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Advent für die theologischen Lernorte

Katholische Theologie wird von Studierenden wenig gebucht. Wegen der geringen Hörerzahl pro Professor gibt es Druck anderer, überlaufener Fakultäten, ihnen die Stellen zuzuschreiben. Grund genug für die katholische Kirche auf Bundesebene, die Fakultäten gleich auf drei Standorte zu reduzieren. Eine Kirche ohne Theologen, und: Welche theologischen Entwürfe, die dringend gebraucht werden, müssen auf die übernächste Generation der Theologen und Theologinnen warten

 

Dieser Beitrag richtet sich an diejenigen, die promovieren und sich habilitieren. Es geht um Ihre Zukunft. Die sollte man nicht denen überlassen, die von Theologie nichts halten. Denn die Reduzierung heißt konkret, dass die Leitung der Katholischen Kirche in Deutschland meint, mit drei Ausbildungsstätten ihre Pfarreien, Bildungseinrichtungen, ihre über-proportionierten Verwaltungen mit dem notwendigen Sachverstand auszurüsten. Das heißt aber, die katholische Kirche auf 3 Publikationen, 3 Akademien und am Ende auf 3 Millionen Katholiken einzudampfen. Sie traut offensichtlich ihrer Theologie nicht viel zu. Theologie kann sehr gut zeigen, dass mit ihr Zukunft „gemacht werden“ kann und sogar muss. Das zeigt ein Rückblick.

Das letzte Konzil war von Theologen getragen

War es nicht die Vorarbeit der französischen und deutschen Theologen, die dem II. Vatikanischen Konzil die theologischen Grundlagen für seine Entscheidungen bereitstellten. Karl Rahner, Yves Congar, Henri de Lubac, Joseph Ratzinger leisteten die theologische Arbeit für das Konzil. Karol Wojtyła war mit Johannes Hirschmann die treibende Kraft, dass das Konzil das Dokument Gaudium et Spes – über die „Kirche in der Welt“ verabschiedete. Wo ist dieser Gestaltungswille geblieben? Theologie hatte bewiesen, dass sie für die Erneuerung der Katholischen Kirche unentbehrlich ist. Heute wird sie für das dringende Aggiornamento, die Verheutigung der Katholischen Kirche in Deutschland, nicht mehr gebraucht. Das liegt auch an dem fehlenden Gestaltungswillen, mit dem die wissenschaftlich betriebene Theologie auf die Studierenden zugeht. 

Die Fakultäten müssen sich dem Studierendenmangel stellen

Das Konzil hat dem Theologiestudium großen Auftrieb gegeben. Viele junge Menschen entschieden sich für das Studium und damit für eine Berufsperspektive in der Kirche. Vorher, in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg, hatte die liturgische Bewegung so viele junge Männer für das Priestertum motiviert, dass Bischöfe Pfarrer bitten mussten, noch einen vierten Kaplan in ihr Team aufzunehmen. Viele heutige Bischöfe und Theologieprofessoren in Lateinamerika, den USA, in Afrika, Asien haben an deutschen Fakultäten ihren theologischen Doktor erworben. Die beste Strategie, die Fakultäten zu erhalten, besteht darin, mit einer Gestaltungsperspektive mehr Studierende anzuziehen. Dafür reicht Wissenschaftlichkeit nicht, die jungen Menschen müssen mit dem Studium eine berufliche und eine spirituelle Perspektive für sich realisieren können. Vor allem muss man an ihrer Motivation, sich zu engagieren, ansetzen.
Noch ein Arbeitsfeld ist betroffen. Theologie braucht Bücher. Wenn die Ausbildungsstätten so reduziert werden, ist das auch das Todesurteil über die theologische Abteilung von Verlagen.  

Mit Theologie Zukunft „machen“

Es bleibt erstaunlich still seitens der Fakultäten und der von Bistümern und Orden getragenen Hochschulen. Es muss also auch an der Theologie liegen, dass sie sich so leicht abschaffen lässt. Wer sich in die Situation junger Menschen versetzt, die mit ihrer Entscheidung für ein Studium zugleich eine Berufswahl treffen, wird sofort feststellen: In einer Umbruchssituation reicht es nicht, den Kanon der von Rom vorgegebenen Fächer zu bedienen. Diese Fächer brauchen eine Perspektive nach vorne, werden aber meist nur in der Rückschau doziert. Weil man Theologie nicht wie Ägyptologie studiert, muss man mit dem Studium etwas außerhalb des Wissenschaftsbetriebs beruflich etwas machen können. Man studiert ja Jura auch nicht nur aus geschichtlichem Interesse, ein Medizinstudium bereitet auf verschiedene Berufsfelder vor, Ingenieure sollen konstruieren. Was müssen Theologinnen und Theologen heute gestalten:

1.    Die digitalen Medien verändern die inneren Welten
Der Zugang zum Religiösen ist jeweils durch die den einzelnen umgebende Kultur geprägt. Das ist eine pastoralpsychologische Herausforderung. Wie verändern sich Gebet und Meditation? Wie strukturiert sich die Zuordnung des Bildschirmes zu den inneren Vorgängen? Wie entwickelt sich das Verständnis von Wirklichkeit und Wahrheit?

2.    Klimawandel, Artensterben, Stadtkulturen
Die Jungen wollen den Klimakollaps abwenden. Sie fühlen sich nicht verstanden. Das liegt nicht zuletzt an der Überalterung der Gemeindemitglieder, die sich den Alltag nicht ohne Nutzung des Autos vorstellen können. Die neuen Großpfarreien scheinen das Auto unentbehrlich zu machen.  Es gibt nicht den theologischen Lehrort, wo Handlungsperspektiven theologisch fundiert und ihre Umsetzung forciert werden.

3.    Die Rückgewinnung der sakramentalen Dimension
Bei den Katholiken in Deutschland ist die Teilnahme am sakramentalen Leben signifikant zurückgegangen. Das wird sofort deutlich, wenn man diese mit der Praxis vietnamesischer oder osteuropäischer Katholiken vergleicht. Die Wiedergewinnung des Sakramentalen ist für die deutsche Kirche lebenswichtig und entscheidend, ob es Priesternachwuchs gibt. 

4.    Eucharistie - wie wird die Gegenwart Christi in Hostie und Wein erklärt, nachdem der Substanzbegriff sich aufgelöst hat. Denn was man die Substanz des Brotes genannt hat, ist nur eine Ansammlung von Molekülen. In der Quantenphysik liegen neue Erklärungsmöglichkeiten bereit. 

5.    Gemeinde: Wie strukturiert sie sich in der Nachmoderne?
In der Moderne standen sich mehrere Weltanschauungsgruppen in strikter Abgrenzung gegenüber. Institutionen und Unternehmen verlangten die Zugehörigkeit zu einer Weltanschauungsgemeinde. Die Postmoderne hat diese Positionen aufgelöst und die Wahrheitsfrage an das Individuum delegiert. Wie versteht sich die katholische Kirche in der westeuropäischen Zivilisation als Institution, die auf Wahrheit pocht. Es geht hier um das Erbe von Benedikt XVI.

6.    Outdoor-Theologie
Viele Menschensuchen ihre religiöse Ader nicht in den Innenräumen einer Kirche, sondern draußen. Wallfahrten, Pilgern nach Santiago und zu anderen Orten, meditatives Wandern, knüpfen an die mittelalterliche Erfahrung an, dass Christsein Unterwegssein bedeutet. Von den Millionen Gläubigen, die nach Santiago gezogen sind und nicht mit dem Zug oder Flugzeug zurückkehren konnten, erfuhren die Bruderschaften und caritative Einrichtungen großen Zulauf.

7.    Die diakonische Dimension
Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil baut die Katholische Kirche ihr Handeln auf drei Grundfunktionen auf: Gottesdienst, Katechese, Caritas. Wie diese drei Dimensionen in jedem Handeln wirksam werden, müsste die Theologie nicht nur in die Richtung Caritas, sondern von der Caritas her inspirieren. Ein Lehrstuhl „Caritas“ genügt nicht. Dieser versteht sich auch nur so, dass die Theologie das caritative Handeln tiefer begründet. Es geht für die Theologie darum, aus dem caritativen Handeln theologisch zu schöpfen.

8.    Leitungskultur
Die Betriebspsychologie hat das Leitungsverständnis und das daraus abzuleitende Leitungshandeln intensiv erforscht. Der Katholischen Kirche bieten sich diese Vorarbeiten an, um das dringend notwendige Leitbild für ihre Leitungskräfte zu entwickeln.

9.    Gemeindebildung - es gibt in den Religionsgemeinschaften verschiedene Strategien, Gemeinden zu bilden. Nicht zuletzt die Freikirchen haben überzeugende Konzepte entwickelt. Diese müssen theologisch gesichtet und für verschiedene Zielgruppen umgesetzt werden. Hier sollten die theologischen Fakultäten das Feld nicht Trainerfirmen überlassen, müssen aber selbst von dem bloß theoretischen Sockel herabsteigen und die Implementierung der Strategien bis zum Erfolg begleiten. 

10. Dialog der Religionen 
Deutschland wird nicht mehr allein vom Christentum geprägt. Auch ist der Islam nicht die einzige Religion, die größere Gruppen zu einer religiösen Praxis führt. In einem ersten Schritt geht es darum, dass Seelsorger und Seelsorgerinnen die anderen Religionen mehr als oberflächlich kennen. Für die Gläubigen muss hinzukommen, dass sie ihren eigenen Glauben vertiefen, indem sie sich durch die Vielzahl weltanschaulicher Entwürfe herausgefordert fühlen. Was früher Kontroverstheologie genannt wurde, muss in eine dialogische Theologie umgewandelt werden, die dem Glaubensverständnis der eigenen Kirchenmitglieder dient und zugleich Vorurteile gegenüber anderen Religionen abbaut.

11. Kirche in der Öffentlichkeit
Die katholische Kirche stolpert von einer medialen Niederlage in die andere. Die Theologie hat ihre öffentliche Präsenz fast gänzlich eingebüßt. In akademischen Kreisen wird das "den Medien" angelastet. Es wird übersehen, dass Medien über einen der größten Arbeitgeber in Deutschland berichten müssen. Wenn man ihnen keine Themen gibt, dann suchen sie sich selbst aus, worüber sie berichten. Für die kirchliche Öffentlichkeits- und Pressearbeit fehlt eine theologische Fundierung. Es ist auch dringend notwendig, dass die Katholische Kirche sich als Teil der Öffentlichkeit versteht und in ihr eine Rolle einnimmt, die früher durch das Zentralkomitee der Katholiken in Verbindung mit dem Zentrum gefunden worden war und noch Jahrzehnte in der jungen Bundesrepublik funktionierte. Die Theologie sollte nicht nur mit bioethischen Fragen auf der öffentlichen Bühne vertreten sein. 

Theologie oder Religionswissenschaft
Wer Theologie doziert, kann sich in das universitäre Milieu einbetten. Wissenschaftlichkeit wird gesichert, wenn man Theologie wie Musikwissenschaft betreibt, eben das erforscht und darstellt, was aus Dokumenten erhoben werden kann. Das wäre aber nicht mehr als das, was Religionswissenschaft leistet. Anders als Musikhochschulen fühlen sich Fakultäten wohl wenig für Komposition zuständig. Über tragen auf die Glaubenswissenschaft würde diese ihren wissenschaftlichen Anspruch nicht aufgeben, wenn sie sich wie Jura oder Medizin als Handlungswissenschaft versteht. Bisher setzen nur die Kirchenrechtler und Homiletiker auf die Umsetzung des von ihnen dargebotenen Stoffes. Bei den übrigen Fächern bleibt für die Studierenden nur die Prüfung als Ernstfall ihrer Lernbemühungen.

Theologie als Wurzelfach der Universität

Wie konnte es so weit kommen, dass Theologie auch von der sog. “Amtskirche“ wie ein Blinddarm gesehen wird, den man herausoperieren kann. Das universitäre Verständnis der Theologie hat sich weitgehend auf ein Nischenfach reduziert. Das, obwohl die Theologie nicht nur Kernfach der mittelalterlichen Universität, sondern für die Neugründungen in Augsburg, Bamberg, Eichstätt, Erfurt, Passau, Regensburg, Trier die Startrampe war. Wie konnte es dazu kommen, dass dieses älteste universitäre Fach, das Vorbild für ein geordnetes Studium war, von der katholischen Kirche in Deutschland auf drei Standorte eingedampft werden soll. Die Wahrheitsfrage ist doch lange Thema der Theologie gewesen, weshalb sie die enge Verbindung mit der Philosophie eingegangen ist. Diese Frage hat sie kampflos an das naturwissenschaftliche Modell abgegeben. Naturalismus nennt sich diese Denkrichtung, die nicht nur die Philosophie steril gemacht hat, sondern sich auch als unfähig erweist, für die notwendige Umstellung auf einen Kohlendioxyd- und Ressourcen-armen Lebensstil zu untermauern. Verbunden mit dem Neoliberalismus sorgt die Philosophie dafür, dass die Menschheit den Klimakollaps herbeiführt, das Artensterben beschleunigt und den Abstand zwischen den Einkommen einiger weniger und der Mehrheit der Bevölkerung auch in der Pandemie vergrößert. Wieso kann an einer europäischen Universität Theologie überhaupt fehlen?

Die Bibel- und dogmatischen Fächer könnten, wenn sich Theologie als Handlungs­wissenschaft versteht, vom Lernfach wieder zum motivierenden Studienfach werden, denn wenn Theologie gestalten will, entstehen sofort Fragen an Bibel und die Lehrgeschichte des Christentums.

Theologie als Handlungswissenschaft braucht das Internet. Die oben benannten Themen und andere müssen pointiert präsentiert werden, so dass die Fakultät, die sich mit diesem Handlungsfeld intensiver beschäftigt, unter den ersten 10 Nennungen bei den Suchmaschinen auftaucht. publicatio e.V. stellt dafür den themenpool.net zur Verfügung. Weitere scheint es sinnvoll, nicht auf die Diözese oder den Orden hin auszubilden, sondern jeder Fakultät einen Schwerpunkt zuzuschreiben, so dass Studierenden je nach ihrer Gestaltungsoption eine Lehrort finden, wo sie sich auf ihr zukünftiges Einsatzgebiet vorbereiten und dort auch entsprechend motiviert studieren. Bulimie-Lernen sollte so aus den theologischen Lernorten verabschiedet werden. Schwinden

Eckhard Bieger, S.J.-frei zum Abdruck und zur Verlinkung mit der Aufforderung, weitere Themenfelder zu benennen, in denen Theologie gestaltend aktiv werden muss. Dann werde mehr als 11 theologisch profilierte Lernorte notwendig.  e.biegergmxde 0173.3183 343


Kategorie: Kirche

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