Bild: HOPE Cape Town

Aids ist noch lange nicht besiegt

(explizit.net) Die Nachrichten über HIV und AIDS im Jahre 2014 lassen immer wieder aufhorchen: so ist von einer möglichen Heilung die Rede; in Europa diskutiert man eher Komplikationen einer chronischen Krankheit als ein Syndrom, das Menschen immer noch tötet.

(explizit.net) Die Nachrichten über HIV und AIDS im Jahre 2014 lassen immer wieder aufhorchen: so ist von einer möglichen Heilung die Rede; in Europa diskutiert man eher Komplikationen einer chronischen Krankheit als ein Syndrom, das Menschen immer noch tötet.

Die Ansteckungsrate geht weiter nach oben

In Südafrika wie im ganzen südlichen Afrika hat sich die Lage auch in Teilen verbessert, ist aber auf erstaunlich hohem Niveau stabil geblieben. Die nüchternen Zahlen sprechen eine deutliche und erschreckende Sprache:

Jeder Zehnte Südafrikaner ist infiziert mit HIV, 240 000 davon starben in 2013. Das sind ca. 657 Tote pro Tag. Waren es 2002 noch vier Millionen HIV positive Menschen, so sind es 2013 knapp 6 Millionen Menschen. 370000 Menschen, also 1013 pro Tag haben sich in 2012 neu angesteckt, so die neueste Statistik, vorgestellt am 1.12.2013 vom südafrikanischen Gesundheitsminister Aaron Motsoaledi.

Die Lebenserwartung in Südafrika ist auf 59 Jahre gesunken, nur das Bundesland Western Cape hat mit 67 Jahren eine höhere Erwartung. 1,9 Millionen Menschen sind auf Behandlung angewiesen – seit April 2013 werden die Patienten auf eine Therapie gesetzt, die die Einahme von einer Tablette pro Tag vorsieht.

20 Millionen Menschen der Bevölkerung von 50 Millionen sind seit 2010 getestet worden

Im Bundesland Westkap waren 2003 15,6% der Menschen HIV positiv. Das Ziel der lokalen Regierung war es, die Zahl bis 2015 auf 8% herunterzudrücken. Ministerpräsidentin Helen Zille gab in ihrem Regierungsbericht Anfang 2013 bekannt, dass die Zahl nicht heruntergegangen, sondern auf 18% gestiegen ist.

HOPE Cape Town Association Trust

In dieser Umgebung arbeitet HOPE Cape Town seit 2001 zusammen mit seinen Partnern im In- und Ausland, um Menschen,die von HIV betroffen sind, Leben und Hoffnung zu geben, sei es medizinisch, persönlich oder im sozialen Umfeld. 34 MitarbeiterInnen, davon 3 Ärzte und 25 sogenannte HOPE Gesundheitsarbeiter, die direkt vor Ort in den Townships und Townshipklinken angesiedelt sind, arbeiten unermüdlich als Partner des Bundeslandes an diesem Ziel. Dabei hat sich die Arbeit doch sehr geändert.

Die Anfänge eines Projektes und erste Entwicklungen

Rückblick 2001: In Südafrika regiert mit Thabo Mbeki ein Präsident, der sich nicht vorstellen kann, das HIV AIDS verursacht. Die Gesundheitsministerin Manto Tshabalala Msimang prangert die anti-retroviralen Medikamente als Ursache für den Tod von Betroffenen an und bietet als Alternative Rote Beete, Olivenöl und die afrikanische Süßkartoffel an. Die Behandlung von HIV positiven Müttern mit angemessener Medikation zur Vermeidung der Weitergabe des Virus an das Neugeborene muss durch alle Instanzen der südafrikanischen Rechtsprechung eingeklagt werden.

Im akademischenTygerberg Kinderkrankenhaus, wo HOPE Cape Town seinen Sitz und Ursprung hat, gibt es nach zwanzig Jahren keine dedizierte Krankenabteilung, die sich um HIV und AIDS kümmert. Dabei ist jedes dritte Kind, das in das Kinderkrankenhaus eingeliefert wurde, HIV positiv. Antiretrovirale Medikamente sind vom Staat nicht zu bekommen.

HOPE Cape Town, gegründet unter der Schirmherrschaft der deutschsprachigen katholischen Gemeinde und des Rotary Clubs of Signal Hill, und unterstützt von der Universität Stellenbosch und dem Landesministerium für Gesundheit im Westkap, richtet eine Krankenstation ein, genannt Ithemba Ward (Ithemba = Xhosa Wort für Hoffnung), die sich um Infektionskrankheiten, vor allem um HIV und AIDS kümmert. Diese Station wird zum Ausgangspunkt weiterer Entwicklungen im Krankenhauskomplex. Es entsteht in Folge eine Familienklinik und KidsCru, eine Forschungseinheit, die sich speziell um HIV bei Kindern kümmert.

2001 sind die Aufgaben von HOPE Cape Town relativ einfach: Da die Kinder ohne Behandlung sterben und der Staat die einzig erfolreiche Behandlung verweigert, ist HOPE Cape Town die zweite Organisation nach den „Ärzten ohne Grenzen“, die antiretrovirale Medikation für Kinder anbietet. Drei Jahre bevor der südafrikanische Staat selber diese Medikamente ausgibt, gibt es für die kleinen Patienten auf dem Ithemba Ward bereits Hoffnung auf ein Leben.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Arbeit ist es, jeweils einen Erziehungsberechtigten am Krankenbett zu haben, diesen mit Essen und Schlafmöglichkeit zu versorgen und damit den Kontakt zur Familie und die nötige Aufklärung zu ermöglichen. Das ist von der Verständigung her nicht einfach, denn Südafrika hat 11 offizielle Nationalsprachen zu garantieren.

2002 wird in Mfueleni die erste HOPE Gesundheitsarbeiterin eingestellt, weitere folgen und ein Jahr später sind es bereits über 15 in verschiedenen Townships. In dieser Zeit sind die MitarbeiterInnen von HOPE Cape Town auf dem Gebiet HIV/AIDS besser ausgebildet als die Krankenschwestern und sind so unersetzlich und sehr geschätzte MitarbeiterInnen in der Township Klinik.

Die Arbeit setzt sich fort: Kooperation und Ausbildung von Sangomas, den traditionellen Heilern in Südafrika, Unterstützung der vorhandenen Grass-Root-Projekte vor Ort. Kooperationen mit der Deutschen Aidsstiftung und zahlreichen Universitäten folgen – HIV und Ernährung mit der Hochschule Niederrhein, Sport und HIV mit der TU München, E-learning mit der Hochschule Niederrhein und dem missionsärztlichen Institut in Würzburg, Community outreach mit der Universität von Stellenbosch.

2007 werden die letzten Patienten, deren Behandlung von uns übernommen und bezahlt wurde, an die staatliche Versorgung übergeben, die seit 2004 anfängt, antiretrovirale Medikamente auszugeben.

Ein Wahlprogramm für Medizinstudenten aus aller Welt ermöglicht ein vier Wochen Programm bei HOPE Cape Town und KidsCru, das von den Universitäten anerkannt wird.

HOPE Cape Town im Jahr 2014

Inzwischen sind fast 2 Millionen Menschen in Südafrika in Behandlung. Mehr und mehr Krankenschwestern wurden im HIV/AIDS Bereich weitergebildet. Die Ithemba Station ist inzwischen viel zu klein geworden, um alle kleinen HIV positiven Patienten zu betreuen. HIV ist in der Tat mehr „mainstream“ geworden.

Neue Gefahren lauern, z.B. in der Frage der Resistenzen. Die nicht korrekte Einnahme der antiretroviralen Medikation verursacht Resistenzen und mehr und mehr resistente Viren werden bei einer neuen Ansteckung weitergeben. Die Ausgabe einer Medikation für alle Fälle bedeutet, dass auf diese resistenten Patienten nicht immer individuell eingegangen werden kann – Therapieversagen ist die Folge.

Andere Gefahren sind Korruption, Lieferengpässe, Patienten, die kommen und gehen, ohne auf ihr Testergebnis zu warten oder ihren Nachsorgetermin einzuhalten.

Nach Gesprächen mit der Leitung des Kinderkrankenhauses sieht der Weg für HOPE Cape Town vor, das die Organisation die Nachsorge aller im Kinderkrankenhaus betreuten HIV positiven Kinder sicherstellen soll. Praktisch heisst das, dass MitarbeiterInnen von HOPE Cape Town jedes entlassene Kind weiterverfolgt und sichert, dass Medikamente abgeholt, Nachsorgetermine eingehalten und im Notfall relevante soziale oder medizinische Interventionen vorgenommen werden.

Die Rolle der HOPE GesundheitsarbeiterInnen wird neu evaluiert – der Staat hat nun für Beratung und Betreuung oftmals eigene Gesundheitsarbeiter in jeder Townshipklinik eingestellt, die sich aber nur um Erwachsene kümmern. Das heisst für HOPE Cape Town eine erneute Konzentration auf Kinder und Familien.

Während das Sport und Sangoma Projekt beendet wurden, sind neue Aufgaben dazu gekommen. HOPE Cape Town als Brücke zwischen Grass-Root-Arbeit und Forschung hat Dank einer Lichtensteiner Stiftung nun selbst Gelder, um Forschung speziell im Kinderbereich zu vergeben. Im Moment werden drei verschiedene Forschungsprojekte finanziert bzw co-finanziert:

* Schluckbeschwerden bei Kindern, die HIV positiv sind.

Das klingt einfach, aber Kinder müssen ab einem gewissen Alter grosse Pillen schlucken - Schluckbeschwerden führen zur Nicht-Einnahme und Resistenzen.

* Versagen von Behandlung bei Kindern in einer Townshipklinik in Delft.

In diesem Fall ist bei über der Hälfte der beobachteten Kinder Behandlungsversagen aufgetreten und keiner weiss so genau, warum.

* Gesundheit von Kindern, die negativ von einer positiven Mutter geboren wurden.

Es hat sich gezeigt, dass diese Kinder durchaus gesundheitliche Auffälligkeiten haben, deren Ursachen noch völlig unbekannt sind.

Fragen der Ernährung, die soziale Betreuung von Kindern und Familien, die von HIV betroffen sind, die motorische Entwicklung von Kleinstkindern und die Betreuung von jungen Müttern sind weitere Schwerpunkte von HOPE Cape Town geworden.

Hinzu kommen die Finanzierung von Resistenztests, die der Staat noch nicht bezahlt. Das Problem wir deutlich an einem kleinen Beispiel: Von 10 im vergangenen Monat getesteten Kindern waren alle 10 bereits resistent gegen bestimmte Medikamente, ein Kind war bereits gegen alle in Südafrika vom Staat gegebenen Medikamente resistent. HOPE Cape Town hat einen Notfallfond für solche Fälle eingerichtet.

Die Frage der Koinfektion mit TB ist ein weiteres Feld, auf das HOPE Cape Town mehr Augenmerk richten wird. 370000 Menschen sind zurzeit akut erkrankt und erhalten Medikamente in Form von „direct observed treatment“. Das heißt, dass die Patienten jeden Tag zur Klinik kommen müssen, um vor den Augen der Schwestern ihre Medikamente zu nehmen. Das klingt drastisch, aber wer weiss, das Südafrika bereits TB Stränge hat, die gegen alle Medikamente resistent sind und das Menschen immer wieder an TB sterben, weiss um das Riskio eines Wiederholung einer nicht behandelbaren TB Epidemie.

Stefan Hippler, Südafrika



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