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Ägyptische Blutwoche

(explizit.net) Dies ist ein Krieg gegen islamistische Terroristen, sagen Anhänger der Coupvolte. Nein, erwidern Muslimbrüder, sie führten Krieg gegen den „Staatsterror“. Beide Seiten bedienen sich der blutigen Gewalt, meinen Dritte, um die Macht zu verteidigen oder zu erringen, wobei Islamisten ihre Chance verspielt und ihre wahre Natur gezeigt haben. Im Horror um den „Islamistentag des Zorns“ am Freitag und von 1.000 Toten bis Sonntag entbrennt ein bitterer Kampf.

(explizit.net) Dies ist ein Krieg gegen islamistische Terroristen, sagen Anhänger der Coupvolte. Nein, erwidern Muslimbrüder, sie führten Krieg gegen den „Staatsterror“. Beide Seiten bedienen sich der blutigen Gewalt, meinen Dritte, um die Macht zu verteidigen oder zu erringen, wobei Islamisten ihre Chance verspielt und ihre wahre Natur gezeigt haben. Im Horror um den „Islamistentag des Zorns“ am Freitag und von 1.000 Toten bis Sonntag entbrennt ein bitterer Kampf.

Der führte in den Kairiner Blutsamstag, 27. Juli, als die Regierung einen sit-in räumen ließ. Liberale, Militärs und Nichtislamisten sahen sechs Wochen „friedlicher sit-ins“ der Muslimbrüder als Gewaltprovokation, die Regierende im Gesamtinteresse zur tödlichen Räumung antreibt: Islamisten kommen so als Opfer auf. Am Beginn dieser ägyptischen Blutwoche, seit Mittwoch, den 14. August, lauteten Plakate „Demokratie statt Coup“. Dies endete vorerst Samstag, als die al-Fath-Moschee in Kairo gestürmt wurde: 173 Tote.

Dies wissend, versuchte die Interimsregierung, vorab ein „Mandat der Straße“ für harte Schläge gegen diese Muslimbrüder zu sichern. Das gelang ihr sogar, obzwar ein solcher außergerichtlicher Weg viele rote Warnleuchten aufblinken läßt. Blicken wir zurück. Der Krieg spitzt sich um Nichtlegitimität oder Legitimität von Terror zu: ein Ringen um den Schrecken, das entscheidet, ob dieses hinterhältigste aller Mittel erlaubt ist, Sozialideen im Staat zu realisieren. Viele sagen Nein, Islamisten oft aus ihrem Glauben Ja. Der Zwist entbrannte seit 1928, seit Muslimbrüder den Islam wie im Weltkrieg extrem politisieren.

Jene, die Terror verneinen, suchen Wege in die Demokratie, die nur dosiert zu bewälti-gen und in jedem Land gesondert zu finden sind. Die es bejahen, handeln aus ihrer Ideo-logie heraus, die sie religiös herleiten. Damit schränken sie die Zirkel ihrer Anhänger auf all jene ein, die bereit sind, sich dem Islamismus zu unterwerfen. Je nach Radikalität, haben sie selbst in Islamländern selten Mehrheiten von Muslimen. Wenn dies so wäre, was geschieht dann mit den nichtislamischen Minderheiten, werden Kopten einfach ignoriert, dürfen Extremisten in Ländern mit multiplen Identitäten absolut regieren?

Jedoch müssen sich alle auf möglichst friedliche Wege einigen, auf denen sie ihre Zwiste austragen. Früh suchten Ägypter den Rechtsstaat. Vor dem Kadi sind alle gleich, Regierte und Regierende. Letztere können unblutig abbestellt werden, laufen sie dem Volkswillen zuwider und entpuppen sich als Tyrannen. Rebellieren sei dann sogar nicht nur ein Recht, sondern Pflicht. Nur Andersgfläubige würden immer Insassen zweiter Klasse bleiben. Bis hier gehen Islamisten mit, mit einem Unterschied: sie hegen die Rechtsbasis aus Koran und Sunna, die Sharia. Zwar hat sie Versionen, doch nicht für Minoritäten: Islamismus samt Sharia zeigen sich unkompatibel mit Demokratie. Die Geschichte der Muslimbrüder ist eine der Ablehnung von Demokratie, für Gottesstaat samt Sharia. Seit der Lotusrevolte Anfang 2011 optierten sie für Wahlen, aber nur als Mittel zur Islamokratie, wie im Iran.

Exklusivität

Seit Mitte 2012 regierte ein Jahr ein Präsident der Muslimbrüder. Nach allen Maßstäben bewies er seine Unfähigkeit. Nicht allein im Regieren, sondern in der weiter gebotenen Bündnisfähigkeit. Beidesmalig versagte er. Jenes Einigen im Rechtsstaat mißriet, als er das islamistische Grundgesetz Ende 2012 durchdrückte. Dabei versuchte er, sich über das Gesetz zu stellen. Er regierte nur für Islamisten, die alles Vor- und Nichtislamische ver-achten. Einige wollen altägyptische Kulturdenkmäler verhüllen und Tourismus einstellen. Der zu erneuernde Regierungskonsens zerbrach. Andere Ägypter zogen die Notbremse, enthoben Mursi seines Amtes, und zwar viel demokratischer als er in dieses gelangt war.

Inklusivität

Die am weitesten verbreitete Art von Islamisten am Nil, die Muslimbrüder, verloren ihr Präsidialamt rasch. Muhammad Mursi brauchte ein halbes Jahr. Als er die widrige Ver-fassung unterschrieb, hatte er seine Rolle verspielt. Wie kam er dazu? Durch hauchdünne Stichwahl - mit Fragezeichen - gegen Mubaraks Altkader. Auch durch Präsident Obamas Kurs, der seit dem Revoltenjahr 2011 für „Inklusivität“ auch Islamisten in die Macht ein-lud und vom „Übergang zur Demokratie“ sprach. Als ob es dort keine Antagonisten gäbe.

Westdeutsche mögen sich vorstellen, Amerikaner hätten sie 1945 ersucht, für Inklusivität Nazis in die Regierungen zu bringen; oder Osteuropäer nach Revolten 1989 die verjagten Unterdrücker; oder Ostdeutsche 1990 Honeckers Leute, die sie rebellierend los wurden. Inklusivität ist kein Recht. Alle müssen sie durch Konsens erkämpfen. Islamisten lehnen das ab: Gott gab ihnen das Recht, das sie auch durch Terror sichern. So enden Debatten.

Westen

Obama sieht nicht Ägyptens Geschichte. Als Nachkriegskind der deutsch-osmanischen Jihadisierung des Islam im Ersten Weltkrieg blieben Muslimbrüder lokale Extremisten: Regierungen und deren Vertreter wären „unislamisch“. Auf dem Weg zum „Gottesstaat“ ermordeten sie 85 Jahre Richter, Premiers, Präsidenten und Denker. Deshalb wurden sie wiederholt unter allen Regimes verboten. Sie konnten nimmer ihrer Ideologie entsagen.

Obwohl sie diverse Chancen erhielten, sich an Wahlen zu beteiligen, terrorisierten sie Andersdenkende mit Worten und Waffen. Sie wurden globale Extremisten seit den 90er Jahren, töteten Politiker und Touristen. Alle kennen „ihre“ Islamisten. Als Extreme vom Rande überwältigten sie durch Mursi die Mitte. Ihre Idee, sich durch Terror als „Helden der Demokratie“ zu zeigen, geht im Westen auf. Ihre Ideologie birgt Märtyrer, für andere Terroristen, und erlaubt selbst in den sit-in-Blockaden, Frauen und Kinder zu beteiligen.

Was Weiße Haus stellte sich dreimal an die Seite der Islamisten. Unter Mursi bezahlte es diese weiter, ohne deren undemokratische Art zu hinterfragen. Als das Volk sie aus dem Amt jagte, trat Obama wieder auf die falsche Seite und drohte jenen Hilfsentzug an, die trotz des Terrors und der vielen Toten für eine Coupvolte – ohne Militär geht es nicht am Nil – auf der Straße durch ihre Unterschriften votiert haben. Da nicht nur Obama zu den Islamisten hielt und noch zwei US Senatoren an den Nil eilten, um vom „Coup“ zu reden, wird ein Rinnsal zum Strom: Antiamerikanismus. Alle im Westen mögen ihre Geschichte doch bedenken, wie „ungeplant“ blutig und voller Wenden diese ablief, anstatt nahferne Völker zu belehren, deren Historie anders sein muß. Diese „wiederholt“ sich nicht auf Afrikas Boden, sondern stellt sich in allen Zeiten und Orten anders. Sodann traf Obama das Militär, indem er Jets und Manöver absagte. Das bringt starke Verluste an Sympathie.

As-Sisi

Interimsregierung und Militär um Abd al-Fattah as-Sisi stürmen ins Unbekannte. Ihnen folgt eine Bevölkerungshälfte. Am Montag können Europas Außenminister sich gegen Gottestaat und Islamisten stellen, die ihre Chance verloren haben und Kairo provozieren; die Option einer langfristigen Assoziation Ägyptens anbieten, zumal ein Wirtschaftsruin auch sie träfe; und endlich eine Agenda gegen Islamisten Europas auflegen. Mutig taten Ägypter das, was vielen Europäern bevorsteht: ihre Extremisten samt Terror zu stellen.

<p><emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>


Schlagworte: #Ägypten

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