Trump hat 70 Millionen Stimmen bekommen, mehr als 2016. Überraschenderweise nicht bei der weißen Mittelschicht. Dort hat er vor allem bei den Frauen Stimmen an den Kandidaten der Demokraten verloren. Auch hat er bei den weniger verdienenden Weißen Prozentpunkte eingebüßt. Gewonnen hat er bei den Stammwählern der Demokraten, vor allem bei Latinos und Asiaten, geringfügig auch bei den Schwarzen. Wie ist das zu erklären, wo doch Trump gegen die Zuwanderer wetterte? Besonders der Zuwachs bei den Latinos verlangt nach einer Erklärung. Sie sind von der Abschottung an der Südgrenze besonders betroffen. Denn Trump musste entlang der Grenze eine Mauer bauen, um die Stimmen im Norden, im sog. Rost-Belt zu bekommen, wo viele Arbeitsplätze in der Schwerindustrie verloren gingen. Die weiße Arbeiterschaft fürchtet die Zuwanderer im Süden, diese könnten sie in den Lohnforderungen unterbieten. Deshalb musste Trump im Süden bauen, um im Norden die entscheidenden Stimmen wie 2016 zu gewinnen. Das gelang ihm nicht. In Pennsylvania mit Pittsburgh, früher Schwerpunkt der Stahlindustrie und Michigan mit der Autostadt Detroit, hatte Trump 2016 die Mehrheit, ebenso in Wisconsin. Virginia wählte wieder den demokratischen Kandidaten, während der Kohle-Staat West Virginia, früher eine Hochburg der Demokraten, republikanisch wählte. Biden hat also einige der Staaten, in denen die weiße Mittelklasse vom sozialen Abstieg bedroht ist, für die Demokraten zurückgeholt. Florida, wo man einen Vorsprung für Biden ausmachte, ging an die Republikaner, weil hier die Latinos für den Wahlausgang eine Rolle spielen. Will man einer Erklärung näher kommen, könnte diese in der Beobachtung liegen, dass Trump seine Wahlstrategie auf Spaltung angelegt hat.
Es ist die Rassenfrage, die spaltet
Wahrgenommen wird die Diskriminierung der Bevölkerungsgruppe, die aus der Sklaverei zu Bürgern wurde. Ihre Hautfarbe macht sie erkennbar, sie gelten aber auch als das Amerika der Gewalt, der Drogen, der Bandenkriminalität. Anders die Asiaten. Von den Minderheiten sind sie die erfolgreichsten und am besten angesehen. Die Zuwanderer aus Lateinamerika sind inzwischen die zahlenmäßig größte Gruppe und in ihrem Aussehen die größte Gruppe. Die Weißen sind bald nicht mehr "die Amerikaner". Sie sind zwar immer noch dominierend, aber man kann ausrechnen, 2050 soll es so weit sein, dass sie nicht mehr die Mehrheit sein werden. Die Demokraten setzen auf die Stimmen der Zuwanderer. Von einigen werden sie Colored People genannt und stellen zusammen die Mehrheit. Aber, das zeigt die Wahl, sie werden versuchen, Teil der Weißen, der politisch und intellektuell bestimmenden Bevölkerungsgruppe zu werden.
Trump nutzten die Stimmen der Latinos nicht genug
Biden hat im Norden gewonnen. Wären dort mehr Latinos sesshaft, wäre der knappe Vorsprung in den Rostbelt-Staaten für die Republikaner ausgeglichen worden. Hier jetzt die These:
Latinos, die in die weiße Mehrheitsgesellschaft hineinwachsen wollen, hätten auch im Norden dem republikanischen Kandidaten ihre Stimme gegeben.
Einwanderergruppen grenzen sich gegeneinander ab
Ein Priester, mit mir im gleichen Orden, hat mich aus seiner Seelsorgserfahrung aufmerksam gemacht, was eine Erklärung sein könnte. Markus Franz S.J. war aufgefallen, dass am Sarg des aufgebahrten Franz Josef Strauß 1988 viele Migranten ihm eine letzte Ehre erwiesen hatten. Aus der Flüchtlingsarbeit wird immer wieder berichtet, dass die Gruppen sich nicht nur gegeneinander abgrenzen, sondern auch eine Hierarchie entwickeln. Oben rangierten die Asiaten. In Europa schauen die Perser auf die Araber herab, auf der untersten Stufe stehen die Afrikaner. Das lässt sich zwar nur bedingt auf die USA übertragen. Aber warum sollen sich die Latinos mit den Schwarzen solidarisieren? Es wäre genauer zu untersuchen, ob die katholischen Latinos eher zu den weißen Katholiken tendieren als zu den Freikirchen der Afrikaner. Weiter wählen die Katholiken, zu deren Gemeinden viele Latinos stoßen, so dass sie die irisch- und italienisch-stämmigen an Zahl überholt haben. Sie kommen nicht mehr in Pfarreien, die traditionell die Demokraten gewählt haben, da die Katholiken wegen der Abtreibungsfrage nicht mehr wie selbstverständlich den Kandidaten der Demokraten vorziehen. Ein weiterer Faktor kommt hinzu. Die Republikaner sind die Partei, die für die Abschaffung der Sklaverei eintrat. Da die Demokraten im Süden über Jahrzehnte die Integration verweigerten, gewannen die Republikaner Wähler unter den Nachkommen der Sklaven.
Die Republikaner stehen für die noch weiße Mehrheitsgesellschaft. Biden ist nur ein Übergangskandidat. „America first“ bleibt die Maßgabe, mit der Europa rechnen muss. Wir können uns die Naivität mancher deutscher Meinungsblätter nicht leisten und so tun, als sei mit Bidens Wahl alles wieder in Ordnung.
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