeichnet er auch mal als „tragische Gestalten“ und bringt Sprüche wie: „GOTT!... der hier mit der Brille- naja, mit dem was der in der Birne hat, können auch 10 Leute in der Sonderschule mit sitzenbleiben.“ Auf die Frage, ob er ein guter Chef sei, entgegnet Stromberg: „Hätte die Ratte einen buschigen Schwanz, wär sie ein Eichhörnchen. […] Die Ratte weiß, der Käse liegt in der Falle und die gilt es zu vermeiden und das kann ich, und deshalb bin ich eine Spitzenratte – also Chef.“ Stromberg arbeitet nie mehr als nötig, buckelt nach oben und tritt nach unten. Er stellt in übertriebener Weise das Negativbeispiel eines Chefs dar. Dennoch ist er nicht einfach böse – eher abgestumpft. Im Grunde ist er Opfer und Täter der Gesellschaft, aus der er hervorgeht. Seine Maxime besteht darin, mit so wenig Aufwand wie möglich das Maximum an Erfolg und Ego rauszuholen, auch auf Kosten anderer. Freundlichkeit hat meist irgendwelche Hintergedanken
Die anderen Charaktere
Der wohl auffälligste Mitarbeiter Strombergs ist Berthold, genannt „Ernie“ Heisterkamp. Er ist weit über dreißig, katholisch und wohnt immer noch bei seiner Mutter. Er ist zwar nicht dumm, jedoch psychisch und sozial unreif. Immer wieder fällt er durch tragisches, bisweilen auch komisches Verhalten auf. Wie so oft bei Stromberg weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll. Ernies Versagen wird oft zynisch kommentiert oder ausgenutzt. Als er seinen Glauben nach dem Tod seiner Mutter intensiviert, arbeitet er eine Zeitlang in der Jugendbetreuung der Pfarrei „St. Pankratius“. Aus der Jugendarbeit wird er jedoch wieder ausgeschlossen, da sein Pfarrer mitbekommt, dass er auf der Arbeit einschlägige Internetseiten besucht. Wenn er mit anderen zusammenarbeiten soll, wird er oft aggressiv. Es mangelt ihm an der notwendigen Reife, mit anderen erwachsen umzugehen. Als er wieder einmal peinlich auffällt, sagt eine Kollegin, die verantwortlich gemacht wird: „Ich lass mir doch nicht den Ernie in die Schuhe schieben.“ Nach dem Tod seiner Mutter, begeht Ernie einen Suizidversuch. Seine Psychotherapie zeigt keinen Erfolg. Stromberg rettet ihn, als Ernie sich ins Auto setzt und es mit Abgasen vollpumpt.
Der Gegenpart zu Ernie ist der Charakter Ulf Steinke. Ulf ist ein pragmatisch-hedonistischer Mann, der mit seinen Freunden gerne Fußball sieht oder Frauen erobern will. Ernie ist sein favorisiertes „Opfer“. Das Tragische an Ernie ist die Mobbingtür für Ulf. Später baut Ulf eine Beziehung zu einer Kollegin Tanja auf und heiratet diese. Das Paar kann jedoch wegen Ulf auf natürlichem Wege keine Kinder bekommen. Ulf ist wenig an den Problemen anderer interessiert und verkörpert einen selbstbezogenen, miesgelaunten Mitarbeiter, der weiß, wie man sich sozial integrieren kann; der gut genug aussieht, um sich einige Schnitzer leisten zu können und andere gekonnt für seine Interessen einnehmen kann. Ulf ist Taktiker. Wenn ihm seine oft mangelnde berufliche Motivation oder mitunter geringe Auffassungsgabe nicht hindern würden, stünde einer Karriere nichts im Wege.
Als letzter Charakter sei Erika Burstedt genannt. Erika ist stark übergewichtig, SPD-Mitglied und unglücklich verheiratet. Stromberg über sie: „Ne, ohne Scheiß, ihr seid ein toller Haufen! Auch Erika... auch wenn ich wieder Blitzherpes kriege, wenn ich sehe, wie sie mit ihren dicken Wurstfingerchen in diesem Glas da verschwindet.“ Sie verkörpert oft die kollegiale und nette Kollegin und engagiert sich in der Gewerkschaft. Sie ist allerdings nicht besonders produktiv, erfüllt jedoch meist ausreichend die Anforderungen ihres Jobs. In der dritten Staffel der Serie erleidet sie einen Herzinfarkt und stirbt daran.
Die Serie als Projektion des gescheiterten Humanismus?
Das eigentlich Tragische an „Stromberg“ ist der Inhalt, den die als „Bürodoku“ gestaltete Serie vermittelt. Sie stellt im Grunde in überspitzer Form das alltägliche Büroleben dar, aber ohne den Kitsch der Soaps oder Telenovelas, ohne schöne Modelmenschen, sondern einfach durch schöne und weniger schöne Personen des alltäglichen Lebens. Die Serie bringt dabei oft das zustande, was Albert Camus den Arzt Rieux im Buch „die Pest“ als „eine Niederlage ohne Ende“ bezeichnen lässt. Die Welt in Stromberg jubelt und jauchzt in säkularer Bedeutungslosigkeit, ohne dass irgendein tieferer Sinn dahinter zu finden wäre. Ernie kann einem leidtun, Erika ebenso und Ulf hat halt oft Glück gehabt. Zwischen Abgasschlauch und Beförderung spielt sich dort das ganze Leben ab.
Dass der Humor oft bitter und zynisch ist, folgt aus dem leeren Leben der Charaktere. Sie stellen eine Realität überspitzt dar und decken dabei sehr gut auf, wie untergründiger Zynismus und ein „sich irgendwie Durchschlagen“ den Alltag spiegelt. Denn im Grunde stellt ja Stromberg nur „Alltag“ dar, nur spitzt die Serie den Alltag soweit zu, dass er zum Zynismus wird. Es gibt keinen Ausweg aus der dargestellten Situation. Jeder muss irgendwie mit seinem Schicksal klarkommen. Es wird eine Art von biologistischem Evolutionismus beschrieben, der keine Hoffnung kennt: „In einem Universum der blinden physikalischen Kräfte und der genetischen Replikation werden einige Menschen verletzt, andere glücklich und du wirst darin weder einen Reim noch einen Grund drin finden, oder irgendeine Gerechtigkeit.“ (Richard Dawkins, River out of Eden). Die Fragen, die Stromberg einem ins Herz hineinlegt sind: Was ist das eigentlich für eine Welt, die wir da eingerichtet haben? Wollen und können wir so leben? Lässt sich ein Ausweg aus dem Zynismus finden, oder ist dieser die letzte Weisheit gegenüber der Realität?
<emphasize>Josef Jung</emphasize>
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