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Adveniat – verschließen die Katholiken Ihr Portemonnaie?

(explizit.net) Interview mit dem Geschäftsführer von Adveniat, Prälat Klaschka

Kaum ein Thema hat in der katholischen Kirche in letzter Zeit so viele Emotionen ausgelöst, wie die Debatte um den Neubau des Limburger Bischofshauses. Die deutschen Bistümer sind danach in die Offensive gegangen und haben weite Teile ihrer Finanz- und Immobilienvermögen offen gelegt. Herr Prälat Klaschka, wofür sollte die deutsche Kirche mehr Geld ausgeben?

(explizit.net) Interview mit dem Geschäftsführer von Adveniat, Prälat Klaschka

Kaum ein Thema hat in der katholischen Kirche in letzter Zeit so viele Emotionen ausgelöst, wie die Debatte um den Neubau des Limburger Bischofshauses. Die deutschen Bistümer sind danach in die Offensive gegangen und haben weite Teile ihrer Finanz- und Immobilienvermögen offen gelegt. Herr Prälat Klaschka, wofür sollte die deutsche Kirche mehr Geld ausgeben?

Wenn man in der Kirche wie in anderen Institutionen von Geld spricht, muss man zwischen den laufenden Ein- und Ausgaben und dem festgelegten Geld, dem Vermögen, unterscheiden. Ich glaube, dass die Kirche in Deutschland, was das Vermögen betrifft relativ gut aufgestellt ist. Aber hier handelt es sich nicht um Geld, das die Kirche für die laufenden Ausgaben einsetzen könnte, das sozusagen flüssig ist. Wir brauchen aber Geld, das flüssig ist, um etwa die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Diözesen oder pastorale Aktivitäten zu bezahlen. Und natürlich sollte die Kirche in Deutschland, aber auch in Ländern anderer Kontinente wie in Lateinamerika oder Afrika, sich sehr einsetzen – und das auch finanziell – für die Armen und Schwachen. Das tut die Kirche ja auch schon auf ganz vielfältige Weise, Adveniat ist dafür ein gutes Beispiel, aber denken Sie etwa auch an die Caritas. Meine Erfahrung ist aber die, dass in den Ländern, in denen die Wirtschaft wächst, die sozialen Gegensätze schärfer werden und die Armut wächst. Da sind wir gefragt, Fehlentwicklungen entgegen zu treten.

Viele Länder in Lateinamerika sind immer noch von Armut geprägt. Selbst in den wirtschaftlich sehr erfolgreichen Staaten wie Brasilien, Chile und Argentinien ist Armut ein sehr großes Thema. Viele Lateinamerikaner bleiben angewiesen auf die Hilfe von internationalen Organisationen. Das wäre doch eigentlich ein guter Grund für die deutschen Katholiken, mit ihren Spenden den Menschen in Lateinamerika zu helfen. Trotzdem gehen die Spendeneinnahmen für Adveniat seit 20 Jahren zurück. Wie erklären Sie sich das?

 

Die wirtschaftliche Entwicklung in den Ländern Lateinamerikas ist sehr unterschiedlich. Brasilien ist sicherlich eines der Länder, das einen wirtschaftlichen Aufschwung zu verzeichnen hat. Aber dieser wirtschaftliche Aufschwung geht auch oft zu Lasten der Armen. Es wird beispielsweise in Betriebe investiert, die Erdöl oder andere Rohstoffe und Mineralien gewinnen und letztlich die Natur ausbeuten. Weniger wird aber, und das wurde ja in den letzten Wochen und Monaten bei den Demonstrationen in Brasilien sehr deutlich, in Bildung und in das Gesundheitssystem investiert. Das verschärft die Situation: die Schere zwischen Arm und Reich wächst. In Deutschland kommt es in den Medien aber oft so rüber, dass es den Menschen in Lateinamerika besser gehe, weil es einen wirtschaftlichen Aufschwung gibt. Aber die Gleichung: wirtschaftlicher Aufschwung heißt „den Menschen geht es besser“ stimmt eben nicht. Es fehlt in Lateinamerika an Verteilungsgerechtigkeit, es fehlt an Bildungsgerechtigkeit, es fehlt an Gerechtigkeit im Bezug auf Chancengleichheit. Und von diesen fehlenden Gerechtigkeiten sind in Lateinamerika insbesondere die Armen betroffen. Das falsche Bild in den Medien beeinflusst natürlich auch das Verhalten von Spendern – denn die Spender möchten sehen, dass ihre Spende gebraucht wird, dass sie effektiv ist, dass sie ankommt und langfristig und nachhaltig etwas bewirkt. Das ist das eine.

Das zweite ist, dass ich zumindest - was Adveniat betrifft - feststelle, dass sich die Veränderung der demografischen Situation in Deutschland auch auf die Spendensituation auswirkt. Unsere Spender sind zum Beispiel im Schnitt 60 Jahre alt. Das war bei Adveniat in den 1960er Jahren und Anfang der 1970er Jahre ganz anders. Da waren viele Spender junge Leute und man suchte langfristige Perspektiven. Hinzu kommt: Auch die Bindung vieler Menschen an die Kirche hat sich in den letzten Jahren hier in Deutschland verändert, ist weniger eng als früher. Das sind alles Faktoren, die dazu beitragen, dass im kirchlichen Rahmen Spenden zurückgehen.

 

 

Dieses Jahr hat die Debatte rund um Tebartz-van-Elst und den Bau seines Bischofshauses in den Medien ein sehr schlechtes Bild von Kirche erzeugt. Wie schätzen Sie nach dem Limburger Skandal die Lage ein? Wie wird sich der Skandal auf die Weihnachtskollekte für die Armen Lateinamerikas auswirken?

Die Weihnachtskollekte ist die wichtigste Einnahmequelle für Adveniat. 70 Prozent unserer Einnahmen kommen über die Kollekte zusammen. Ich befürchte schon, dass sich die Ereignisse im Bistum Limburg auch auf das Verhalten von Spendern auswirken werden, weil im Zuge dieser Ereignisse der Eindruck erweckt wurde, die Kirche in Deutschland sei sehr reich und solle, statt teure Bischofssitze und anderes zu bauen, das Geld lieber den Armen zur Verfügung stellen. Dann brauche ich als Spender das auch nicht mehr tun. Wenn es ein solches Denken bei vielen gibt, dann habe ich Bedenken im Blick auf die Kollekte. Ich hoffe aber, dass die Menschen doch noch unterscheiden und differenzieren können. Adveniat finanziert sich kaum aus Kirchensteuern oder gar Staatsleistungen; und: wenn man jetzt weniger spendet, dann trifft das ja nicht die Kirche in Deutschland, sondern es wirkt sich negativ darauf aus, wie intensiv wir die Armen in Lateinamerika unterstützen und ihnen Perspektiven eröffnen können; gerade jetzt ist daher aus meiner Sicht eine Haltung der Solidarität gefragt.

Wir müssen aber natürlich auch sehen, dass ein weiterer Grund für den Spendenrückgang darin besteht, dass wir in einer Zeit leben, in der die Individualisierung, der Blick auf sich selbst, sehr stark ist und der Andere nicht mehr so im Vordergrund steht, wie es in der Vergangenheit gewesen ist. Aber gerade wenn wir sehen, wie gut es uns hier in Deutschland geht, als Kirche und als einzelne Menschen, sind wir umso mehr gefordert, den Anderen in den Blick zu nehmen.

Welche Konsequenzen hätte es für die Menschen in Lateinamerika, wenn die Spendeneinnahmen dieses Jahr zurückgehen sollten?

 

Adveniat hat sich der von der Kirche in Lateinamerika bevorzugten Option für die Armen angeschlossen. Wenn wir weniger Geld bekommen, und wir leben fast nur von Spendenmitteln, dann können wir nicht mehr so viele Projekte fördern. Wir haben einen Haushalt von ungefähr 45 Millionen Euro; davon sind nur 1,4 Millionen Euro Kirchensteuermittel. Mehr nicht. Das zeigt auch, wie großzügig die Spenderinnen und Spender sind. Wir fördern im Augenblick etwa 2700 Projekte, darunter viele Bildungs- und Ausbildungsprojekte für junge und arme Menschen. Diese Zahl würde zurückgehen, wenn die Spendeneinnahmen sinken würden. Wir müssen uns dann fragen, welche Projekte wir mit den vorhandenen Mitteln noch fördern können.

Im Skandal um den Limburger Bischof Tebartz-van-Elst wurde vor allem die mangelnde Transparenz kritisiert. Es war lange nicht klar, wie viel Geld das Bistum Limburg besitzt und auch nicht, wie viel für den Neubau des Bischofshauses ausgegeben wurde. Adveniat gibt ein Drittel aller Spenden für Bauvorhaben in Lateinamerika aus. Könnten Sie sich vorstellen, dass es bei Ihnen zu einem ähnlichen Skandal kommen könnte?

 

Nein, das kann ich mir nicht vorstellen, weil wir genaue Abrechnungen und Abschlussberichte von den Projektpartnern einfordern, damit wir sehen können, wie sie mit den Geldern, die sie von Adveniat erhalten haben, umgegangen sind. Und bevor wir ein Projekt fördern, versichern wir uns, ob das Projekt mit den Mitteln, die Adveniat zur Verfügung stellt auch beendet werden kann. Das muss der Projektpartner uns schon versichern. Zudem: Wenn ein Projektpartner eine Kirche bauen will, sagen wir bei Adveniat nicht, dass wir alle Kosten übernehmen. Erstens ist ein großer Eigenanteil erforderlich, der von der Situation der Gemeinde abhängt und etwa auch von der Frage, ob es noch andere Finanzquellen für den Bau gibt. Dann wird eine Finanzplanung gemacht. Diese ist transparent. Hiervon ausgehend entscheiden wir, ob und mit welchem Betrag wir das Projekt unterstützen. Und wenn das Projekt beendet ist, erwarten und fordern wir einen Schlussbericht ein. Der Schlussbericht ist hier in der Geschäftsstelle zugänglich. Ganz generell gilt: wir veröffentlichen immer einen Jahresbericht, aus dem genau zu entnehmen ist, wo das Geld herkommt, das uns zur Verfügung steht und wofür wir es verwenden. Unser Jahresabschluss wird auch von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüft. Und das Spenden-Siegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) bescheinigt uns immer wieder aufs Neue, dass wir verantwortungsvolle mit den uns anvertrauten Mitteln umgehen.

Wenn man die Bemühungen von den deutschen Bistümern sieht, Öffentlichkeit und Transparenz herzustellen – wie weit können da die Kolleginnen und Kollegen in den Bistümern von Ihnen und Ihrer Erfahrung lernen, um mit dieser neuen Transparenz umzugehen?

 

Ich weiß nicht, wie weit die Verantwortlichen in den Bistümern von uns lernen können. Denn auch viele Bistümer veröffentlichen ja seit Jahren ihre Haushalte, es ist also auch nicht so, als ob da verheimlicht oder vertuscht würde. Die Diskussionen der vergangenen Monate bezogen sich ja vor allem auch auf andere Haushalte, wie etwa den des Bischöflichen Stuhls. Und auch hier haben viele Bistümer ja inzwischen offengelegt, wie diese Haushalte aussehen und welche Vermögenswerte es hier gibt. Das ist sicher gut und richtig so. Denn, was natürlich für ein Hilfswerk wie Adveniat, das sich vor allem aus Spenden finanziert, ganz besonders gilt, gilt letztlich auch für die katholische Kirche in Deutschland insgesamt: wir müssen transparent sein und zwar nicht nur, weil man uns dazu drängt, sondern aus eigener Überzeugung: denn das Geld, das wir zur Verfügung haben, ist nicht unser Geld, sondern Geld, das wir von unseren Spenderinnen und Spendern treuhänderisch bekommen. Und auch die Bistümer müssen mit den Steuergeldern vernünftig, nachvollziehbar und ethisch verantwortbar umgehen. Bei uns gilt: Wenn wir sagen, dass wir Spenden für bestimmte Zwecke brauchen, dann müssen wir auch nachweisen, dass wir die Spenden für diese Zwecke zeitnah ausgegeben haben.

Betrifft ein Spendenrückgang also direkt die Armen in Lateinamerika?

 

Ja, genau. Abrupt ausbleibende Spenden treffen am stärksten die Armen – so wie das immer ist. Es gibt hier im Ruhrgebiet das Sprichwort „den Letzten beißen die Hunde“. Die Armen sind die Letzten auf der Skala und wenn Spenden ausbleiben, sind die Armen am stärksten davon betroffen.

<emphasize>Das Interview führte Dario R. Hülsmann</emphasize>



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