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Abstimmung zum Grundgesetz am Nil

Unterschriftenrevolte gegen Muhammad Mursi

(explizit.net) Das Fünfzigerkomitee votierte Sonntag über 138 der 247 Artikel des mithin modifizierten Verfassungsentwurfs. In Kairo geleitet durch den langjährigen Diplomaten Amru Musa, ist die Debatte noch bis zum Volksentscheid im Januar offen. Ins Auge fällt die bessere Gewaltenteilung. So wird eingegrenzt, daß der Präsident der Republik Chef des Staats und der Exekutive ist. Er beauftragt den Premier mit Regierungsbildung und –programm, der binnen 30 Tagen des Vertrauens einer Abgeordnetenmehrheit per Abstimung bedarf. Zwei Drittel aller Abgeordneten dürfen ein Verfahren gegen den Präsidenten einleiten. Bis zum Urteil wird er durch einen Vertreter ersetzt und kann nicht mehr weiterregieren.

Unterschriftenrevolte gegen Muhammad Mursi

(explizit.net) Das Fünfzigerkomitee votierte Sonntag über 138 der 247 Artikel des mithin modifizierten Verfassungsentwurfs. In Kairo geleitet durch den langjährigen Diplomaten Amru Musa, ist die Debatte noch bis zum Volksentscheid im Januar offen. Ins Auge fällt die bessere Gewaltenteilung. So wird eingegrenzt, daß der Präsident der Republik Chef des Staats und der Exekutive ist. Er beauftragt den Premier mit Regierungsbildung und –programm, der binnen 30 Tagen des Vertrauens einer Abgeordnetenmehrheit per Abstimung bedarf. Zwei Drittel aller Abgeordneten dürfen ein Verfahren gegen den Präsidenten einleiten. Bis zum Urteil wird er durch einen Vertreter ersetzt und kann nicht mehr weiterregieren.

Ebenso stärkt der neue Entwurf dieses Grundgesetzes die Unabhängigkeit der Judikative.Parteien auf religiöser Grundlage bleiben verboten. Jede Zeile birgt die frische Erfahrung durch den Sturz der Präsidenten Husni Mubarak nach der Lotusrevolte am 25. Januar 2011; und Muhammad Mursi drei Tage nach der Coupvolte am 30. Juni 2013. Auf TV-Kanälen wirbt die Interimsregierung um die Bürger, breit am Referendum teilzunehmen. Motto: Man kann über viele Punkte streiten, doch setze die Wahl den Willen des Volkes in Sinne jener beiden Revolten um. Dies sei Ägyptens Botschaft an die Völker der Welt.

Rundtische

In der Tat, trotz aller Versuche, durch Gewalt auf den Straßen, in den Universitäten und auf der Halbinsel Sinai desolate Verhältnsse zu etablieren, wird damit der ursprüngliche Fahrplan des Interimspräsidenten Adli Mansur umgesetzt. Die alte Verfassung, die auf eine feste Macht der Islamisten hinauslief und am 8. Juli außer Kraft gesetzt wurde, wird damit überholt - und der Weg frei für die Wahlen zum Parlament und zum Präsidenten.

Freilich kritisieren Aktivisten, dass nur wenige Meinungsverschiedenheiten jener Leute aus dem Fünfzigerkomitee ans Licht kamen. Zu gering wären diverse Schichten in die Debatten einbezogen worden. Hier sei daran erinnert, dass der Literaturnobelpreisträger Najib Mahfuz einmal runde Tische vorgeschlagen hatte, um die Probleme zu erörtern. Diese Idee, einst vom Aufbruch Osteuropas inspiriert, rutschte am Nil nun wieder weg.

Allerdings treibt viele Ägypter die Sorge um das alltägliche Überleben um. Immer ist etwas zu teuer. Eben flatterte das Gerücht durch die Medien, Muslimbrüder hätten die Butangasbehälter massiv aufgekauft, den Preis hochgetrieben und dann wieder verkauft. Sicher ist aber nur, dass diese Behälter mit dem Koch- und Heizungsgas knapp gerieten.

Daneben gingen einige Straßenschlachten weiter. Diesmal sorgten die Studenten an den Universitäten für Unruhe. Nicht ohne Gründe. Ihr Kommilitone Abd al-Ghani Mahmud sei als Demonstrant an der al-Azhar-Universität am 20. November getötet worden (laut Muhammad Fathallah vom Gesundheitsamt aber durch eine Schrotkugel). Dabei zählten Protestierende 100 Tage nach der Gewalt gegen Straßenblockaden. Sie verlangten, den Großscheich der al-Azhar-Universität Ahmad at-Tayyib und den Universitätspräsidenten Ahmad al-Abd zu entlassen. Ersterer trat durch sein Dokument für ein liberales Ägypten hervor. Letzterer „erteilte ein Verbot für Protest und deckt das Militärregime“, das zwölf Studenten zu zwei Jahren verurteilt hatte. Gleichwohl beschweren sich Menschenrechtler.

Antiterrorgesetz

Zwölf meist ägyptische Vereine für Menschenrechte beklagten sich am 7. November über das neue Gesetz gegen den Terror. Damit würden die Grundlagen für einen Polizeistaat wie vor der Lotusrevolte sowie für mehr Gewalt und Terrorismus gelegt. Klar treten die Muster einer repressiven Gewalt im Gesetz hervor, dessen Begründung sich wenig vom Vorgängergesetz zwei Dekaden zuvor unterscheide und auch Aktivisten erfassen kann.

Neben der Hauptwarnung, dass Schritte des Antiterrors keine automatische Autorisierung für all die Maßnahmen der bewaffenten Kräfte bildeten, werden fünf Punkte erklärt. Die Begriffe „Terrorakte und terroristische Verbrechen“ seien so vage definiert, dass sie leicht dazu benutzt werden könnten, Rechte der politischen Opposition und Zivilgesellschft zu beschneiden. Schwammige Formeln seien dazu angetan, auch friedlich Protestierende zu belästigen. Gefängnisstrafen bis zu fünf Jahren gibt es gegen jene, die direkt zum Terror aufrufen oder diesen indirekt unterstützen (schriftlich, mündlich, Medien und Webseiten).

Sieben Artikel fordern die Todesstrafe für Terrorakte mit dem Tode als Folge, wobei sie nicht zwischen dem Terror, Mord und den Taten mit unabsichtlicher Todesfolge trennen. Die Anwaltsbehörde speziell für Antiterrorverfolgung untergrabe die Unabhängigkeit der Judikative, da die Behörde dem Justizministerium unterstehe. Eine Terrordefinition fehle. Die Kategorisierung in dem Gesetz „Terrorakte/Verbrechen“ wäre viel zu breit gefaßt. Es gehe nicht nur um Strafverfolgung, sondern auch um die dahinter stehenden Missstände.

Chancen

Wir sehen, wie der Staat Kontrollen und Gegenkontrollen einrichten muss. Zum einen soll er für Ruhe und Sicherheit sorgen, darf zum anderen aber nicht die legitime Opposition unterdrücken. Diese Zwickmühle, verstärkt durch die alten und neuen Leidenschaften in den jüngsten Jahren, wirkt beständig. Alles lässt sich gut kritisieren. Von Organisationen der Menschenrechte könnte man auch konkrete Gegenformulierungen für Einzelpunkte erwarten, vor allem für den Terror und Terrorismus. Je klarer gefasst, desto besser für alle.

Ob schließlich am Nil rasch Bedingungen verändert werden können, die Terror fördern, ist angesichts der Wirtschaftsmisere fraglich. Darüber gibt es einen langen Streit, in dem wohl jene den kürzeren ziehen, die behaupten, Terrorismus entspringe Armut und Elend. Es gibt so viele Erdteile mit einem niedrigen Lebensniveau, die nur wenige Terroristen hervorbringen. Umgekehrt kommen viele Terroristen aus begüterten Verhältnissen und könnten ihre Gelder wirklich besser zum Nutzen ihrer Völker anlegen als andere zu töten.

Die politische Krise ist am Nil längst nicht beigelegt. Obwohl dort eine tiefe Umwälzung im Vergleich zur vorherigen Macht abläuft, sind die Fortschritte noch bescheiden. Doch ist es andererseits auch die Taktik von Islamisten, Wut, Verzweifelung und Destabilität zu erzeugen: ein dramatisches Tauziehen um die Volksseele im jetzigen Wirtschaftsruin.

Stimmen die jüngsten Berichte, dann haben sich Teile der Islamisten wie Muslimbrüder nach Libyen und Sudan abgesetzt. Ihre Führer plädieren laut al-Ahram dafür, die Taktik der zerrüttenden Gewalt fortzusetzen. Dies verbreite auch Asim Abd al-Majid aus Qatar über den TV-Sender al-Jazira. Am Nil kommt ein Halbjahr der Chancen - und Verluste.



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