Foto: Studio Prjamyi

Prjamyj, der neue Informationssender der Ukraine

Die Rolle der Medien wird auch in der Ukraine intensiv diskutiert. Neben dem militärischen Krieg in der Ostukraine gibt es den Informationskrieg zwischen Russland und der Ukraine, in den direkt oder indirekt alle Bürger hineingezogen werden. Dieser Kampf ist es viel schwieriger zu gewinnen.

Ein reiches Medienangebot spiegelt viele Interessen

Der ukrainische Informationsraum bietet eine große Vielfalt von Medien, die um die Ausweitung ihrer Zielgruppe kämpfen. Durch die digitalen Medien sind die aktuellen Nachrichten für alle zugänglich. Es genügt ein Tastendruck. Es ist jedoch nicht so leicht, die zahlreichen TV-Sender, Internetseiten und Printmedien einzuschätzen. Das liegt nicht nur an der Vielzahl der Medien, sondern auch an Redaktionslinie, die von den Investoren maßgeblich bestimmt werden.

Transparenz über die Besitzverhältnisse

Durch  ein Gesetz wurden alle Radio- und Fernsehgesellschaften in der Ukraine verpflichtet, bis 31. März 2017 ihre Eigentumsstrukturen auf ihren Web-Seiten offen zu legen. Seitdem kann sich jeder über die Besitzer und derer Anteile an einem Medienunternehmen informieren. Fast alle Medien der Ukraine sind von Oligarchen bestimmt, weiter von Abgeordneten und Geschäftsleuten, die entweder wirtschaftliche oder politische Interessen verfolgen. Zu den größten Medienmagnaten zählt man heute Rinat Achmetow, Dmytro Firtasch, Igor Kolomoiskiy, Wiktor Pintschuk, alles Besitzer von Industriebetrieben, also Oligarchen. Das bedeutet aber nicht, dass man den Nachrichten der TV-Sender solcher Besitzer nicht glauben darf. Man muss allerdings davon ausgehen, dass einige Informationen einfach ausgelassen werden und die Schwerpunkte durch die Interessen der Eigentümer bestimmt sind.

Ein Informationssender mit 50% Live-Sendungen

Am 24. August 2017, anlässlich des Unabhängigkeitstages der Ukraine,  gibt es einen neuen Informationsanbieter, der ein ukrainisches CNN bzw. eine BBC schaffen will. Der Sender nennt sich „Prjamyj“, das man mit „direkt“ bzw. mit „offen“ übersetzen kann. Warum wurde der Start eines TV-Senders zu so einem Ereignis? Generaldirektor des Kanals wurde Oleksij Semenow, der Gründer der Kanäle «112 Ukraina» und NewsOne, die einen guten Ruf in der ukrainischen Bevölkerung genießen. Das Senderformat wurde als Infotainment definiert, dieser Bezeichnung erscheint zum ersten Mal in den Lizenzen für ukrainische Fernsehkanäle. Neben  informationsanalytischen und publizistischen Sendungen gibt es Unterhaltungsprogramme. Die Hälfte der täglichen Sendungen wird live übertragen. Einen so großen Anteil an Live-Sendungen gab es zuvor nicht.
Haupteigentümer von „Prjamyj“ ist der frühere Abgeordnete des Parlaments, der Werhowna Rada, Wolodymyr Makeenko. Viele sehen mit einem gewissen Sarkasmus in der Neugründung  einen weiteren Privatsender, der dem Lobbying für die eigenen Interessen und der Geldwäsche dient. Solche Einschätzungen werden in der gegenwärtigen Ukraine schnell geäußert. Ich, die Autorin dieses Beitrages, hätte selbst diese Einschätzung geteilt, wenn ich nicht schon nach ein paar Tagen schon zu einer leidenschaftlichen Zuschauerin geworden wäre.

Neue Formate ziehen das Publikum an

Unerwartet für mich wurde mein Interesse zuerst von einem interessanten Team geweckt. Ukraineweit bekannte Journalisten und Moderatoren, wie Jewgeni Kisseljow, Karolina Aschion, Matwij Ganapolskij, Olexandr Lirtschuk, Wasylisa Frolowa und viele andere, die bei verschiedenen TV-Sendern arbeiten, erhielten die Möglichkeit, knifflige und direkte Fragen an Abgeordnete und Beamte zu stellen, lebendige Diskussionen mit Experten zu moderieren, aktuelle Umfragen einzubeziehen sowie Zuschauern die Möglichkeit zu geben, Fragen an die Gäste im Studio zu stellen – das Ganze live, ohne Mängel zu verstecken oder Antworten abzuweichen. So ein aufrichtiges und direktes Format hat große Aufmerksamkeit auf sich gezogen und gewinnt allmählich die Anerkennung.

Unabhängigkeit der Nachrichtengebung

Wolodymyr Makeenko, der Haupteigner, hat zugesichert, „Prjamyj“ sei nicht nur hundertprozentig pro-ukrainisch, sondern arbeite auch streng entsprechend den Gesetzen und ohne die Verfassung zu verletzen. Der Investor hat auch hervorgehoben, er sei bereit, einen Vertrag mit dem Redaktionsteam abzuschließen, um jeglichen Einfluss von außen zu verhindern und die Unabhängigkeit des Fernsehkanals zu gewährleisten. Abschließende Beurteilungen sind noch fehl am Platz. Es bleibt die Skepsis, einem Politiker Glauben zu schenken. Herauszuheben ist, dass das neu zusammen gestellte Team ambitioniert und entschlossen ist, durch ernsthafte Arbeit, dem Informationsleben in der Ukraine Mehr Luft zu geben“. Es wird sich zeigen, ob der progressive Kanal seine Prinzipien und sein Konzept durchhalten wird und ob er seine Unabhängigkeit bewahren kann. Die ersten Eindrücke und das Feedbacks fallen positiv aus, wenn auch vorsichtig und zurückhaltend.

 Prjamyj


Kategorie: Medien

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